Abschiedskonzert

Stehende Ovationen für Christoph Eschenbach

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Mario-Felix Vogt
Dirigent Christoph Eschenbach.

Dirigent Christoph Eschenbach.

Foto: Marco Borggreve

Christoph Eschenbach verabschiedet sich mit Schuberts „Unvollendeter“ und Mozarts „Requiem“ als Chefdirigent des Konzerthausorchesters.

Berlin.  Die Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Franz Schubert spielten im Leben des Musikers Christoph Eschenbach stets eine besondere Rolle. So nahm er als Pianist mit seinem langjährigen Klavierduo-Partner Justus Frantz Mozarts und Schuberts komplette Klavierwerke zu vier Händen auf. Als Dirigent beschäftigte sich Eschenbach vor allem intensiv mit den Opern „Don Giovanni“ und „Die Hochzeit des Figaro“, die er mit den Wiener Philharmonikern zur Aufführung brachte und auch auf DVD einspielte. Da ist es nicht verwunderlich, dass er auch für seinen musikalischen Abschied nach vier Jahren als Chefdirigent des Konzerthausorchesters Werke dieser beiden Komponisten wählte. Beide Stücke verbindet, dass sie von ihren Schöpfern nicht fertiggestellt wurden. Ursprünglich plante Schubert seine siebte Sinfonie wohl als viersätziges Stück, es kam ihm jedoch ein anderer Kompositionsauftrag dazwischen, weshalb die Sinfonie nie vollendet wurde; es blieb bei einem musikalischen Torso von zwei Sätzen.

Das „Requiem“ war die letzte Komposition, an der Mozart arbeitete, er ist darüber gestorben. Die Umstände, unter denen diese Totenmesse entstand, waren wahrlich ominös. So blieb der Auftraggeber des Werks anonym. Er schickte immer wieder einen geheimnisvollen Boten, der sich nach dem Stand des Auftrags erkundigte und vor dem sich Mozart regelrecht fürchtete. In den letzten 200 Jahren entstanden verschiedene Ergänzungen des „Requiems“. Die erste Fassung schuf Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayr, allerdings erfuhr diese vor allem wegen ihrer mangelhaften Instrumentation so viel Kritik, dass mehrere weitere Versionen entstanden. Eine der anerkanntesten Neufassungen stammt vom deutschen Bratschisten Franz Beyer.

Bei Mozarts „Requiem“ setzte der Dirigent auf den großen expressiven Ton

Diese Version wählte auch Eschenbach, der für das „Requiem“ sein Konzerthausorchester durch das Vocalconsort Berlin und eine erstklassige Solistenriege ergänzte. Während viele Vertreter der historisch informierten Aufführungspraxis das Requiem tendenziell sehr durchsichtig und fließend interpretieren, setzt Eschenbach auf den großen expressiven Ton und auf tiefe Emotionen bei eher breiten Tempi. Das Vocalconsort ist dabei ein wertvoller Partner, der sich engagiert und lustvoll durch Mozarts komplexe polyphone Textur bewegt. Unter den vier exzellenten Gesangssolisten ragen zwei Sänger besonders heraus: die israelische Sopranistin Chen Reiss, mit der Eschenbach bereits mehrfach zusammenarbeitete, und die mit ihrem wunderschönen Timbre und hervorragenden Legato begeisterte, sowie der kanadische Bassbariton Philippe Sly, der mit seiner sonoren kräftigen Stimme sich mühelos gegen das Orchester durchsetzen konnte.

In Schuberts „Unvollendeter“ ging Eschenbach dynamisch in die Extreme. Scheinbar aus dem nichts kamen die filigranen Begleit-Sechzehntel der Streicher zu Beginn des ersten Satzes, über die sich wunderbar weich und kantabel das Solo von Oboe und Klarinette erhob. Im zweiten Satz waren es dann die gut aufeinander eingespielten Hörner, die begeisterten, sowie die sehr organischen Crescendi, die Eschenbach mit großer Geste gestaltete. Da gab es zu Recht stehende Ovationen. Ein würdiger Abschied eines großen Dirigenten, der dem Konzerthaus zum Glück als Gast erhalten bleibt.