Staatsballett

Staatsballett zeigt Tanzstück passend zur Hundekot-Attacke

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Elena Philipp
Staatsballett Berlin zeigt die Choreographie „Cacti“ von Alexander Ekman.

Staatsballett Berlin zeigt die Choreographie „Cacti“ von Alexander Ekman.

Foto: Yan Revazov / Staatsballett Berlin

Das Staatsballett zeigt an der Deutschen Oper ein heiter-aktuelles Doppel der schwedischen Choreographen Mats Ek und Alexander Ekman.

Kunst ist deutungsoffen. Und auch ein dreizehn Jahre altes Werk kann zum Kommentar auf aktuelle Ereignisse werden. So wie „Cacti“ von Alexander Ekman, das – parallel zur Berlinale-Eröffnung – im Doppel mit „A Sort of…“ des ebenfalls schwedischen Choreographen Mats Ek an der Deutschen Oper ihre Berlin-Premiere feierte. Was macht dieses international vielfach einstudierte und preisgekrönte Stück aus dem Jahr 2010 topaktuell? Nun, „Cacti“ handelt von Kunst und Kritik. Deren Verhältnis ist angespannt, und das nicht erst seit der Hundekot-Attacke des Hannoveraner Ballettdirektors Marco Goecke auf eine Kritikerin. Inwiefern ein kritischer Außenblick auf öffentlich geförderte Kunst legitim ist, sei hier nicht erörtert. Ekmans „Cacti“ jedenfalls ist der bislang vergnüglichste Beitrag zur zuletzt hitzigen Debatte.

27 Tänzer:innen des Staatsballett Berlin knien auf weißen Podesten und biegen zu Streicherklängen ihre Gliedmaßen in bizarre geometrische Formen. Gewinkelte Arme, geneigte Köpfe, abgeknickte Hände: Eine in taupefarbene Tights und schwarze Arbeitsanzüge gekleidete Tanz-Truppe, formvielfältig wie die titelgebenden Kakteen, fährt da vielleicht etwas zu effektvoll aus der Orchester-Versenkung hoch. Kampfkunstartig synchron bis mehrstimmig steigert sich das perfekt aufeinander eingestimmte Ensemble in ein frenetisches Körperkonzert hinein. Rhythmisches Klopfen auf die Brust, Fingerschnipsen, Rufe – mitreißend.

Und der Debattenbeitrag? Aus dem Off ertönt anfangs und zum späteren Posieren mit Kakteen die salbungsvolle Stimme eines Kunstkritikers. In herrlich verquastem Ton schwadroniert er von der Utopie eines Menschheits-Orchesters. Das ist so komisch wie das Pas de deux von Danielle Muir und Johnny McMillan, die ein ebenfalls vom Band eingespielter Dialog zu gelangweilten, aber virtuos ihr Programm abspulenden Tanz-Arbeitern macht. Stehende Ovationen.

Eks Stück ist ein zirzensischer Tribut an die Irrungen des Lebens

Großen Applaus erhielt zuvor auch der Altmeister Mats Ek. Fast vierzig Jahre älter als Alexander Ekman, der bei ihm im Cullberg Ballett tanzte, hat Ek in den 80ern mit seinen Klassiker-Interpretationen Tanzgeschichte geschrieben. Seine „Giselle“ spielt in einer psychiatrischen Klinik, „Dornröschen“ in der Drogenszene. „A Sort of…“ ist ein zirzensischer Tribut an die Liebe und die Irrungen des Lebens. Ein inniges Pas de deux, an dessen Ende Arshak Ghalumyan seine Partnerin Vivian Koohnavard in einen Koffer packt, eröffnet den Reigen. Er versammelt Eks Signaturbewegungen, die dem Ballett ebenso wie dem Stummfilm entlehnt sind.

Hinter einer Wand tauchen Luftballons auf. Ihr Platzen ist heiterer als das schießbudenartige Rütteln und Zerren an Köpfen und Leibern. Abgründe lauern in den Liebes-Begegnungen, und doch verleihen Clotilde Tran und Johnny McMillan ihrem Duett eine zärtlich spielerische Note. „A Sort of…“ hat Nostalgiewert, manches wirkt frisch, anderes angestaubt. Aber sehenswert ist ein Ek allemal. Bleibt abzuwarten, was in der nächsten Spielzeit unter dem neuen Intendanten Christian Spuck ins Staatsballett-Repertoire gelangt – und inwiefern es ein aktueller Debattenbeitrag sein wird.