Ausstellungen

Die Berlinische Galerie ist mit vier Ausstellungen zurück

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Utta Raifer
Tiere am Boden: Eine Installation des Künstlerduos Böhler & Orendt.

Tiere am Boden: Eine Installation des Künstlerduos Böhler & Orendt.

Foto: Sergej Glanze/FUNKE Foto Services

Fast vier Monate lang war das Ausstellungshaus in Kreuzberg wegen Umbaumaßnahmen geschlossen. Was nun entdeckt werden kann.

Berlin. Fast vier Monate war die Berlinische Galerie in Kreuzberg geschlossen. Dafür hat das ehemalige Glaslager des Senats, das 2004 als Ausstellungshaus eröffnet wurde, jetzt eine energieeffiziente Beleuchtung mit LED-Lampen. Die Wiedereröffnung wartet mit drei eigenständigen Kunstausstellungen und einer Architekturschau auf, in der es um die Frage geht, was man mit Gebäuden aus den 1970er-Jahren wie dem ICC oder dem „Bierpinsel“ anfangen soll. Im Videoraum zeigt die türkische Künstlerin Pınar Öğrenci einen Film, in dem es um Überlebensstrategien der kurdischen Bevölkerung geht – in einem Gebiet, wo der Völkermord an den Armeniern stattfand. Der Film wird für zwei statt wie früher nur für einen Monat zu sehen sein. Zusätzlich gibt es Angebote im Netz zum Streamen.

Die ungewöhnliche Kunstballung ist auch der coronabedingten Auszeit geschuldet. So musste Nasan Turs Schau „Hunting“ mehrfach verschoben werden, die Folge waren verschiedene Fassungen, weil sich die gesellschaftlichen Umstände geändert hatten. Denn die Kunstwerke aller neuen Schauen wurden speziell für die Berlinische Galerie geschaffen. Sie eint neben dem Berlinbezug (alle Künstler leben und arbeiten in Berlin) ein großes Thema: Das Verhältnis des Menschen zur Natur, das grundlegend erschüttert wird.

Im ersten Saal ist es still wie in einer Kirche: Es ist der Respekt vor dem Tod. Am Boden liegen tote Tiere, ein Fuchs, ein Adler, ein Rehkitz, ein Wildschwein. Sie sind zwar präpariert, aber nicht so, als wären sie lebendig, sondern als tote, dahingestreckte Tiere. Im hinteren Raum riesige Schatten von Händen, die unheimliche Gestalten bilden, darauf Tierspuren, die sich aber beim näheren Hinschauen als menschliche Füße entpuppen. Nasan Tur, geboren 1974 in Offenbach, beschäftigt die Frage, welche Dämonen in uns leben, dass wir anderen Gewalt antun. Warum töten wir? Und was passiert mit uns, wenn wir es tun? Dafür hat er Jägerinnen befragt. Hinter einer Bretterwand dürfen wir ihren sehr persönlichen, präzisen Antworten zuhören, wie kurz vor dem Töten das Adrenalin ansteigt und das Herz schneller wird. Damit ein Schuss gelingt, muss genau zwischen zwei Herzschlägen abgedrückt werden.

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Der zweite Künstler trägt einen großen Namen, Julius von Bismarck (geboren 1983 in Breisach am Rhein): Allein in Berlin gibt es 12 Straßen, die nach seinem Urururgroßonkel benannt sind. Bislang spielte das keine Rolle, nun hat er sich unter dem lustigen Motto „When Platitudes Become Form“ das erste Mal seiner Herkunft gestellt. Der Titel ist eine Anspielung auf Harald Szeemans epochemachende Schau „When Attitudes Become Form“ in der Berner Kunsthalle von 1969. Anstelle einer Geisteshaltung, die Kunst vom Kopf aus denkt, nun Plattitüden oder einfach Plattmachen. Denn auf den Spuren seines Vorfahren fand er nicht nur ein Meer, die Bismarck-See nördlich von Neuguinea, sondern auch die Bismarck-Palme, beides benannt nach Otto von Bismarck, der unter dem Kaiser oberster Kolonialherr des Deutschen Reichs war. Sie hat er zusammen mit anderen tropischen Gewächsen platt gepresst und auf Pappe geklebt. Das Meer hingegen wurde diesmal nicht ausgepeitscht wie bei einer anderen Aktion, sondern neu angemalt im Stile von Kupferstichen, die man in kolonialer Zeit für die Heimat anfertigen ließ. Unser Verhältnis zur Natur ist zerrüttet. Deshalb wird es von Bismarck zerstört und neu aufgebaut. Sinnbildlich dafür: zwei raumhohe Stehauf-Figuren, eine Giraffe und ein Bismarck-Denkmal, die automatisch zusammenfallen und sich wieder aufrichten.

Die dritte Kunstausstellung ist weniger brachial, dafür spielerisch-poetisch, aber auch sehr lustig. Zu sehen sind im Rahmen eines Ankaufs zwei Installationen des Künstlerduos Böhler & Orendt, (geboren 1981 in Aachen und 1980 in Sighișoara, Rumänien). Sie erzählen die Geschichte vom Aufstieg und Fall der Menschheit in Bildern - aus der Sicht der Tiere. Dazwischen prasselt höhnisch lachendes Feuer. Und ein Geist lockt mit beruhigend-hypnotisierenden Worten in ein lotusblumenförmiges Raumschiff, dessen Wände mit ausgestorbenen Tieren und Pflanzen tapeziert sind.

Berlinische Galerie, Alte Jakobstr. 124-128, Kreuzberg. Geöffnet Mi.-Mo. 10-18 Uhr.