Gespräch

Warum Anna Thalbach so gerne Hörbücher einspielt

| Lesedauer: 6 Minuten
Stefan Kirschner

Foto: David Heerde

Die Schauspielerin Anna Thalbach ist auch eine begehrte Vorleserin und liebt diese „Arbeit“. Im September tritt sie im Berliner Admiralspalast auf.

Eigentlich ist Anna Thalbach ja die Frau für die Witze. Das hatte ihre Mutter Katharina anlässlich der Premiere von „Roter Hahn im Biberpelz“ verraten. An der Komödie am Kurfürstendamm stand so ziemlich der ganze Thalbach-Besson-Clan auf der Bühne. Ein halbes Jahr später beim Treffen bei einer PR-Agentur in der Oberbaum City ist Anna Thalbach die Frau für die Lyrik. Sie sieht darin keinen Gegensatz.

„Das eine schließt das andere nicht aus. Es gibt viele witzige Gedichte.“ Sie zählt ein paar Autoren auf, Ringelnatz, Loriot, Heinz Erhardt, Wilhelm Busch und ergänzt: „Literatur hatte in unserer Familie einen ganz hohen Stellenwert.“ Und ihr persönliches Lieblingsgedicht? „Schwer zu sagen, ich mag die Werke meines Vaters sehr gern. Gedichte von Thomas Brasch sind sehr speziell und mit nichts anderem zu vergleichen.“

Die Liebe steht im Mittelpunkt

Allerdings haben die es nicht in die Auswahl geschafft, die das Komponisten- und Produzentenduo Richard Schönherz und Angelica Fleer für „Amo“ getroffen hat. Die beiden versuchen damit, an ihr erfolgreiches Rilke-Projekt anzuknüpfen. Am 26. September wird die Produktion im Admiralspalast im Rahmen eines CD-Release-Konzerts vorgestellt. Anna Thalbach teilt gewissermaßen das Schicksal ihres Vaters, auch sie ist auf der CD nicht vertreten. Zu hören sind andere Prominente wie Martina Gedeck, Ulrich Tukur, Xavier Naidoo oder der jüngst verstorbene Schauspieler Gert Voss, der ein Handke-Gedicht spricht. Es gibt auch Lyrik von Leonard Cohen, Gioconda Belli, Hilde Domin und Goethe.

Warum war sie denn bei den Aufnahmen nicht dabei? „Ich hätte es gemacht, wurde aber nicht gefragt“, erzählt Anna Thalbach. „Aber ich wurde gefragt, ob ich es live machen möchte, das mach ich noch viel lieber“, und sie sagt, dass sie schließlich auch romantisch sei und deshalb zum „Amo“-Projekt passe. Der Titel irritiert ein wenig. Den Presseunterlagen kann man entnehmen, dass „Amo“ auf Esperanto „Liebe“ bedeutet – und um „Liebe mit all ihren Facetten“ soll es gehen.

Klarinettist Giora Feidman ist dabei

„Privat bin ich menschenscheu, aber nicht bei der Arbeit“, sagt Anna Thalbach, die „sehr gern auf der Bühne steht“. Sie weiß zwar noch nicht, welche Gedichte sie lesen wird, aber zumindest weiß sie, dass sie sich die Lyrik im Admiralspalast mit ihrem Kollegen Peter Lohmeyer aufteilt, der auf der CD Werke von Octavio Paz vorträgt. Musikalisch begleitet wird der Abend von dem Klarinettisten Giora Feidman, dem Akkordeon-Spieler Enrique Ugarte und einer Band.

Anna Thalbach nimmt einen Schluck aus der Dose mit dem Energiedrink. Die Kekse auf dem Tisch rührt sie nicht an. Sie ist eine begehrte Vorleserin. Die Zahl der eingesprochenen Hörbücher ist beeindruckend. Sie genießt diese Art der Solo-Performance, weil sie „da autonom ist. Ich darf alle Rollen spielen“, muss nicht wie beim Film oder Theater Rücksicht auf die Kollegen nehmen: „Beim Hörbuch bin ich der Chef.“

Rückkehr auf die Bühne

Auf der Bühne ist das meistens ihre Mutter: Damit hat sie kein Problem. „Ich mag es, Teil eines Familienbetriebs zu sein.“ Im Vergleich zu Anna Thalbachs anderen Engagements tritt sie eher selten im Theater auf. Sie sieht das nicht so. „Ich spiele regelmäßig einmal im Jahr.“ Vorzugsweise in den Wintermonaten. „Im Sommer hab ich gern frei für Filmarbeiten und eigene Sachen“, sagt Anna Thalbach, die es vorzieht, en suite aufzutreten, weil sie sich dann intensiver mit der Rolle beschäftigen kann.

Ab dem 17. Dezember steht Anna Thalbach wieder auf der Bühne der Komödie am Kurfürstendamm. Familientreffen zweiter Teil. Denn neben ihrer Mutter spielt auch Annas Tochter Nellie mit – die gab in „Roter Hahn im Biberpelz“, einer Verschmelzung der beiden gleichnamigen Stücke von Gerhart Hauptmann, sogar ihr Bühnendebüt. Und mit Pierre Besson, einem Halbbruder von Katharina, ist ein weiterer Verwandter dabei.

Vernachlässigte Homepage

Die 41-Jährige sieht es als „großes Geschenk und Privileg“, dass sie „jeden Bereich dieses Berufes betreiben darf“. Weniger bekannt ist, dass sie auch malt. Mehr für sich, „nicht zum Angeben“, wie sie sagt. Sie habe länger nichts gemacht, sei aber „wieder ganz wild aufs Malen“. Ihre Kölner Galerie hat sie allerdings verloren. „Um als Art-brut-Künstler anerkannt zu werden, muss man einen Therapeuten haben“, sagt sie lachend, da sei eine „Lizenz zum Verrücktsein vonnöten“. Weil sie die aber nicht habe, hätte sie nicht bei ihrer Galerie bleiben können. Sie wirkt jetzt locker, hat die Arme nicht mehr vor dem Körper verschränkt.

Ein guter Augenblick, um auf ihre Homepage zu kommen. Die wirkt etwas vernachlässigt, von „winter ade“ ist da die Rede. Anna Thalbach widerspricht diesmal nicht. Die Seite „ist natürlich ein Witz“. Und ergänzt: „Wie alt ist das, was da steht? 15 Jahre, 1000 Jahre?“ Zur Entschuldigung sagt sie, dass die digitale Welt „nicht richtig meins ist“ und sie nicht die Muße habe, sich „damit intensiv zu beschäftigen“. Sie könnte natürlich auch eine Agentur damit beauftragen. Aber das will sie nicht, denn „wo Anna Thalbach draufsteht, soll auch Anna Thalbach drin sein.“