Ausstellung

Ein gepolsterter Panzer: Spannende, junge Kunst aus Israel

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Utta Raifer
Die Künstlerin Dina Shenhav vor ihrer Installation „Merkava“ (2019).

Die Künstlerin Dina Shenhav vor ihrer Installation „Merkava“ (2019).

Foto: Anikka Bauer / FUNKE Foto Services

Das Haus am Lützowplatz zeigt in einer neuen Ausstellung bis zum 27. August zwölf zeitgenössische Positionen aus Israel.

Ein dunkler Baumstumpf, am Kippen gehindert von einer Terrazzofliese. Sie taucht nebenan als Sitzfläche auf, Ariel Reichmann hat drei Hocker gebaut. Der 1971 geborene Künstler ist als 12-Jähriger mit seiner jüdisch-orthodoxen Familie von Südafrika nach Israel migriert und lebt heute in Berlin. Die Terrazzofliese ist für Israel typisch und galt lange Zeit als billiger, immer verfügbarer Werkstoff. „Sumsum“ wird sie genannt, weil ihre Sprenkel an das Sesamkorn erinnern, das aus Kichererbsen Humus macht, das inoffizielle Nationalgericht Israels.

Zwölf zeitgenössische Positionen hat die Ausstellung „Who by Fire: On Israel“ im Haus am Lützowplatz versammelt, um Geschichte und Gegenwart Israels in den Blick zu nehmen. Während Reichmans „SumSums“ sich der Musealität entziehen – sie laden zum Sitzen ein und seine Pflanzeninstallation sogar zum Mitnehmen – ist der Baumstumpf von Ella Littwitz ein Objekt für die Ewigkeit. Die Künstlerin, Jahrgang 1982 und aus Tel Aviv, hat Theodor Herzls Baum, den er 1898 in Motza bei Jerusalem pflanzte, in Bronze gegossen. Bis heute ist das Pflanzen von Bäumen in Israel ein hochpolitischer Akt. „The Promise“ (das Versprechen) nennt Littwitz ihr Werk.

1898 war der jüdische Staat eine Idee und Motza eine der ersten zionistischen Siedlungen in einem Land, das von Palästinensern bewohnt war. Herzl versprach Leben, der Baum wurde dennoch gefällt. Heute wird sein Stumpf in Plexiglas konserviert, zu besichtigen auf der Präsidentenstraße in Motza. In der Metallvariante ist er endgültig erstarrt, doch Reichmans Fliese, im Alltag von Palästinensern gefertigt und nun subtil-provisorisch dem Denkmal untergeschoben, gibt ihm wieder Halt, Farbe und Richtung.

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Die neorealistische Malerei von Durar Bacri setzt ein weiteres Statement. Er wurde 1982 als Palästinenser in Akkon geboren. Sein Bild ist eine Balkonidylle aus Tel Aviv. Eine Kaktusfeige im Topf konkurriert mit Hochhäusern um den Platz im blauen Himmel. Tel Aviv ist eine israelische Neugründung, der Kaktus das Symbol für die vertriebenen Araber und ihre verlassenen Dörfer. Bacris sieht sich als Palästinenser der neuen Generation, sein Kaktus kann überall stehen.

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Dass darin keine Kapitulation liegt, sondern die Entscheidung, nicht mehr mitzuspielen, beweisen weitere Kunstwerke. Avner Pinchover (1980) wirft in einem Video Steine gegen Panzerglas und Dina Shenhav (geboren 1968) hüllt einen Panzer in Schaumstoff. Das Glas zerbricht in einem befreienden Akt, der Schaumstoff gibt einfach nach. Und Ariane Littmann, Jahrgang 1962, stellt sich in einem „Akt der Resilienz“ den Wunden und heilt sie mit Mullbinden.

Kurator Liav Mizrahi hat die Schau „Who by fire“ in Anlehnung an einen Song von Leonard Cohen genannt, der diesen unter dem Eindruck des Jom-Kippur-Krieges 1973 schrieb. In Israel brennt es wieder oder immer noch. Diesmal scheint nach Ansicht des Kurators auch die Demokratie in Gefahr zu sein und mit ihr die Kunst. Diese Ausstellung mit ihrer erfrischenden Auswahl von Künstlern (Shlomo Pozner kommt aus einer ultraorthodoxen Familie, Fatma Shanan gehört zur drusischen Minderheit, Michael Halek ist christlicher Palästinenser) zeigt, was auf dem Spiel steht.