Berlin. Die Dokumentation „Krähen – Die Natur beobachtet uns“ holt die Tiere vom mythologisch überhöhten Himmel - und enthüllt so Originelles.

Bei Edgar Allan Poe treibt er den Erzähler in den Wahnsinn. Bei Hitchcock stürzen sie als todbringende Vögel vom Himmel. Sie waren Begleiter des Germangottes Odin, standen im alten Ägypten zwischen Dies- und Jenseits.

Raben oder Krähen sind mythisch aufgeladen. Als Todesvögel, Götterboten, Unglücksbringer. Anlass für den Schweizer Regisseur Martin Schilt, im Dokumentarfilm „Krähen – Die Natur beobachtet uns“ den Vögeln mit Zoologen, Krähenforschern oder Jägern nahezukommen.

Dabei verfolgt er über 90 kurzweilige Minuten konsequent die These, dass die Vögel quasi als Sinnbild nicht zu domestizierender Natur die Menschen überwachen, von uns lernen, meist profitieren und manchmal etwas zurückgeben.

„Krähen“: Was die Vögel mit den Menschen gemeinsam haben

So weisen sie den Inuit in Kanada den Weg zu den Karibu, um sich im Gegenzug als klassische Aasfresser an deren Kadavern zu laben. Sie nisten in den Städten gern an gut ausgeleuchteten Autobahnen, um als schlechte Nachtseher vor ihrem Hauptfeind, der Eule, geschützt zu sein.

Sie haben dabei viele Parallelen zu den Menschen. Sie können sich in Massen ansammeln und „tratschen“. Sie haben eine glänzende Erinnerung, und sie kommen unwissend auf die Welt und lernen spielend wie Kinder, wie ein amerikanischer Doktorand in einem Laborversuch zeigt, wo eine Krähe wie in der berühmten Äsop-Fabel Steine in einen tiefen Krug wirft, um so an das darunter liegende Wasser zu kommen.

„Krähen“: Jungtiere auf Brautschau am Wiener Prater

Die Vögel können dazu glänzend adaptieren, wie ein Beispiel aus Tokio beweist, wo sich die Dschungelkrähe im Steindschungel der Stadt ein Nest aus Kleiderbügeln baut. Denn: Die Krähe braucht die Nähe des Menschen.

Als Jäger führt er sie in der Wildnis an Aas, in der Zivilisation hinterlässt er mit Müllbergen einen reichen Futterplatz, und am Wiener Prater können einsame Jung-Krähen auf Brautschau gehen.

„Krähen“: Wenn sich ein Vogel sein Werkzeug bastelt

So bietet diese mit Animationssequenzen unterlegte Dokumentation, die Erzählerin Elke Heidenreich mit poetischen Worten begleitet, neben Bekanntem auch Originelles. Dass sich etwa die neukaledonische Krähe aus Blättern ein Werkzeug mit Haken schnitzt, um so an die leckeren Larven tief in den Baumstämmen zu kommen, ist bemerkenswert.

So holt Schilt die Vögel aus dem mythologisch überhöhten Himmel – aber so ganz entzaubern kann er sie dabei nicht. Bei aller Forscherfreude behalten die Galgenvögel noch ihr Geheimnis.

Dokumentarfilm Schweiz 2023, 90 min, von Martin Schilt