Was Bombenterror für die Zivilbevölkerung bedeutet: Sergei Loznitzas verstörender Dokumentarfilm „Luftkrieg“.
Es ist das friedliche Leben in den 1930er-Jahren, mit dem dieser Film beginnt: Menschen sitzen auf sonnenbeschienenen Marktplätzen und trinken Bier vor mittelalterlichen Fachwerkhäusern, Säcke und Kisten werden an Häfen ausgeladen, Kinder treiben Gänse über eine Weide. Dann wird das Bild schwarz.
Im gespenstischen Aufglühen der Bombenexplosionen in schwarzer Nacht erinnert man sich an die Bilanz des Luftkrieges, die Regisseur Sergei Loznitsa hier allein mit historischem und sorgsam restaurierten Bildmaterial in ihren psychologischen Dimensionen vermisst: eine Million Tonnen Bomben, die allein die britische Royal Air Force im Zweiten Weltkrieg über gegnerischem Gebiet abwarf, 600.000 Tote nur in Deutschland.
Aufrüttelnd, verstörend, zutiefst traurig
Ausgehend von W. G. Sebalds Aufsatzsammlung „Luftkrieg und Literatur“, erinnernd auch an Kurt Vonneguts Roman „Schlachthof 5“ und Jörg Friedrichs Sachbuch „Der Brand“ öffnet Loznitsa unter radikaler Voraussetzung historischer Grundkenntnisse einen Raum, in dem abseits von Chronologie und kausaler Schuldfragen das Leid der Zivilbevölkerung in den Fokus gerückt wird – über die deutschen Grenzen hinaus, mit Blick nach Großbritannien auf die Kriegswirtschaft in den USA.
Mit den leblosen Körpern, den alles verschlingenden Flammen, dem Vergehen von jahrhundertealten Zeugnissen der Geschichte kontrastiert die Durchhalte- und Einschüchterungsrhetorik von Generälen und Politikern. Aufrüttelnd, verstörend, zutiefst traurig.