"Verschwörung"

Queen-Darstellerin Claire Foy wird jetzt zum Action-Star

| Lesedauer: 8 Minuten
Für ihren neuen Film „Verschwörung“ hat Claire Foy drei Monate in Berlin gelebt. Auch wenn man im Film kaum was davon sieht

Für ihren neuen Film „Verschwörung“ hat Claire Foy drei Monate in Berlin gelebt. Auch wenn man im Film kaum was davon sieht

Foto: Armando Gallo / picture alliance / ZUMAPRESS.com

Radikaler Rollenwechsel: Claire Foy, die als Queen Elizabeth bekannt wurde, wird nun zum Action-Star, gibt sich aber sehr königlich.

Berlin. Wer Claire Foy interviewen darf, muss unweigerlich an eine Audienz denken. Wir treffen uns nicht in einem Palast, nur in einem Hotel. Und sie trägt auch kein Hofkostüm, sondern kommt betont leger in T-Shirt und Lederhose. Aber die Schauspielerin kennt man vor allem als Queen Elizabeth II. aus der spektakulären britischen Serie „The Crown“. Wie oft hat man ihr da zugesehen, wie sie Premierminister und andere prominente Gäste empfing. Mit dieser immer sehr höflichen, aber auch etwas reservierten, unnahbaren Art, wo der Mensch hinter der Etikette nie so ganz zu erkennen war.

Nun warten wir im Hyatt Hotel in Berlin. Als die 34-Jährige sich endlich die Ehre gibt, erscheint sie ähnlich reserviert. Sitzt ganz aufrecht auf ihrem Stuhl, schaut den Menschen sehr beobachtend an, der da zu ihr spricht. Der Eindruck drängt sich auf, dass man jetzt selbst in einer Szene von „The Crown“ sitzt. Dabei könnte der Film, den Claire Foy derzeit promotet, von der Serie nicht weiter entfernt sein. „Verschwörung“ ist der neueste Film um Lisbeth Salander, die großartig eigenwillige Thrillerfigur, die Stieg Larsson in seinen „Millennium“-Romanen erfunden hat und die nach seinem Tod von anderen Autoren weitergeführt wird.

Die dritte Frau, die Lisbeth Salander spielt

Diese Lisbeth Salander, eine Frau mit vielen Wunden und Narben, die zu einer Computerhackerin und modernen Rächerin wurde, ist schon von zwei anderen Schauspielerinnen verkörpert worden, erst von Noomi Rapace, die mit den ersten drei „Millennium“-Filmen ihren Durchbruch erlebte, dann mit Rooney Mara, deren erster Film allerdings floppte und keine Fortsetzung nach sich zog. „Verschwörung“ ist nun der dritte Versuch von Sony Pictures, die Erfolgsbücher auf die Leinwand zu hieven. Erstmals nicht mehr mit einer Vorlage von Larsson, sondern von seinem Nachfolger David Lagercrantz. Der Journalist Mikael Blomkvist, der bei Larsson stets im Mittelpunkt stand, ist in „Verschwörung“ nur noch eine Randfigur. Alles konzentriert sich auf Lisbeth. Alles muss also Claire Foy stemmen. Und obendrein noch den Vergleich mit ihren Vorgängerinnen aushalten.

Erst Elizabeth, jetzt Lisbeth. Erst Queen, dann Punk. Erst im goldenen Käfig der Etikette gefangen, wo die Hofmeister ihr jeder Schritt vorgaben, jetzt entfesselt als Action-Heroine, die den Männern den Kampf ansagt. Das ist mehr als ein Spagat. Das ist ein Rollenwechsel, wie er extremer nicht sein könnte. War das eine willkommene Möglichkeit, um der Serienschublade zu entkommen, um zu zeigen, sie kann mehr als die Queen? Da ist er wieder, dieser durchdringende Blick mit ihren immens großen Augen, den man so gut aus „The Crown“ kennt. Die lange Pause. Und dann die höfliche, aber unterkühlte Replik: „Nein. Ich arbeite jetzt seit zehn Jahren. Ich glaube nicht, dass ich zeigen muss, dass ich noch etwas anderes kann.“

Das stimmt natürlich. Sie war im britischen Fernsehen schon in „Little Dorritt“ zu sehen und in der Neuauflage vom „Haus am Eaton Place“, sie war auch schon im Kino neben Nicolas Cage in „Der letzte Tempelritter“ zu erleben. Aber zum Begriff wurde sie erst mit „The Crown“. Kurzes Schulterzucken von Frau Foy: „Ehrlich, ich möchte nichts ,beweisen’.“ Die Britin sagt das mit Anführungszeichen, als würde sie mit den Augen rollen. „Das Leben ist zu kurz dafür.“ Außerdem sei sie wirklich stolz auf „The Crown“. Und die Rolle, die sie dort spielen durfte. „Und ich möchte jetzt nicht stöhnen, dass alle mich darauf reduzieren.“

Wirklich war 2018 das Jahr von Claire Foy. Da war ihr Emmy für „The Crown“. Auf der Berlinale war sie in Steven Soderberghs nur mit einem Handy gedrehten Thriller „Unsane“ zu sehen, wo sie gegen ihren Willen in die Psychiatrie gesperrt wurde. Im April kam „Solange ich atme“ ins Kino, ein Drama über einen querschnittsgelähmten Mann, der sein Schicksal meistert, in dem Foy seine Gattin spielte, die sich aufopferungsvoll um ihn kümmert. Derzeit läuft „Aufbruch zum Mond“, wo sie die Frau des Astronauten Neil Armstrong spielt, die sich nicht weniger aufopferungsvoll um die Kinder und ihren Mann in der Krise kümmern muss. Lauter starke Frauen, die ihren Mann stehen. Und ihre eigenen Ängste überspielen. Aber keine so radikal wie Lisbeth Salander, die sich in Lederkluft und auf Motorrädern buchstäblich aufs Glatteis begibt.

Hat sie gezögert, die Rolle anzunehmen? Ja. Aber nicht, weil schon zwei andere Schauspielerinnen sie verkörpert haben. Sondern weil sie die Bücher geliebt hat. Und sich fragte, kann man noch in eine Richtung gehen, die neu ist. Aber das Drehbuch habe sie überzeugt. Und ist Lisbeth eine Actionheldin für sie, sollte es mehr davon geben? Wieder dieser Blick. Diese Pause. Dann, ein bisschen wie einstudiert, die Antwort: „Ich habe es nie so empfunden. Ich habe sie immer als menschliches Wesen gesehen, als jemand, der blutet und ums Überleben kämpfen muss.“ Actionhelden seien kraft ihres Amtes frei von jedweder Persönlichkeit oder Komplexität. „Lisbeth ist dagegen die komplexeste Figur, die ich mir vorstellen kann.“ Punkt. Die zweite Frage, ob es mehr weibliche Actionhelden geben sollte, bleibt unbeantwortet.

Wir haken noch mal nach. Auch wenn wir ahnen, dass das nicht gut geht. Aber gleich in der ersten Szene des Films malträtiert sie einen Mann, der gerade seine Frau misshandelt hat (und von dem deutschen Schauspieler Volker Bruch gespielt wird). Dafür wurde ihre Lisbeth schon mehrfach zum „Poster-Girl“ der MeToo-Bewegung bezeichnet. Ist ihr das Label unangenehm? In der Tat, nickt sie. „Damit hat das gar nichts zu tun. MeToo ist eine sehr wichtige und bedeutende Bewegung für Frauen. Aber sie braucht kein Poster Girl.“ Wieder so ein Statement, das keine Nachfrage zulässt.

Wir machen, was Elizabeth II. in „The Crown“ in solchen Fällen auch getan hat. Wir schwenken auf unverfängliche Themen um. „Verschwörung“ wurde zum Teil in Berlin gedreht, überwiegend im Atelier, aber auch bei ein paar Außendrehs an Ecken, die im Film allerdings Stockholm darstellen sollen. Dreieinhalb Monate hat die Britin dafür in der deutschen Hauptstadt verbracht. Was hat sie da von Berlin gesehen? Hatte sie überhaupt Zeit dafür? „O ja, ich habe viel gesehen“, sagt sie. Und wird wirklich etwas lockerer. „Wenn ich irgendwo wegen Dreharbeiten lebe, geht es nicht darum, möglichst viel zu sehen. Aber mir ist schon wichtig, in der Stadt zu sein. Essen zu gehen. Spazieren zu gehen.“

Berlin sei eine wunderbare Stadt dafür: „Sie ist so überwältigend, so riesengroß. Ich habe es geliebt, durch die Parks zu schlendern, auf Flohmärkte zu gehen, in Cafés zu sitzen.“ Endlich kommt sie etwas aus der Reserve. Und wird beinahe persönlich. Doch da kommt schon, als sei das verabredet, die PR-Agentin und verkündet das vorzeitige Ende des Gesprächs. Alles ein wenig wie bei „The Crown“. Aber auch da haben wir ja sehen dürfen, wie die Gäste der Queen mit Würde das Audienz-Zimmer verlassen. Wir versuchen es ihnen gleich zu tun.