Berlinische Galerie

Wie Böhler & Orendt vom Ende der Menschheit erzählen

| Lesedauer: 3 Minuten
Utta Raifer
Christian Orendt und Matthias Böhler.

Christian Orendt und Matthias Böhler.

Foto: Sergej Glanze / FUNKE Foto Services

Die Berlinische Galerie zeigt eine faszinierende Installation des Künstlerduos: Die Zerstörer des Planeten verlassen ihn.

Die Tiere bleiben zurück, während die Menschen zu einer gigantischen Lotusblütenknospe strömen, angezogen von einer Kraft, die in konzentrischen Linien angedeutet wird. In der hinduistischen Mythologie sprang der Gott Brahma aus einer Lotusblüte und schuf das Universum und die Menschen. Seitdem öffnet sie sich jeden Tag, wenn die Erde erwacht. Doch hier bleibt sie trotz gleißender Sonne geschlossen. Kein Gott springt heraus. Die Menschen flüchten nackt, wie er sie schuf, über eine kleine Luke zurück in die Knospe, aus der sie einst kamen.

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Ironie, die große Überlegenheitspose des Menschen der Natur gegenüber, ist diesmal auf der Seite der Tiere, wenn sie sich, Krokodilsstränen vergießend, im lustigen Schattenbild zeigen. Die Schnecke ist größer als die Giraffe, das Löwenkind steht auf dem Kopf des Hummers. Sie alle winken mit weißen, feinen, aus der Zeit gefallenen Taschentüchlein. Die Sonne färbt nicht das Meer romantisch orange, sondern legt sich über eine karge Steppenlandschaft.

Die Zeichnung, eine aquarellierte, computergenerierte Fotocollage, ist Teil der Installation „The Spirit of the B·U·D or The Sweet Certainty of Deliverance from the Darkness that Surrounds Us“ des Künstlerduos Böhler & Orendt: Matthias Böhler und Christian Orendt, geboren 1980 in Aachen und 1981 in Sighișoara, Rumänien. Der Titel wirft einige Fragen auf: Was ist der Geist des BUD? Wer wird aus der Dunkelheit befreit? Warum ist das eine süße Gewissheit?

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Antworten liefern weitere acht Zeichnungen, die die Geschichte vom Werden und Fall der Menschheit erzählen. Einer Spezies, die gerne zerstört, was ihr im Weg steht und die sich wenig Gedanken macht um das restliche Leben auf der Erde, solange es nicht ihren Zwecken dient. Viele Tiere sind deshalb ausgestorben. Aus ihren Klagegesängen formt sich eine neue Energie, der Geist des BUD (kurz für Benevolent Utopization Device – wohlwollendes Utopisierungswerkzeug) und dringt in die Körper der Tiere und Pflanzen auf der Erde ein. So entsteht die Idee, ein Bauwerk zu schaffen. Der Lotus spendet seine Blütenblätter und sie bauen eine riesige Lotusknospe (bud), in die der Geist alle Menschen dieser Welt mit betörenden Gesängen lockt. Die Knospe, heißt es im zur Installation gehörigen Textbuch, „hob ab und brachte die Pelzlosen an einen abgelegenen Ort im Universum, wo sie für immer autark überleben konnten, ohne sich jemals wieder in das Schicksal ihres ehemaligen Heimatplaneten einzumischen“.

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Die Utopie ist also wirklich wohlwollend. Liebevoller und sanfter kann man den Verursacher des Leids und der Zerstörung nicht auf sein Tun hinweisen. Keine Verbote, keine Rache, keine Belehrungen, kein Müssen und kein Appell an die Menschheit. Denn die verschwindet in einer schmutzabweisenden Hülle. Den Lotuseffekt hat der menschliche Erfindergeist einmal mehr der Natur abgetrotzt, um sie zu bekämpfen. Aus Sicht der Natur ist dieser Abgang also mehr als logisch und kein bisschen böse, aber umso gewisser. Und so romantisch, wie sich die Menschheit das gerne vorgestellt hat: aus der Enge dieser Erde mit ihren endlichen Ressourcen in neue Weiten aufzubrechen.