Berlin. Als 2013 der TV-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ ausgestrahlt und zum Mega-Erfolg wurde, wunderte man sich hie und da über den Titel. Sollte doch durch die jungen Figuren dieses Kriegsepos dezidiert auch ein jüngeres Publikum angesprochen werden, für das dies dann aber doch eher die Geschichte ihrer Großmütter und Großväter war. Nico Hofmann aber, der das TV-Highlight über acht lange Jahre entwickelt hat, hat den Titel mit Bedacht gewählt. Hofmann, einer der erfolg- und einflussreichsten Film- und Fernsehproduzenten der Nation, ist Jahrgang 1959, er hat sich ein halbes Leben lang an seinem Vater abgearbeitet, der mit ihm nicht darüber reden wollte, was er im Krieg erlebt hat.
„Der Krieg meines Vaters“ hieß schon seine Abschlussarbeit bei der Filmhochschule, eine erste Annäherung, „Land der Väter, Land der Söhne“ eine seiner ersten Filme, die er als Regisseur gedreht hat. Film, das war für Nico Hofmann ein ganz persönliches Mittel, die Vergangenheit seines nach der Scheidung von seiner Mutter abwesenden Vaters aufzuarbeiten. Aber erst Jahrzehnte später, in der Vorbereitung zu „Unsere Mütter, unsere Väter“, sollte sich der Vater erstmals seinem Sohn öffnen und über diese Zeit sprechen.
Nico Hofmann, der als Regisseur begann, dann mit seiner Firma TeamWorx zum Produzenten umsattelte und seit kurzem Chef der Ufa ist, ist oft dafür belächelt worden, dass er die jüngere Zeitgeschichte mit Werken wie „Der Tunnel“, „Dresden“ oder „Die Flucht“ ab- und ausverfilmt hat. Dabei ging es ihm nie darum, ein einmal erfolgreiches Fernsehformat bloß zu kopieren.
Immer suchte er Themen hochemotional aufzuarbeiten, die bis dahin höchstens dokumentarisch behandelt wurden, aber sonst filmisch eher tabuisiert waren. Hofmann wollte auch seine Filme (nur) werbewirksam promoten, sondern echte Debatten in der Gesellschaft anstoßen. Immer wieder ist ihm das auch gelungen. Nach der Ausstrahlung von „Dresden“, „Die Flucht“ und ganz besonders von „Unsere Mütter, unsere Väter“ brachen Menschen, die nie über ihre alten Traumata hatten reden wollen, plötzlich ihr Schweigen.
Kontroversen führen statt Konsens zu suchen
Das bezeugt der 58-Jährige nun in seinem ersten Buch „Mehr Haltung, bitte“, das am heutigen Montag in den Handel kommt und das er heute Abend höchstselbst in der Bertelsmann-Repräsentanz Unter den Linden vorstellen wird. Eine seltene und gewagte Mischung. Keine reine Autobiographie, das, meint Hofmann im Gespräch, könne er noch mit 80 tun, sondern ein kämpferischer Debattenbeitrag. Ihn hat in den letzten Jahren das Aufkommen der Rechtspopulisten erschreckt, die mit ihrer Rhetorik ganze Themenfelder besetzen. Dem wollte er etwas entgegensetzen. Das Buch ist ein Versuch, seine filmische Arbeit mit einer politischen Bestandsaufnahme zu verquicken. Um sich mit Verve und Selbstbewusstsein zu positionieren.
Ein bisschen Autobiographie ist es dennoch schon. Hofmann zeichnet in Anekdoten augenzwinkernd nach, wie sein Leben buchstäblich von Kindesbeinen an mit dem Filmemachen verflochten war. Schon als kleiner Bub hat er sich immer teurere Filmprojektoren schenken lassen, hat den Keller und die Garage der Eltern zum Kino umfunktioniert, Nachbarskinder eingeladen, dafür auch Eintritt genommen – und schon mit kindlicher Naivität einen Sinn fürs Publikum entwickelt. Noch als Kind hat er auch schon zur Kamera gegriffen, hat kleine Filmchen gedreht, erst mit Klassenkameraden, dann mit Schauspielern des Mannheimer Nationaltheaters, die ohne Gage mitwirkten.
Aber schon bald wurde aus dem Spielerischen Ernst, als seine Eltern, die beide Journalisten waren, vielleicht von der Kinomanie des Filius angesteckt, die Pressearbeit für die Filmwoche Mannheim übernahmen. Plötzlich kam die große Filmwelt ins eigene Haus, Regisseure aus dem Ostblock etwa, die leidenschaftlich über den Prager Frühling und deren Niederschlagung diskutierten. Film gehörte also von früh an zur politischen Sozialisation von Nico Hofmann. Und wurde zwingend zu seiner Ausdrucksform.
Schon als Kind suchte er, auch wenn er es damals noch nicht so hätte formulieren können, nach einer Haltung. Einem Blick auf die Welt, der sich aus der eigenen Identität und der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit speist. Dafür steht Hofmann mit seinem ganzen Oeuvre. Und damit widerspricht er vehement einem Björn Höcke, der eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordert, oder einem Alexander Gauland, der gegen jedes Geschichtsbewusstsein das Recht fordert, „stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“. Die Herren der AfD geht Hofmann wiederholt und namentlich an, aber nicht nur sie.
Genervt von der eigenen Branche
Viel zu oft, kritisiert der Autor, werde heute nach einem Konsens gesucht, statt eine offene Kontroverse zu führen und auch auszuhalten. Viel zu oft überlasse man das Feld den Populisten. „Wir dürfen deshalb nicht aufhören, gegenüber den Höckes und Gaulands, aber auch gegenüber den Sarrazins und Pirinçcis in diesem Land Haltung zu zeigen“, ist Hofmanns Credo. Und: „Wir müssen wieder stärker dazu übergehen, unsere Haltung öffentlich zu machen.“
Er hat das Buch auch geschrieben – das steht aber nicht in diesen Seiten, das deutet Nico Hofmann im persönlichen Gespräch an – , weil es ihm manchmal auf die Nerven geht, dass sich in seiner Branche alle ständig aus allem raushalten möchten. Man finde da oft eine seltsame Form der Zurückhaltung. Dabei lebten wir in einer Debattenkultur. „Und wenn eine Branche dazu aufgerufen ist“, so Hofmann, „dann ist das unsere.“
Nico Hofmann: Mehr Haltung, bitte! Wozu uns unsere Geschichte verpflichtet. C. Bertelsmann, 240 Seiten, 20 Euro