Geschwisterpaare

Die Musik-Zwillinge von der Hochschule "Hanns Eisler"

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Martina Helmig
Fühlen sich wie zwei Hälften einer Person: Daniel und Alexander Gurfinkel studieren Klarinette

Fühlen sich wie zwei Hälften einer Person: Daniel und Alexander Gurfinkel studieren Klarinette

Foto: jörg Krauthöfer /Funke MedienGruppe

An der Musikhochschule „Hanns Eisler“ lassen sich zwei Geschwisterpaare zu Solisten ausbilden. Sie haben eine besondere Beziehung.

Berlin. „Wir fühlen uns wie eine Einheit, wie zwei Hälften einer Person“, sagt Alexander Gurfinkel (26), und sein Zwillingsbrüder Daniel fügt hinzu: „Wir ergänzen einander perfekt. Wenn wir zusammen auf der Bühne stehen, spüren wir einander.“ Beide spielen Klarinette und treten oft als Duo auf. Es habe viele Vorteile, mit dem Zwillingsbruder zu spielen, sagen sie. Man hat einen besonderen Draht zueinander, weil man sich von klein auf genau kennt. Alexander und Daniel Gurfinkel sind Studenten im Doppelpack, lernen an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“. Und da sind sie nicht die einzigen Zwillinge.

Ihr sechster Sinn erlaubt den Brüdern, die subtilsten Temposchwankungen auf Millisekunde genau miteinander abzustimmen. „Magisch“ nennt Ibrahim Ignatov (15) diese Übereinstimmung. „Wenn ich etwas anders spiele als sonst, versteht Hassan augenblicklich, was ich versuche. Mit anderen Musikern ist das Zusammenspiel viel schwieriger, da muss man immer viel erklären und diskutieren“, meint der junge Pianist, der mit seinem Zwillingsbruder als Klavierduo spielt. Die wort- und blicklose Kommunikation funktioniert nie besser als mit dem Zwillingsbruder. Die Gurfinkels finden sogar, dass es da eine Art Geheimwissen gibt, dass sie Fehler des Bruders mit Tricks kaschieren können, die nur Zwillinge verstehen können.

Chinesen sind fasziniert von europäischen Zwillingen

Beide Paare haben viel Spaß an ihrem Zwillingsdasein. „Natürlich sind die Zuhörer immer amüsiert, wenn die beiden nacheinander oder zusammen auf die Bühne kommen, das hat einen Show­effekt. Und dann gibt es beim vierhändigen Spiel auch gemeinsame Gesten, etwa beim Beenden eines Stücks“, sagt Denis Ignatov, der Vater des Klavierduos, und die Gurfinkels nicken. „Die Freude des Publikums überträgt sich auch auf uns“, sagt Alexander Gurfinkel. Am meisten Aufsehen erregten sie in China. „Da haben wir in lauter strahlende Gesichter geblickt“, erzählt Daniel Gurfinkel. „Europäische Zwillinge müssen für Chinesen etwas ganz Besonderes sein.“

Im Show- und Popbereich gibt es immer wieder Zwillinge, wie Alice und Ellen Kessler, Maurice und Robin Gibb von den Bee Gees, Tom und Bill Kaulitz (Tokio Hotel). In der klassischen Musik ist das schon seltener. Immerhin hatte Johann Sebastian Bachs Vater einen Zwillingsbruder, und beide waren Geiger. Heute scheint es die meisten musikalischen Zwillinge auf das Spielfeld des Klavierduos zu ziehen. Güher und Süher Pekinel sowie Ferhan und Ferzan Önder sind dort schon erfolgreich.

Hassan und Ibrahim Ignatov stehen mit 15 Jahren noch am Anfang, aber in ihrer bulgarischen Heimat sind sie schon ausgesprochen beliebt. Mit fünf Jahren haben sie angefangen, Klavier zu spielen, mit elf Jahren entstand ihre erste Komposition. Sie lernten schnell und arbeiteten hart. Klassische Musik stand immer im Vordergrund, aber sie haben auch ein Faible für Pop und bulgarische Volksmusik, denn ihr Vater spielt das Saiteninstrument Gadulka im Folkloreensemble ihrer Heimatstadt Schumen. Zwei Ereignisse im Jahr 2014 machten die Zwillinge in Bulgarien populär: Sie hatten einen Auftritt in „Slavis Show“, Bulgariens beliebtester Talkshow, und sie vertraten ihr Heimatland beim Junior Eurovision Song Contest, belegten den zweiten Platz. Danach wurden sie vom bulgarischen Präsidenten zum Weihnachtskonzert eingeladen. Sie spielten mit bulgarischen Orchestern, aber auch in der New Yorker Carnegie Hall. Seit vergangenem Herbst sind sie Jungstudenten bei Birgitta Wollenweber in Berlin, lernen Deutsch und gehen zur Schule. Konzerteinladungen schlagen sie zurzeit aus, um sich auf das Studium zu konzentrieren.

„Wir mussten Klarinettisten werden, wir hatten keine Alternative“, sagt der Israeli Alexander Gurfinkel und lacht, wenn er von der erstaunlichen Familientradition erzählt. Schon sein Urgroßvater war Klarinettist, ebenso sein Großvater. Sein Vater ist Soloklarinettist im Israel Symphony Orchestra. „Zu Hause gab es immer Klarinettenmusik, jeden Tag. Wir fühlten uns sehr inspiriert, wenn Vater und Großvater übten, und wollten unbedingt Teil dieser großartigen Tradition werden.“

Zwillinge haben gerade ihre erste CD veröffentlicht

Zubin Mehta ist ihr Mentor. Schon als Elfjährige durften sie mit ihm und dem Israel Philharmonic Orchestra als Solisten auftreten. „Wir waren schrecklich aufgeregt, aber er umarmte uns und machte uns Mut. Er hat uns viel Selbstvertrauen gegeben“, erinnert sich Daniel Gurfinkel. Zubin Mehta hat sie immer wieder eingeladen. Seit drei Jahren studieren die israelischen Zwillinge in Berlin bei Martin Spangenberg. Ihre Konzertkarriere hat schon Fahrt aufgenommen. Sie sind durch die USA und viele europäische Länder getourt. Gerade haben sie ihre erste CD veröffentlicht.

So ähnlich sich die Zwillinge sind, so gibt es doch kleine Unterschiede. Das zeigt sich im Interview schon daran, dass bei den Ignatovs immer Ibrahim und bei den Gurfinkels immer Alexander zuerst antwortet. Hassan Ignatov ist mehr Perfektionist, sein Bruder Ibrahim der Sanftere. Alexander Gurfinkel spielt Fußball, während Daniel lieber Salsa tanzt. Auf der Bühne spielt das keine Rolle, dann zählt nur die starke Verbindung zwischen den Zwillingen.

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