Händels Bühnenwerke haben in der Komischen Oper eine besondere Tradition, die noch auf die Zeit von Harry Kupfer zurückgeht, der dort Opern wie „Giustino“ mit dem Countertenor Jochen Kowalski inszenierte. Nun plant man dort wieder, mehrere Händel-Stücke zu spielen. Den Startschuss in dieser Spielzeit bildet sein Oratorium „Jephtha“, das am Sonntag konzertanter Form unter Christian Curnyn mit einer exzellenten Solistenriege aufgeführt wurde.
„Jephtha“ ist das letzte Oratorium, das Händel zu Papier brachte, und eines seiner bedeutendsten Bühnenwerke. Er komponierte es acht Jahre vor seinem Tod während seiner fortschreitenden Erblindung, 1752 wurde es in seiner langjährigen Wahlheimat London uraufgeführt. In dem Stück geht es um den biblischen Jephtha, der Gott verspricht, dass er im Falle des Sieges seiner Israeliten im Krieg gegen die Ammoniter das Erste, was ihm aus seinem Haus entgegenkommt, als Opfer darbringen wird. Es ist seine Tochter Iphis.
Jephtha ist am Boden zerstört und weiß nicht, was er tun soll. Seine Frau Storgè versucht ihn zu trösten, aber nichts scheint ihm helfen zu können. Währenddessen betet Iphis zu Gott, dass er ihr Leben retten möge. Als Iphis aus dem Haus kommt, um ihren Vater zu begrüßen, ist Jephtha zutiefst verzweifelt, kann aber sein Versprechen nicht brechen. Iphis ist bereit, als Opfer zu sterben, aber es geschieht ein Wunder: Ein Engel erscheint und verkündet, dass Gott ihr Leben verschont, sie muss allerdings jungfräulich bleiben und darf ihren Geliebten Hamor nicht ehelichen. Jephtha und seine Familie sind dennoch erleichtert und singen ein Loblied auf Gott.
Der britische Dirigent Christin Curnyn bewies sich als Barock-Spezialist
Der britsche Barock-Spezialist Curnyn brachte Händels Partitur gekonnt zum Klingen. Mit kernigem Ton und tänzerischen Schwung ließ er das Orchester der Komischen Oper aufspielen, ohne ihm rasende Tempi abzufordern oder Akzente zu übertreiben, auch die Chorsänger überzeugten durch Präzision und transparenten Klang in den polyphonen Passagen. Das hohe Niveau setzte sich bei den Solisten fort, hier begeisterte neben dem exzellenten britschen Tenor Andrew Staples, der mit seinem höhensicheren Tenor farbenreich und dynamisch differenziert gestaltete, vor allem der amerikanische Countertenor Key´mon W. Murrah in der Rolle des Hamor. Über alle Register hinweg sang er mit einer wunderbar weichen und geschmeidigen Stimme, auch in den höchsten Höhen, bisweilen glaubte man wahrlich eine Altistin zu hören.
Auch Lexi Hutton überzeugte als Iphis mit ihrem hell strahlenden Sopran, und ihre Mezzo-Kollegin Ezgi Kutlu als Storgè zeigte neben schönem warmem Farben in der Mittellage auch dramatische Qualitäten. Die besonderen Publikumslieblinge an diesem Abend waren allerdings zwei Kinder: der 15-jährige Pablo Brandes, der mit guter Artikulation und gedächtnissicher als Erzähler auftrat, sowie ein Sopran aus dem Tölzer Knabenchor, der wunderbar beseelt den Part des Engels sang. Die beiden Nachwuchskünstler erhielten zurecht Sonderapplaus vom Publikum im nahezu ausverkauften Saal. nach dieser eindrucksvollen Aufführung, bei der man sich zwei Fragen stellte: Warum wurde dieses wunderbare Stück nur einmal gespielt und warum nicht szenisch?