Das Gespräch fand, das müssen wir hier gleich vorschicken, schon im vergangen Sommer, Ende Juli, statt. Daher die Bilder im T-Shirt. David Kross lud zum mal nicht, wie so oft bei Film-Interviews, in ein steriles Hotelzimmer, sondern ins Stadion An der Alten Försterei in Köpenick, der Heimspielstätte des 1. FC Union Berlin.
Denn sein neuer Film „Trautmann“ handelt von dem Deutschen Bert Trautmann, der kurz nach Kriegsende als Torhüter in England begann, der zunächst Protestwellen gegen „Traut the Kraut“ auslöste und dann doch zu einem der beliebtesten Fußballer, ja einer Legende wurde.
Was für ein Bild: das ganze Stadion leer und nur für das Gespräch offen. Nur der Rasenmäher, der stoisch über das Feld zog, störte ab und zu die Ruhe. Im Fußballtrikot kam der 28-jährige Schauspieler zwar nicht, dafür sprach er leidenschaftlich von Trautmann und dieser Geschichte über Sportsgeist und Völkerverständigung, die man in Deutschland kaum kennt.
Und die irgendwie brennend aktuell war zur damals erstmals aufkommenden Causa Özil. Kurz nach dem Gespräch wurde der Filmstart allerdings um Monate verschoben. Erst jetzt läuft er im Kino – und ist doch jetzt, wo Ende des Monats der Brexit ansteht, immer noch hochaktuell.
Herr Kross, Sie haben erst vor zwei Jahren in „Zeit für Legenden“ einen Olympiasprinter verkörpert, jetzt spielen Sie ein Fußballidol. Sind Sie der Mann für den Sportfilm?
So weit würde ich nicht gehen. Aber ich habe mich sehr gefreut, mal einen Fußballer zu spielen.
Sind, waren Sie denn selbst ein Fußballer?
Fußball war lange das Größte für mich. Das fing mit fünf an und ging so, bis ich 15 war. Ich war Mittelfeldspieler bei meinem Heimatverein, dem TSV Bargteheide, meine Position war das rechte Mittelfeld. Als das mit der Schauspielerei losging, musste ich das schweren Herzens aufgeben. Aber durch den Film stand ich jetzt quasi wieder auf dem Platz, habe das eine mit dem anderen verbunden. Dafür musste ich allerdings erst mal wieder fit werden. Deshalb war ich eigentlich gar nicht so die Idealbesetzung. Ich bin also viel zum Sport und habe mit einem Athletik-Coach trainiert.
Und dann mussten Sie vor allem lernen, das Tor zu hüten?
Im Tor stand ich früher nicht, das war nicht gerade meine Lieblingsposition. Da musste ich ganz von vorn anfangen: Wie fängt man den Ball, wie hält man sich auf dem Platz? Ich ging deshalb oft ins Stadion, um Torhüter zu beobachten. Die Leute neben mir haben sich vermutlich ständig gefragt, was glotzt der immer aufs Tor, da passiert doch gar nix. Aber die ganze Vorbereitung hat viel Spaß gemacht. Und es bereichert ja, etwas zu lernen, was man noch nicht kann. Ich hatte da quasi zwei Jobs: die sehr emotionalen, Schauspielszenen und dann die Fußballszenen, die auch sitzen mussten. Ich hab mich immer auf die Fußballtage gefreut.
Hat man bei einer solchen Rolle Angst, dass das nicht richtig rüberkommt? Dass man merkt, dass Sie das nicht wirklich können?
Klar hat man da Angst! Trautmann war ja einer der besten Torhüter seinerzeit, wurde auch als erster Ausländer Fußballer des Jahres in Großbritannien.
Kannten Sie denn die Geschichte von Bert Trautmann?
Nein, von der hatte ich noch nie gehört. Man kann ja kaum glauben, dass sie wahr ist, weil sie so eine Fallhöhe hat. Ein Deutscher, der als Kriegsgefangener in England im Lager kickt und durch Zufall entdeckt wird. Der dann für Manchester City spielt, wo erst mal 20.000 Menschen auf die Straße gehen, um gegen ihn zu protestieren. Was ja auch verständlich ist. Ein „Kraut“ im Tor, so kurz nach dem Krieg. Aber dann überzeugt er sie mit seinem Sporteifer und seinem Teamgeist. Und spielt sogar noch mit gebrochenem Genick ein Spiel zu Ende. Unbewusst wurde er so zu einem Symbol für Völkerverständigung, zum Friedensbotschafter, der zeigte, dass der Sportsgeist stärker sein kann als politische Kräfte.
Haben Sie Trautmann noch kennenlernen dürfen?
Leider nein. Ich war schon früh in das Filmprojekt involviert, aber dann ist Trautmann 2013 gestorben. Rosi hat ihn noch besucht und mit ihm über sein Leben gesprochen. Trautmann war auch sehr begeistert von dem Projekt. Aber ich konnte ihn dann nicht mehr treffen. Das fand ich sehr schade, ich hätte mich gern mit ihm ausgetauscht. Ich finde es auch sehr schade, dass er den Film nicht mehr erleben konnte. Er wusste immerhin, dass es ihn geben wird, und hat sich sehr darüber gefreut. Umso wichtiger war es mir, alles zu geben, um ihm gerecht zu werden. Weil das schon eine irre Geschichte ist und es wichtig ist, dass sie in Erinnerung bleibt.
Das ist ein deutscher Film mit deutschem Regisseur und deutschem Hauptdarsteller, der Rest der Crew aber war britisch. Wie war das bei den Dreharbeiten: Ist Trautmann dort der größere Begriff?
Auf jeden Fall. Der ist da eine absolute Legende. Und wurde 2007 in Manchester zum besten Spieler aller Zeiten gewählt. Gerade in Manchester kennt jeder den Namen. Aber er hat nie in der Nationalmannschaft gespielt, man hat damals keine Spieler genommen, die im Ausland spielten. Deshalb ist sein Name bei uns nicht so vertraut wie Sepp Herberger.
Beim Film „Das Wunder von Bern“ wurde bis in Details nachgekickt, was es an Fernsehbildern von den jeweiligen Spielen gab. War das bei „Trautmann“ auch so?
Auf jeden Fall. Rosi ) hat sehr darauf geachtet, dass die Tore genau die Spielzüge hatten, die es gab. Auch für mich war es sehr wichtig, wie Trautmann sich im Tor bewegte. Für ihn war typisch, dass er sich furchtlos in den Gegenspieler geschmissen hat. Er hat auch immer diese sehr weiten Abwürfe gemacht, hat den Ball fast bis vors andere Tor geworfen. Es gibt dank Youtube all die Aufnahmen im Netz, die habe ich intensiv studiert. Gerade die von dem berühmten Spiel, wo er sich das Genick brach und dennoch weiterspielte. Wie er sich den Hals hielt und immer wieder hinfiel, aber immer wieder aufstand und trotzdem noch Paraden ablieferte.
Soll uns das auch eine Metapher sein: Durchhalten, egal wie?
Das muss jeder für sich selber entscheiden. Aber dass da jemand sein Leben für ein anderes Land geopfert und auf beiden Seiten gekämpft hat, das kann man schon als Metapher sehen.
Wir haben mit der Debatte um Mesut Özil den eher umgekehrten Fall erlebt.
Ich fand schade, was da passiert ist. Ich fühle mich aber nicht berechtigt, dazu irgendetwas zu sagen. Es ist auch genug Wind darum gemacht worden. Aber es stimmt schon, da gibt es ziemliche Parallelen, das hat dem Film eine ungeheure Aktualität gegeben. Umso wichtiger finde ich es, diese Geschichte zu erzählen, die zeigt, was Sport sein kann, sein soll: etwas, das Menschen verbindet und nicht gegeneinander aufbringt.
Seit „Der Vorleser“ drehen Sie immer wieder in Englisch, auch mit internationalen Stars. Träumt man da eigentlich von Hollywood?
Die Frage höre ich oft. Ich drehe gern im Ausland, weil mich das unheimlich herausfordert: Über den Tellerrand hinwegzuschauen. Gerade auch in anderen Sprachen zu drehen. Das möchte ich unbedingt weiter tun. Aber nach L.A. würde ich dafür nicht ziehen. Da bin ich doch zu erdverbunden. Und mir geht es auch nicht darum, in einem Hollywoodfilm mitzuspielen. Der Stoff muss gut sein. Da höre ich auf mein Bauchgefühl.
Die Dreharbeiten fanden bereits 2017 statt. Wie war da die Stimmung, ein Jahr nach dem Brexit? Und hat sich das seither noch schärfer zugespitzt? Es gibt im April ja auch eine Premiere des Films in Manchester.
Gary Lewis, der tolle Schauspieler aus Großbritannien, der den Trainer von Manchester City spielt, wollte unbedingt bei diesem Film mitmachen, weil er gesagt hat: „This is the right movie for the right time!“ Ich finde, man sieht an der Geschichte sehr stark, was für ein schwieriger Weg es war, dass wir heute so etwas wie Europa haben. Und dass man alles dafür tun sollte, dass das auch so bleibt.