Zwei Coups auf einen Schlag: Die Neue Nationalgalerie präsentiert Arbeiten von Gerhard Richter und Tehching Hsieh.
Von einem „neuen Zuhause“ sprach Joachim Jäger, stellvertretender Direktor der Neuen Nationalgalerie und Kurator der Ausstellung, bei der Präsentation der Werke Gerhard Richters am Freitag. Sie sind nun übergangsweise im Untergeschoss des Mies-van-der-Rohe-Baus am Kulturforum untergebracht, bevor sie nach dem voraussichtlichen Ende der Bauarbeiten 2026 ihren Platz in neuen Museum des
20. Jahrhunderts finden werden.
100 Werke des weltberühmten Künstlers sind der Nationalgalerie als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt worden, der entsprechende Vertrag ist zunächst auf 15 Jahre befristet. Ausgangspunkt war die große Gerhard-Richter-Retrospektive im Jahr 2012, nach der es vor allem der seinerzeitige Direktor der Neuen Nationalgalerie Udo Kittelmann war, der den Kontakt zum Künstler und seiner Frau Sabine Moritz pflegte. Joachim Jäger, Kurator der Ausstellung und stellvertretender Direktor der Neuen Nationalgalerie, führte die Schlussverhandlungen.
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Zu sehen sind Arbeiten aus allen Schaffensphasen Richters seit den 1980er-Jahren, mit dem zuvor bereits in der Alten Nationalgalerie ausgestellten „Birkenau“-Zyklus als einem künstlerischen Zentralgestirn. Ausgehend von vier Fotografien, die Insassen des Konzentrationslagers gemacht hatten, suchte Richter 2014 nach Wegen, den Holocaust zu thematisieren – entschied sich dann aber gegen eine figurative Lösung und kam zu einem vollständig abstrakten Resultat. Den vier Großformaten ist in der Ausstellung ein eigener Raum gewidmet, in dem auch die Ausgangsfotografien und vier graue Spiegelflächen angebracht sind, die eine weitere Ebene der Auseinandersetzung öffnen – die Position des Publikums.
Hinzu kommen Werke wie „4900 Farben“ (2007), der computergenerierte „Strip“ (2013/2016), abstrakt übermalte Fotografien, einige der berühmten „unscharfen“ Werke Richters und weitere Arbeiten, die aufgrund der Radikalität, mit der sie malerische Bildgebungsverfahren befragten, längst kanonisch geworden sind. Die Ausstellung ist ein Coup, der die Berliner Museumslandschaft entscheidend bereichert.
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Mindestens ebenso sehenswert freilich ist die zeitgleich eröffnete Schau mit Arbeiten des aus Taiwan stammenden US-Künstlers Tehching Hsieh, den Klaus Biesenbach, Direktor der Neuen Nationalgalerie, am Freitag persönlich im Haus begrüßen konnte. Hsieh, hierzulande wenig bekannt, kann als einer der wichtigsten Ideengeber der modernen Performancekunst bezeichnet werden, der sich in seinen oft ein ganzes Jahr dauernden Arbeiten körperlich kaum erträglichen Versuchsanordnungen aussetzte. Im Fokus steht die „One Year Performance 1980-1981 (Time Clock Piece)“, für die er ein Jahr lang jede Stunde ein Foto von sich machte und dafür alle sonstigen Bedürfnisse hintanstellte, auch den eigenen Schlaf. Eine gerade nach den Erfahrungen der Pandemie ergreifende, zutiefst faszinierende Arbeit.
Neue Nationalgalerie, Potsdamer Str. 50, Tiergarten. Informationen: smb.museum