Hast du eine Schokoladenseite, fragt Lars Eidinger seine Schauspielkollegin Verena Altenberger bei einem gemeinsamen Fotoshooting. Doch bevor die Kollegin antwortet, stellt er fest, er habe eine, die rechte, weil er links diese Geheimratsecke habe. Ihr ist es egal, aber Eidinger macht schon mal klar, wer wie zu stehen hat.
Reiner Holzemer, der schon Porträts über berühmte Fotografen und Modemacher gedreht hat, hat nun seinen ersten Dokumentarfilm über einen Schauspieler gemacht. Und ja, Eidinger ist da vor allem von der rechten Seite zu sehen.
Ein Schauspieler in all seiner Ambivalenz: In seiner Spielwut und seiner Verletzlichkeit
Aber um die Schokoladenseite geht es gerade nicht. Weil eine Szene wie diese zu sehen ist. Oder auch die, als er bei einer Probe zum Salzburger „Jedermann“ ausrastet, weil der Regisseur ihm für einen Moment die Aufmerksamkeit entzieht.
„Lars Eidinger - Sein oder nicht sein“ ist ein radikal ehrliches Porträt. Und eher Bitterschokolade. Weil es den grandiosen Berliner Schauspieler in all seiner Widersprüchlichkeit zeigt. In seiner Spielwut und Verausgabung, die nur mit Leistungssport zu vergleichen ist.
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Aber dann offenbart sich eben auch ein ganz verletzlicher Eidinger. Der darunter leidet, dass man ihm Zynismus unterstellt, als er ein Selfie vor einer Obdachlosenunterkunft schießt. Oder Larmoyanz, als er auf einer Berlinale-Pressekonferenz eine Träne vergießt. Warum er das Foto gemacht habe, könnte er schon erklären, sagt der Schauspieler in der Doku. Er tut es aber nicht. Worauf es ihm ankommt: zu zeigen, wie sehr er regelmäßig missverstanden wird.
Für jede Rolle den passenden Schuh: Keine Diva, aber doch eine Cinderella
Holzemer hat Eidinger monatelang begleitet. Bei den Proben zum „Jedermann“ 2022, die den Rahmen für den Film geben, der mit dessen Premiere endet. Aber der Regisseur, der selbst stets die Kamera führt, ist auch bei dem Star, wenn der abends Texte memoriert. Oder sich nach einer Vorstellung in der Schaubühne die Schminke und die Rolle wegduscht.
Wir erfahren auch hübsche Schmankerl, dass Eidinger sich für jede Rolle den passenden Schuh sucht. Keine Diva, aber doch eine Cinderella. Aber während Schauspieler vor Kameras sonst gern posieren oder sich ins beste Licht rücken, erleben wir hier hautnah, wie ein Künstler wirklich tickt. Absolut sehenswert.