Pianist Benjamin Grosvenor erspielte sich stehende Ovationen beim Berliner Klavierfestival im Konzerthaus.
Der Musikmarkt in unserem Land treibt mitunter seltsame Blüten. Es gibt Pianisten, die vor allem deswegen in aller Munde sind, weil sie sich neben ihrer Konzertkarriere um Wildtiere kümmern, auf der anderen Seite stehen Weltklasse-Künstler, die in Deutschland kaum bekannt sind. Zu dieser Gruppe gehört der Engländer Benjamin Grosvenor, der am Donnerstag im Kleinen Saal des Konzerthauses einen phänomenalen Klavierabend gab. Der 30-Jährige gewann bereits mit elf Jahren den Nachwuchswettbewerb der BBC und trat bald als Solist mit Klangkörpern wie dem Leipziger Gewandhausorchester, der London Philharmonic und dem New York Philharmonic Orchestra auf.
Nur in Deutschland ist er bisher leider kaum zu hören. Dass die Berliner ihn in den letzten zehn Jahren mehrfach erleben durften, ist vor allem einem Landsmann von ihm zu verdanken: Barnaby Weiler. Der englische Wahl-Berliner lud den englischen Spitzenpianisten regelmäßig zu seinem kleinen, aber feinen Berliner Klavierfestival ein.
Im vergangenen Jahr begeisterte Grosvenor mit einer ebenso strukturbewussten wie virtuosen Liszt-Sonate, dieses Jahr standen Schumanns „Kreisleriana“, Ravels „Tombeau de Couperin“ und Sergei Prokofjews teuflisch schwere siebte Klaviersonate auf dem Programm, eingeleitet von Busonis opulenter Bearbeitung von J. S. Bachs „Violin-Chaconne“. Die zelebrierte er wie ein Orgelstück, indem er Bassoktaven in den wunderbar voll klingenden Bösendorfer-Flügel wuchtete, als wollte er damit eine ganze Kathedrale zum Beben bringen.
Der Pianist verbindet romantische Leidenschaft mit Klarheit
In Schumanns „Kreisleriana“ verband er romantische Leidenschaft, stupende Virtuosität mit absoluter Klarheit in der pianistischen Diktion. Die Fugato-Passagen der atemberaubend rasch dargebotenen Nr. 7 erreichten durch seine brillante Motorik nahezu Glenn-Gould-Qualitäten, während er in den ruhigeren Sätzen durch Innigkeit und leuchtenden Ton betörte. Seine Darstellung des Schumann-Zyklus’ hält jeden Vergleich mit etablierten Größen aus, Grosvenor ist da auf Augenhöhe mit Martha Argerich. Das lässt sich auch über seine Darbietung von Sergei Prokofjews höllisch schwerer siebter Klaviersonate sagen, in der der Brite ein virtuoses Feuerwerk entfachte, das schon eher die Dimensionen eines Vulkanausbruchs hatte.
Die Urkräfte, die er hier entfesselte, die jedoch nie in Brutalität umschlugen, erinnerten an Svjatoslav Richter zu seinen besten Zeiten. Da gab es zur Recht jubelnden Beifall und stehende Ovationen im gut gefüllten Saal. Grosvenor bedankte sich mit Ravels impressionistischen „Jeux d’eau“, die er mit einer solchen klanglichen Sensibilität und einem Farbenreichtum zum Klingen brachte, das man es kaum fassen konnte. Hoffentlich findet dieser Meisterpianist hierzulande bald die Anerkennung, die ihm gebührt.