Fotografie

Das fast vergessene Werk der Vivian Maier

| Lesedauer: 3 Minuten
Angela Hohmann
Bilder aus dem Alltag, von der Straße – anfangs schwarz-weiß, später in Farbe

Bilder aus dem Alltag, von der Straße – anfangs schwarz-weiß, später in Farbe

Foto: ©Estate of Vivian Maier, Courtesy of Maloof Collection and Howard Greenberg Gallery, NY

Ihre Straßenfotografie beeindruckt und begeistert weltweit. Jetzt werden Arbeiten der US-Fotografin im Willy-Brandt-Haus gezeigt.

Sie war eine verschlossene Frau mit Kurzhaarschnitt, viel zu weiten Männerhosen, mit großem Hut und riesigem Mantel, dazu trug sie schwere Stiefel. Um ihren Hals hing, stets im Anschlag, die geliebte Rolleiflex. Damit durchwanderte Vivian Maier (1926–2009) die Straßen Chicagos und fotografierte alles, was ihr vor die Linse kam. Betrachtete sie sich selbst – wie in ihren zahlreichen Selbstporträts –, fotografierte sie sich immer indirekt: in einer Schaufensterscheibe, in einer Flucht von Zimmerspiegeln, in einem Rückspiegel. Manchmal taucht sie als Schatten auf. Wie ein Geist, der nur durch die Kamera lebt.

Ein Immobilienmakler rettete die Bilder auf einer Auktion

Viele bekannte und unbekannte Arbeiten sind erneut im Willy-Brandt-Haus zu sehen, das bereits 2015 eine umfangreiche Ausstellung über das Werk der Fotografin gemacht hatte. Nur durch Zufall wurde es dem Vergessen entrissen. Man mag sich kaum entscheiden, was einen mehr in den Bann schlägt: Die unglaubliche Straßenfotografie von Vivian Maier, die seit den frühen 1950er-Jahren des letzten Jahrhunderts entstand, zuerst in schwarz-weiß, später auch in Farbe, oder die abenteuerlichen Umstände, die zu ihrer Entdeckung führten.

Der ehemalige Immobilienmakler John Maloof hatte auf einer Auktion ihre Hinterlassenschaft aufgekauft, Kisten mit Negativen, Filmrollen und sonstigen Dingen, darunter Briefe, Rechnungen, Quittungen, Kinokarten, Bus- und Zugtickets, etliche von ihr wie ein Tagesbuch besprochene Tonbänder. Der fotografische Fund war gigantisch: 150.000 Negative, 700 Farbfilm- und 2000 Schwarz-Weiß-Filmrollen, alle unentwickelt, sowie 8- und 16-Millimeter-Filme.

Sobald Maloof entdeckte, welchen Schatz er da gehoben hatte, begann er, ihn zu vermarkten: Erst fing er an, die Negative zu scannen, dann stellte er Bilder auf eine Webseite, mit ungeheurer Resonanz, schließlich organisierte er Ausstellungen. Seit 2011 schickt er Vivian Maiers Werk um die Welt. Die Fotografin selbst hat von dem Rummel um sie nichts mehr mitbekommen. Man begann sich für ihre Arbeit zu begeistern, als sie 2009 im Alter von 83 Jahren vereinsamt und verarmt starb.

Sie hatte eine Neigung zum Skurrilen

In akribischer Kleinstarbeit suchte Maloof nach Spuren über Vivian Maiers Leben. So fand er heraus, dass sie jahrelang als Kindermädchen für verschiedene Familien gearbeitet hatte, nebenbei ständig fotografierte, aber niemandem ihre Arbeiten zeigte. Sie hatte eher eine Neigung zum Skurrilen und Abseitigen, fühlte sich mit den Armen und Elenden verbunden – wie viele ihrer Bilder zeigen.

Über ihr Leben hat Maloof den Film „Finding Vivian Maier“ gemacht. Neben ihren wunderbaren Selbstporträts und der beeindruckenden Straßenfotografie in schwarz-weiß und Farbe ist im Willy-Brandt-Haus auch der Film zu sehen. Dort äußert sich Joel Meyerowitz begeistert über Maiers Werk: „Sie hatte einen unverfälschten Blick und echtes Verständnis für die menschliche Natur, die Fotografie und die Straße.“

Die Ausstellung: Vivian Maier. In Her Own Hands. 26.09.2018 bis 07.01.2019. Di.–So. 12–18 Uhr. Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28, 10963 Berlin

Mehr zu Fotografie und Film:

Posen, Partys, Preise – und die große Politik

Ausstellung mit Fotos von Birgit Kleber in Wilmersdorf

Das sind die besten Drohnenfotos 2018