Kunst

Gemäldegalerie: Ein echter Rembrandt kehrt zurück

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Katja Kleinert, Kuratorin der Gemäldegalerie, präsentiert die nun Rembrandt van Rijn zugeschriebene „Landschaft mit Bogenbrücke“ (um 1638).

Katja Kleinert, Kuratorin der Gemäldegalerie, präsentiert die nun Rembrandt van Rijn zugeschriebene „Landschaft mit Bogenbrücke“ (um 1638).

Foto: Jörg Krauthöfer / FUNKE Foto Services

Ein Forscherteam der Gemäldegalerie hat das Gemälde „Landschaft mit Bogenbrücke“ als Werk des Meisters identifiziert – eine Kehrtwende.

Es ist ein dramatischer Wetterwechsel, der sich auf dem kleinen Gemälde abspielt. Von links lässt Sonnenlicht eine in der Bildmitte stehende Baumgruppe grell erstrahlen, während sich in der oberen rechten Ecke die dunklen Wolken eines nahenden Gewitters zusammenballen. Zerbrechlich und fast verloren liegt die titelgebende Bogenbrücke in der Landschaft. Wer genau hinsieht, kann im Schattenreich des Vordergrunds allerlei Menschen und Tiere entdecken, winzig im Vergleich zur Macht von Licht und Vegetation.

Die Berliner Museen litten unter Geldnot

Es war 1924 nicht ganz leicht für Wilhelm von Bode, seinerzeit Generaldirektor der Staatlichen Museen und international geachteter Kenner der Werke Rembrandts, diese wohl um 1638 entstandene „Landschaft mit Bogenbrücke“ für die Bestände der Gemäldegalerie zu erwerben. Das Bild kam aus der Sammlung des Großherzogs Friedrich August von Oldenburg und gelangte mit dem Ende der Monarchie 1918 auf den internationalen Markt. Für Bode war es besonders begehrenswert, weil es als eine der sehr seltenen Landschaftsdarstellungen Rembrandts eine Sammlungslücke zu schließen versprach.

Die Staatlichen Museen waren allerdings knapp bei Kasse. Die Kunsthändler Paul Cassirer und Julius Böhler erklärten sich schließlich einverstanden, die Arbeit im Tausch gegen drei Bilder nach Berlin zu geben. Wo es dann einige Jahrzehnte als Schmuckstück der Gemäldegalerie beeindrucken konnte – bis 1989.

Werk wurde Rembrandt-Schuler zugeschrieben

Das international vernetzte „Rembrandt Research Project“ (RRP), das seit 1968 angebliche Werke des niederländischen Meisters in aller Welt auf Eigenhändigkeit untersuchte und einige Jahre zuvor bereits den weltberühmten „Mann mit dem Goldhelm“ in der Gemäldegalerie als Werk aus dem Umfeld Rembrandts vom Sockel gestoßen hatte, schrieb nun auch die „Landschaft mit der Bogenbrücke“ ab und ordnete sie dem Rembrandt-Schüler Govert Flinck zu.

Die Forscher, unter ihnen der niederländische Kunsthistoriker und spätere Leitwolf des RRP, Ernst van de Wetering, führten die vielen Übereinstimmungen mit einem anderen Gemälde ins Feld, maltechnisch wie motivisch: Rembrandts „Landschaft mit Steinbrücke“ im Amsterdamer Rijksmuseum. Weil die Entstehung der Berliner Arbeit aus ihrer Sicht zeitlich hinter der aus Amsterdam lag, erkannten sie in der „Bogenbrücke“ das Werk eines talentierten Epigonen.

Kehrtwende durch technische Aufnahmen

Diese Einschätzung ist nun, 30 Jahre später, von einem Team aus Experten der Gemäldegalerie revidiert worden. Die Fachleute um Katja Kleinert, der Kuratorin für niederländische und flämische Kunst des 17. Jahrhunderts, konnten sich bei der Untersuchung des Bildes auf technische Aufnahmen stützen, die 1989 nicht zur Verfügung standen – so das Verbildlichungsverfahren der Neutronenautoradiographie.

Dabei werden Gemälde mit Neutronen bestrahlt, wodurch einige Atome in den Farbpigmenten radioaktiv werden – im Anschluss werden die unterschiedlichen Zerfallszeiten registriert. Übermalungen und Neuarrangements lassen sich mit dieser Methode weitaus präziser nachvollziehen als mit konventionellen Röntgen-Untersuchungen.

Warum die Experten damals falsch lagen

Die ehemalige Restauratorin Claudia Laurenze-Landsberg, die sich auf das Verfahren spezialisiert hat, rekapitulierte auf diese Weise die Entwicklung der Komposition bis ins kleinste Detail. Sie stellte fest, dass beim Berliner Bild mit viel stärkeren Eingriffen und Veränderungen gearbeitet worden war als bei der „Steinbrücke“ aus Amsterdam. Letztere wurde zudem mit den Altersbestimmungsmethoden der Dendrochronologie als die vermutlich jüngere identifiziert.

Ein genauer Vergleich des Farbauftrags und der stilistischen Besonderheiten führten schließlich zu der Überzeugung, dass das RRP 1989 falsch gelegen hatte. Das Bild aus der Gemäldegalerie erscheint nun als Vorläufer des anderen Werks und als eigentliche Erklärung dafür, warum die „Steinbrücke“ mit so wenigen Korrekturen und souveräner Hand hatte ausgeführt werden können: Rembrandt hatte geübt. Und beide Bilder stammen von ihm.

Was man schon als kleine Sensation bezeichnen möchte, wenn auch mit den üblichen Skrupeln. Dass bei Rembrandt aus einer Zuschreibung ein paar Jahrzehnte später wieder eine Abschreibung werden kann, hat ja gerade dieses Bild bereits erwiesen. Das gehört auch sonst zur ständigen Begleitmusik seiner Rezeptionsgeschichte.

Das Bild wird in einer Sonderschau präsentiert

Dennoch klang durchaus selbstbewusst, was Dagmar Hirschfelder, die Direktorin der Gemäldegalerie, bei der Präsentation des Bildes am Donnerstag mitteilte. Befragt, ob man vor dem Gang an die Öffentlichkeit nicht vielleicht internationale Meinungen habe einholen wollen, etwa aus dem Rijksmuseum, erklärte sie, man habe gewissenhaft geforscht und sei sich seiner Sache sehr sicher.

Die Gemäldegalerie kann ihre bedeutende Sammlung der Arbeiten Rembrandts demnach von 19 auf nun 20 Werke erweitern. Das Bild „Landschaft mit Bogenbrücke“ wird ab dem 8. April in der Sonderausstellung „David Hockney – Landschaften im Dialog. Die Vier Jahreszeiten der Sammlung Würth zu Gast in Berlin“ zu sehen sein.