Berlinale Wettbewerb

Künstler-Novelle ohne poetische Kraft: „Roter Himmel“

| Lesedauer: 2 Minuten
Elena Philipp
Blick in die Ferne: Thomas Schubert, Paula Beer, Langston Uibel und Enno Trebs (v.l.) in einer Szene des Films "Roter Himmel"

Blick in die Ferne: Thomas Schubert, Paula Beer, Langston Uibel und Enno Trebs (v.l.) in einer Szene des Films "Roter Himmel"

Foto: Christian Schulz / dpa

Kreativität und fragile Männlichkeit: Im Wettbewerb hat Christian Petzold seinen Film „Roter Himmel“ vorgestellt.

„Du weißt doch selbst, dass das Bullshit ist.“ Kurzangebunden ist die Kritik von Nadja, nachdem sie Leons Manuskript gelesen hat. Zufällig haben die beiden sich getroffen, auf dem Darß, im Ferienhaus von Felix’ Familie. Ein Arbeitsaufenthalt kollidiert mit nächtlichem Sex und dreckigem Geschirr: Während Leon (Thomas Schubert) schreiben will und Felix (Langston Uibel) für seine Bewerbungsmappe an der Universität der Künste fotografiert, arbeitet Nadja (Paula Beer) nur als Saisonkraft im Hotel. „Scheiß Eisverkäuferin“, flucht Leon, als er nach ihrem Feedback an den Strand stürmt. Verstimmt ist der angehende Autor. Schwimmen will er nicht gehen, nein. „Die Arbeit lässt es nicht zu.“ Felix schlendert also allein mit seinem neuen Freund Devid (Enno Trebs), dem Ex von Nadja, ans Meer. Und Leon schläft doch in den Dünen ein, zwischen Strandgras und zerzausten Büschen, die Kameramann Hans Fromm als lieblich-raues Klanggemälde gestaltet.

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Nahe der Künstlerkolonie Ahrenshoop liegt der symbolische Ort von „Roter Himmel“. Literarische Verweise flimmern durchs Geschehen: In Uwe Johnsons Hotelzimmer mietet Leon seinen Verleger ein, der zum Lektorat anreist. Helmut, väterlich sympathisch gespielt vom Starschauspieler Matthias Brandt, berät beim Abendessen dann aber Felix.

Und findet heraus, dass Nadja Literaturwissenschaftlerin ist, die über Heinrich Heine promoviert. Ein neuer Schlag für Leons fragile Männlichkeit. Wieso sie ihm das nicht verraten habe? Weil er nicht gefragt habe. Ob er überhaupt etwas mitbekomme von der Welt um ihn herum? Herausfordernd und direkt ist Paula Beers Nadja, ihre grünen Augen scheinen in Leons Seele vorzudringen. Und dann ist sie wieder ganz pragmatisch, zwischen Gulasch, Abwasch, Morgenkaffee.

Berlinale Wettbewerb: Die Figuren behaupten, anstatt zu zeigen

Tiefe und Triviales stehen bei ihr in Spannung. Geheimnislos wirkt das übrige Geschehen. Die Figuren verraten im Dialog, was sie bewegt, statt es sich ansehen zu lassen. Paula Beer, die, nach Nina Hoss, Christian Petzolds neue Frontfrau ist, wird hier auch zur Muse der unerlösten Hauptfigur. Lockt ihn aus der Reserve, löst seine Blockade. Leons Erweckungserlebnis ist dann der Waldbrand, der sich nachts mit rotem Schein ankündigt – und der Tote fordert. „Schicksalhaft sind die Ereignisse gezeichnet, wie im von Beer zitierten Heine-Gedichte „Der Asra“. Poetische Kraft aber will die selbstreferenzielle Künstler-Novelle nicht gewinnen.“