„Blackout“-Premiere

Michael Mittermeier ist Rock’n’Roll - nur ohne Band

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Peter E. Müller

Foto: Sport Moments/Heisterkamp / picture alliance / Sport Moments

Seine Touren durch Clubs in Nordamerika und Großbritannien haben ihm gut getan. Michael Mittermeier hat sein Tempo neu justiert, seinen Slapstick verfeinert. Nun begeistert er im Berliner Tempodrom.

Er war auf Humor-Safari. Er hat sich in den vergangenen Jahren in die Höhle des Löwen vorgewagt. Er ist in die Heimat der Comedy aufgebrochen. Nach Nordamerika, auf die britische Insel, ja sogar ins südafrikanische Kapstadt. Und Michael Mittermeier, der bayrische Hochspannungs-Comedian, hat der anglophilen Welt klar gemacht, dass es durchaus auch so etwas gibt: einen Deutschen mit Humor. Mit klugem Humor sogar, wenn es sein muss. Einen „german comedian“, der selbst die verwöhnten Engländer zum Lachen bringen kann.

Der 47-jährige Entertainer mit dem losen Mundwerk ist nach erfolgsverwöhnten Jahren noch einmal durch eine harte Schule gegangen. Ist durch die Clubs getingelt und hat einfach drauflos erzählt. Auf Englisch. Er hat sich als Bühnenpersönlichkeit gefestigt. Hat sein Tempo neu justiert, seinen Slapstick verfeinert. Das hat sich auch in seinem neuen Programm „Blackout“ niedergeschlagen, mit dem Michael Mittermeier am Dienstagabend im mit 2700 Besuchern ausverkauften Tempodrom Tournee-Premiere feiert.

Zwei große Leinwände links und rechts der Bühne und acht Flachbildschirme vor blau schimmernder Metropolen-Kulisse dominieren flimmernd das Spielfeld. Es kracht, es donnert, es blitzt. Harte Rockgitarren dröhnen aus den Lautsprechern. Feuerwehrsirenen heulen. „Ladies and Gentlemen, this is a blackout“ sagt eine drohende Stimme aus dem Off. Der Lärm verstummt. Es wird dunkel. Als die Spots wieder angehen, steht er da, der Mittermeier, und ruft im gleißenden Licht: „Guten Abend, Servus Berlin. Es ist schön in der Hauptstadt der Blackouts zu sein.“

„Blackout“ mit Oktoberfest

Zunächst bedarf es einer Begriffserklärung. Blackout, das sei „das plötzliche völlige Versagen eines Zustandes“, ein Totalausfall also, wie ihn nahezu jeder kenne, der mal eine Nacht zu lange gefeiert habe und sich am Morgen an nichts mehr erinnern könne. Doch dafür sorge heutzutage ja YouTube. Aber auch bei Politikern ließen manche Entscheidungen auf Symptome eines Blackouts schließen: „Ihr in Berlin habt da ja so einen Flughafen.“ Und für die nächsten zweieinhalb Stunden erzählt, plaudert und kalauert sich Mittermeier wie der Kumpel aus der Kneipe von nebenan durch komödiantische, urkomische oder auch mal derbe Geschichten von Abstürzen, Systemausfällen und den Absurditäten des Lebens.

Er markiert nicht mehr den überkandidelten Zappelphilipp, weiß seine Erkenntnisse und Erinnerungen aber dennoch mit kontrolliertem Ganzkörpereinsatz und pointiertem Mienenspiel zu untermauern. Und bald wird klar, dass es ihm vor allem die kollektiven Alkoholexzesse angetan haben. Der Programmtitel könnte auch schlicht „Oktoberfest“ lauten. Immer wieder kommt er darauf zurück. Von frühesten Kindheitserinnerungen an torkelnde Männer, deren Grunzlaute er für eine Art Begrüßungsritual hielt bis zum Import des Volksfestes bis nach Katar, wo eine arabische Stimmungskanone vom „Yusuf aus Kabul“ singt.

Was Öko-Zombies essen

Überhaupt, das Oktoberfest: „Wenn wir Bayern die Wies’n nicht hätten, würden wir sofort Deutschland überfallen“. Daneben treibt er Späße mit nationalen Eigenheiten, charakterisiert den Bayern als Biertrinker und Fleischkäs-Esser (obwohl da alles drin sei nur kein Fleisch und kein Käse), nimmt Engländer, Amerikaner und Japaner kräftig auf die Schippe, fragt sich, warum Aliens „immer nur unsere Vollidioten entführen“ und klärt auch auf über die typische Handhaltung der Kanzlerin. Das sei gar kein Herz und auch keine Raute, sondern ein Zeichen für das weibliche Geschlechtsteil. Das geht etwas unter die Gürtellinie, aber das Fanvolk jauchzt und jubelt.

Mittermeier kommt mächtig in Fahrt. Kommt vom Oktoberfest zu den neuseeländischen Maori, von Fukushima zum Fernsehprogramm, von einer Schweizer Pornomesse zum zurückgetretenen Papst, von Natascha Kampusch zu Silvio Berlusconi, von der deutschen Nazi-Vergangenheit zu seiner ganz persönlichen Zombie-Phobie: „Von was ernähren sich eigentlich Öko-Zombies? Von freilaufenden Bauern aus der Uckermark?“ Für ihn gibt es kaum ein Thema, über das man sich nicht lustig machen dürfte. „Lass es raus“, lautet seine Devise. „Humor reinigt die Seele.“ Dieser Mittermeier ist der pure Rock’n’Roll. Nur ohne Band. Der Applaus ist dankbar und langanhaltend.