Hebbel am Ufer

Performance: Zuerst fällt eine Lampe aus dem Schnürboden

| Lesedauer: 2 Minuten
Elena Philipp
Die Kleider blähen sich und sinken anmutig herab.

Die Kleider blähen sich und sinken anmutig herab.

Foto: Dorothea Tuch

Das Theaterkollektiv Showcase Beat Le Mot lässt in einer Performance am HAU1 1000 Objekte zu Boden fallen.

Wörtlich meint die Theatertruppe Showcase Beat Le Mot den Titel ihrer neuen Performance. Tausend Dinge fallen bei „1000 Things Falling“ aus dem Schnürboden auf die Bühne. Eine Digitalanzeige hält die Anzahl fest, bei 1.000 ist Schluss. So einfach wie bestrickend. Als erstes zerschellt eine Lampe auf dem Boden. Dann schwebt eine Feder herab, wie in einem physikalischen Experiment von einem Apfel überholt. Matsch. Ein Skelett senkt sich – und zerbricht beim Aufprall in einzelne Knochen. Schon schnellt der Zähler über dem Bühnenportal empor: 16 Stücke. Rasch ist die 228 erreicht, denn es klackern Tischtennisbälle aus dem Bühnenhimmel, Schuhe, Styroporschnipsel und Pappbuchstaben. Ein Haufen Dingwelt sammelt sich auf der Bühne des HAU1.

Die Erfüllungsgehilfen einer Choreographie der Dinge

Was das soll? Showcase Beat Le Mot oder, kurz: SBLM, feiern hier ein Hochamt für das postdramatische Theater. Nicht mehr der Text oder der Sinn steht bei dieser Theaterform im Fokus, sondern die Theatermittel selbst werden inszeniert. Ein Vorhang kann dann nicht mehr nur die Szene freigeben, sondern selbst zum Darsteller werden. Insofern folgerichtig, dass SLBM in „1000 Things Falling“ der Objektwelt die Hauptrolle einräumen. Die Technik zeigt einen Tanz der bunten Lichter zu Techno, während sich die sechs Performenden – die vier SBLM-Gründer und zwei jüngere Spielerinnen und Spieler – zu beamtischen Erfüllungsgehilfen der Ding-Choreographie machen.

Die Poesie des Sinnlosen

In ihren Kappen und mit Slogans bedruckten Anzügen sehen sie aus wie Hohepriester ihrer Kunst, wie Dante-Abbilder und deutsche Michels zugleich. Ironische Kostümkunst. Bewusst albern ist das Gebotene bisweilen: Mit „Ho-ho“ und „Oh-oh“-Rufen gleichen Dariusz Kostyra und Nikola Duric, an einem Seilzug hängend, ihr unterschiedliches Gewicht mit Sandsäcken und Hanteln aus. Sinnfreie, spielerische Verrichtungen können aber auch poetisch wirken: Da wird zum Beispiel Obst und Gemüse mit Keschern gefangen. Live wird das Frischzeug an der Rampe zu Saft gepresst, drei Zuschauerinnen dürfen ihn auf der Bühne verkosten. Eine Rohrkonstruktion, durch die wie eine Murmelbahn Äpfel sausen sollen, spuckt diese, komisch scheiternd, über ihre Ränder. Und wenn Kronkorken oder Steine auf Pfannen prasseln, ergibt das mittels Loop-Maschine einen prima Soundtrack. Nach einer Stunde ist die 999 erreicht, ein letztes verzögerndes Moment – und dann knallt’s noch einmal richtig. 1000.