Katzenvideos sind populär. Viele Miezen wie Grumpy Cat haben es zu Kultstatus gebracht. Eine Berliner Professorin weiß die Gründe.
Selten sieht man in einer Ausstellung so viele glückliche Menschen. Die Besucher des Museum of the Moving Image in New York haben ein Dauerlächeln im Gesicht und geben gedämpfte Ausrufe des Entzückens wie „sweet“ und „cute“ von sich. Katzenvideos und -fotos, darunter von tierischen Celebritys wie Grumpy Cat oder Maru, sind es, die für Begeisterung sorgen. „How Cats Took Over the Internet“ heißt die Ausstellung, die das Phänomen der Katzenclips beleuchtet, die das World Wide Web viral erobert haben.
Die Ästhetik des Niedlichen erforscht auch die Professorin Julia Leyda an der Freien Universität Berlin. Wie erklärt sie sich den Internethype um die Videos? „Kätzchen erfüllen das Kindchenschema: Sie haben runde Augen und Gesichter, sie sind weich und tollpatschig. Manchmal wird ihnen das Niedliche von den Menschen aber auch aufgezwungen: Denken Sie an Videos, in denen Katzen in originelle Kostüme gesteckt werden, oder an solche, in die witzige Bildtexte eingeblendet werden. Tieren menschliche Eigenschaften zuzuschreiben, ist einer der häufigsten Wege, eine persönliche Verbindung zu ihnen aufzubauen“, sagt die Gastprofessorin am John-F.-Kennedy-Institut.
Maru gehört zu den Celebrities:
Besonders gut funktioniert die Vermenschlichung bei Tieren mit markanten körperlichen Merkmalen wie etwa Möpsen oder Grumpy Cat, die es mit ihrem empörten Gesichtsausdruck zu Kultstatus gebracht hat und längst ein eingetragenes Warenzeichen mit Internetpräsenz und vielen Merchandising-Produkten ist. Die Mimik von Grumpy Cat lädt geradezu dazu ein, ihr geistreiche Bemerkungen ins Maul zu legen.
Die legendäre Grumpy Cat:
Wie stark Menschen dazu neigen, Tieren humane Eigenschaften zuzuschreiben, zeigt ein interaktiver Bereich der New Yorker Ausstellung, in dem Besucher Katzen mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken Attribute wie „peinlich berührt“, „neugierig“ oder „verwirrt“ zuordnen. Wer Katzen beobachtet, neigt dazu, sich selbst in ihnen zu spiegeln. Belegt ist mittlerweile, dass nicht nur der Kontakt mit Haustieren, sondern schon der Konsum von Hunde- und Katzenvideos für emotionales Wohlbefinden sorgen kann.
Weil die Kätzchen so perfekt dem Kindchenschema entsprechen, löst das Betrachten der Clips Fürsorgeinstinkte aus. Zusätzlich befeuern die Filme aber auch den Spieltrieb, wie neue Forschungen zeigen. „Wir fühlen uns zu niedlichen Objekten hingezogen, wir wollen mit ihnen kommunizieren und fühlen uns belohnt, wenn es uns gelingt, von ihnen eine spielerische Reaktion zu bekommen“, so Julia Leyda.
Wer mit wem spielt, fragen sich die Zuschauer, wenn sie in einem Clip Hauskater Willie dabei zusehen, wie er hochkonzentriert eine Rolle Klopapier abwickelt. Und diese schließlich, begleitet von Gluckslauten und anfeuernden Rufen seines Besitzers, wieder aufrollt. Ein Clip wie „Willie is Better than Your Cat“ von 2014, der bei YouTube knapp fünf Millionen Aufrufe erzielt hat, bietet nicht nur einen hohen Spaßfaktor, sondern erlaubt zugleich Einblicke in eine sehr autonome und mysteriöse Welt, in der Menschen keine große Rolle spielen.
Willie Is Better Than Your Cat:
Die Ausstellungsmacher in New York haben soziale Netzwerke wie die Fotoplattform Instagram oder YouTube systematisch ausgewertet: Beim Videoportal YouTube etwa sind zwar mehr Hunde- als Katzenvideos eingestellt, doch Katzenclips gehen häufiger viral, werden also deutlich öfter geteilt. „Wenn meine eigenen sozialen Netzwerke ein Maßstab sind, dann sind Katzenvideos definitiv populärer“, bestätigt Julia Leyda.
Zur Faszination trägt nicht zuletzt der Look des Authentischen bei. Eine der erstaunlichen Erkenntnisse der New Yorker Ausstellung ist es, dass Katzen die Kameras offenbar nicht wahrnehmen, sich jedenfalls keinen Deut darum kümmern. Die Zuschauer nehmen so die Perspektive des Voyeurs ein, erleben im Video authentische Momente. Bei Hunden verhält es sich ganz anders: Sie registrieren die Kamera, die sie beobachtet, und legen einen großen Eifer an den Tag, dem Betrachter zu gefallen. Solche Videos sind naturgemäß weniger interessant.
Shark Cat jagt auf einem Staubsauger eine Ente:
Schon als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte, haben Katzenbesitzer das Medium genutzt – immer auch mit dem Willen, ihre fotogenen und zugleich launenhaften Haustiere besser zu verstehen. Das Web dient Haltern als virtueller Katzenpark. Anders als Hundebesitzer brauchen Katzenhalter einen solchen Ort des Austausches, weil sie nicht mit ihren Vierbeinern Gassi gehen und dabei auf andere Miezenliebhaber treffen.
Die Faszination für Katzenvideos ist weltweit ungleich verteilt. Besonders populär sind sie in den USA und Kanada, in Westeuropa und Japan. In anderen Kulturen ist das Interesse an anderen Tieren stärker. Mexikaner ziehen Lamas vor, für Chinesen hat das Gras-Schlamm-Pferd große Bedeutung, auch als Symbol des Protestes gegen Internetzensur. Doch egal, welches Tier Gegenstand medialer Spiegelung ist, am Ende erblicken wir darin immer und vor allem unser eigenes Bild.