Berlin. Spatenstich für das Museum des 20. Jahrhunderts: Ein Gespräch mit dem Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) entrang sich in ihrer Ansprache ein „Halleluja“, das danach der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, in seiner Rede wiederholte: Nach Jahrzehnten der politischen Auseinandersetzung und der Planungsarbeit wurde am Dienstag der Spatenstich für das Museum des 20. Jahrhunderts ausgeführt, das 2025/26 nach Plänen des Architekturbüros Herzog & de Meuron fertiggestellt werden soll.
Auf einer Ausstellungsfläche von insgesamt 9000 Quadratmetern sollen Exponate aus der Nationalgalerie und überlassene Werke aus den Sammlungen Erich Marx, Ulla und Heiner Pietzsch sowie Egidio Marzona präsentiert werden. Wir sprachen mit Hermann Parzinger über das Großprojekt.
Herr Parzinger, herzlichen Glückwunsch zum Spatenstich für das Museum des 20. Jahrhunderts. Das Bauvorhaben steht in der Kritik. Die Kosten seien mit 364,2 Millionen Euro plus Indexsteigerungen und Risikokosten zu hoch, das Verfahren intransparent.

Hermann Parzinger Der Vorwurf der Intransparenz ist unberechtigt. Wir haben von Anfang an im ganzen Verfahren die Zahlen offen gelegt, das ist in diesem Projekt ganz vorbildhaft. Es gab eine deutliche Erhöhung der Baukosten, das ist richtig. Aber es ist ein ganz besonderes Gebäude. Wir konnten auch erst jetzt glaubhaft und belastbar eine bestimmte Kalkulation angeben. Es sind auch, was man sonst nie bei öffentlichen Bauten macht, am Anfang schon die Indexsteigerungen und Risikovorsorgen bis Eröffnung – die gar nicht alle komplett eintreten müssen – mit eingepreist worden. Das muss man sehen. Es wird ein hervorragendes Gebäude für die Kunst und auch für die städtebauliche Vollendung des Kulturforums.
Wofür braucht Berlin dieses Museum?
Die Nationalgalerie hat – gerade auch nach den unsäglichen Verlusten im Nationalsozialismus – bis heute wieder eine grandiose Sammlung aufgebaut, die weltweit zu den größten und bedeutendsten zählt. Hier ist anders und auch politischer gesammelt worden als anderswo, die Perspektive auf die Kunst aus Ost und West gibt es so kein zweites Mal. Aber nur Bruchteile davon können gezeigt werden. Wenn der Mies-van-der-Rohe-Bau 2021 wiedereröffnet, werden dort Sammlungspräsentationen möglich sein, aber vor allem für die klassische Moderne – kleinformatige im Untergeschoss und auf begrenzter Fläche im Obergeschoss.
Es gibt aber doch den Hamburger Bahnhof.
Der sich der Kunst der Gegenwart verschrieben hat. Aber eine Präsentation der Kunst des 20. Jahrhunderts, vom Expressionismus bis zu Beuys, mit den Brüchen in der Mitte des 20. Jahrhunderts, auch die Entwicklung nach 1945 im Westen und im Osten Deutschlands: das zu zeigen, das braucht es unbedingt. Jeder, der unsere Sammlung kennt und die Situation in Berlin, fragt sich: Berlin, eine Stadt, die wie kaum eine andere für die Kunst des 20. Jahrhunderts steht, hat kein ausreichendes Museum dafür. Und deshalb ist es dringend erforderlich.
Ein Standort an der Sigismundstraße, also hinter der Neuen Nationalgalerie, wäre deutlich günstiger ausgefallen.
Um es noch mal sehr deutlich zu sagen: Auf dem Standort Sigismundstraße hätten wir keine 9000 Quadratmeter Ausstellungsfläche untergebracht, wir hätten überdies höher und tiefer bauen müssen. Und die städtebauliche Verknüpfung des Kulturforums wäre wieder zu den Akten gelegt worden.
Es gab viel Spott über die Gestalt des Museums, wie ihn der Entwurf der Architekten Herzog & de Meuron vorsieht. Die Vergleiche reichten von Milchscheune bis Aldi-Supermarkt.
Zur Architektur gehört der Streit, das ist immer so. Aber ich hätte mir gewünscht, dass mit solcher Heftigkeit auch über andere Baustellen der Stadt gestritten worden wäre. Ich glaube, Berlin sähe heute anders aus. Im Ernst: Der Entwurf von Herzog & de Meuron verneigt sich vor den Architekturikonen von Mies und Scharoun und trumpft nicht auf. Und er reagiert wunderbar auf die Umgebung, was sich an der Backsteinfassade ablesen lässt, die ja eine Referenz an die Matthäikirche ist. Innen bietet das neue Haus alle Möglichkeiten, die ein Museum im
21. Jahrhundert haben muss. Gerade das Zusammenwirken zwischen Architekten und unseren Kollegen der Nationalgalerie hat diesen Entwurf stark gemacht.
Wann sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein?
2025/26.
Gehen Sie davon aus, dass Sie noch bei der Schlüsselübergabe dabei sind?
Klares Ja!
Um die bereits existierenden Gebäude der Stiftung Preußischer Kulturbesitz scheint es nicht besonders gut bestellt zu sein. Der Bundesrechnungshof hat dem Zustand der Liegenschaften kürzlich ein schlechtes Zeugnis ausgestellt.
Seit fast 30 Jahren sind die Sammlungen aus Ost und West wiedervereint, aber noch immer beschäftigt uns die über Jahre von der DDR vernachlässigte alte preußische Bausubstanz und jetzt auch die West-Berliner Nachkriegsmoderne. Natürlich freuen wir uns, wenn jetzt die Staatsbibliothek Unter den Linden nach vielen Jahren Bauzeit endlich fertig ist und wir im kommenden Jahr den Schlüssel für die Neue Nationalgalerie bekommen. Es bleibt aber noch sehr viel zu tun. Wir wissen um den „Sanierungsstau“ an unseren Gebäuden und haben deshalb einen Instandhaltungsplan aufgestellt. Und das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) hat 20 neue Stellen für 2020 bewilligt bekommen!
Was heißt das?
Es geht jetzt darum, dass wir gemeinsam mit dem BBR einen Arbeitsplan machen, wie wir die einzelnen Punkte abarbeiten können. Die Mittel für den Bauunterhalt sind deutlich erhöht worden: für den Haushalt 2020 noch einmal auf über zehn Millionen. Das ist eine gute Grundlage. Aber es ist nicht einfach bei der gegenwärtigen Baukonjunktur in Berlin, dieses Geld auch zu verausgaben. Es gibt einfach nicht mehr genug Bauleute auf dem Markt.
Man las von undichten Fenstern, Asbestbelastung in Lesesälen und Kunstwerken neben Pfützen.
Sobald Verdacht auf Asbestbelastung besteht, wird geschlossen, das ist klar. Wir machen Asbestsanierung in vielen Gebäuden seit vielen Jahren, weil die Gesundheit der Mitarbeiter und Besucher Vorrang hat. Und natürlich auch die Kunstwerke: Fälle, wo Kunstwerke im Wasser stehen, sind mir nicht bekannt. In dem Moment, wo unmittelbare Gefahr besteht für Nutzerinnen und Nutzer oder für die Kulturgüter, wird sofort reagiert.
Für die umfassend sanierte Staatsbibliothek Unter den Linden ist Anfang November der Schlüssel übergeben worden. Ist es nicht misslich, dass die Leser erst in fünf Monaten hineinkönnen?
Wir sprechen von hunderttausenden von Büchern, die eingeräumt werden müssen. Das ist jetzt der Fall. Aber es ist ein fantastisches Gebäude, das die Leser lieben werden, eine Kathedrale der Wissenschaft.
Und das Humboldt Forum?
Der Eröffnungstermin wird eingehalten, wir sind dort gut im Plan. Das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin eröffnen im Laufe des Jahres 2021 ihre Flächen in der zweiten und dritten Etage.
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