Maite bei "Let's dance"

"Das war verrucht, das war sexy, das war geil"

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Antje Hildebrandt

RTL hat mit dem Moppelfinale von "Let's dance" viel Gefühl für großes Kino bewiesen. Das gilt auch für Gewinnerin Maite Kelly, die sich den Sieg redlich verdient hat.

Es gibt ihn noch, diesen Moment im Fernsehen, in dem die Realität mit einer Wucht in die Traumfabrik einbricht, dass dem Zuschauer schwindelig wird.

Als Maite Kelly im Finale von „Let‘s dance“ mit ihrem Partner Christian Polance im Freestyle zu einem Medley aus dem Film „Moulin Rouge“ über die Tanzfläche wirbelte, da konnte man ihn erleben: Maite rockte das Parkett. Schweiß. Emotion. Sex-Appeal.

Diese Zutaten für großes Kino verdichteten sich in ihrer Performance. „Das war verrucht, das war sexy, das war geil“, entfuhr es da Roman Frieling – dem Tanztrainer, den RTL eigentlich als Wadenbeißer in die Jury platziert hatte.

Maite punktete mit jedem Pfund

Vergessen war der Spott über ihr Übergewicht. Im Laufe der Staffel hatte sie es auf wundersame Weise in „Hüftgold“ verwandelt. Die vermeintliche Schwäche, sie erwies sich als Stärke. Maite Kelly konnte mit jedem ihrer Pfunde punkten. Nach drei Tänzen im Finale verließ sie die Show als Gewinnerin.

Der Moppel – auf ihn war die vierte Staffel zugeschnitten. Und nicht wie zwischendurch vermutet auf die Ex-Frau von Lothar Matthäus, Liliana. Alles lief stattdessen auf ein Duell der beiden korpulentesten Kandidaten hinaus: Maite Kelly versus Moritz A. Sachs, Zuschauern der ARD-Soap „Lindenstraße“ besser als Klausi Beimer bekannt.

RTL muss hinter den Kulissen fleißig geschraubt haben, damit die Zuschauer ausgerechnet ihn ins Finale wählten. Denn wenn jemand nicht ins Raster des Gewinners passte, dann war es Moritz A. Sachs. Der Moppel war für die Show nicht nur zu schüchtern. Es mangelte ihm auch am Talent zur Bewegung. Egal, ob er den Wiener Walzer oder eine Samba probte, stets erinnerte er an einen Tanzbär.

Die Inszenierung mit Mutter Beimer

Beinahe kleinlaut gestand er im Finale ein, dass sein Erfolg zum großen Teil auf das Konto seiner Partnerin und Motivationstrainerin ginge, der ebenso grazilen wie zähen Melissa Ortiz-Gomez. „Sie hat versucht, aus einem kleinen Klotz einen Diamanten zu machen.“

Das war nur die halbe Wahrheit. Auch mit der Inszenierung hatte RTL seinem Glück nachgeholfen. Moritz A. Sachs spielte die Rolle des Klausi-Kleins, der beim harten Training neben zwölf Kilogramm Übergewicht auch seine Minderwertigkeitskomplexe verlieren sollte.

Schon im Halbfinale wurden seine Filmeltern aus der „Lindenstraße“ als Statisten ins Studio gekarrt. Solche Bilder lieben die Zuschauer. Mit tränenfeuchten Augen gestand Marie-Luise Marjan ihrem Filmsohn kurz vor Toresschluss: „Hab dich lieb, deine Mama.“

„Let’s dance“ – ein angenehmes Kontrastprogramm

Es war einer der wenigen Ausrutscher in dieser Staffel, in der sonst fast alles funktionierte – abgesehen von den schrecklich schrägen Texten der neuen Ko-Moderatorin Sylvie van der Vaart, deren lückenhaftes Deutsch und schrille Auftritte die Zuschauernerven auf Dauer arg strapazieren. „Let‘s dance“ ist immer noch in erster Linie eine Castingshow, keine Soap. Was zählt, ist die Leistung, knallhart. Das unterscheidet das Format wohltuend von anderen so genannten Talentshows.

„Let‘s dance“ ist das Kontrastprogramm zu Bohlens unendlicher Soap „DSDS“, über das bereits als „Dieter seine doofen Sklaven“ gewitzelt wird. Die Tanz-Show kommt ohne die Kategorie „Schicksalsschläge“ aus. Wer meint, er könne mit einer verkorksten Kindheit oder einer unheilbaren Krankheit punkten, ist hier fehl am Platz.

Dafür sorgt der Chef der Jury, Joachim Llambi – genannt: „die Guillotine der Tanzkritik“. Auch im Finale hob der ehemalige Turniertänzer kein einziges Mal die Tafel mit der höchsten Punktzahl „10“ hoch, nicht mal bei Maite Kelly, dem neuen Kurvenstar, der Frau, der er von Anfang an den Sieg prophezeit hatte.

Ob das nur an ihrem Bewegungstalent oder auch an ihrem Charme und ihren weiblichen Reizen lag, darüber kann man streiten. Llambi ist schließlich auch nur ein Mann.

Bewegungsgefühl wie eine Tanne

Mit anderen Kandidaten war er in dieser Staffel weniger gnädig umgesprungen. Der Schauspielerin Andrea Sawatzki hatte er geraten, sie solle nicht allzu elfenhaft übers Parkett schweben: „Ich möchte eine Frau sehen, kein Schulmädchen.“

Der zur Breitbeinigkeit neigenden Boxweltmeisterin Regina Halmich hatte er den Tipp gegeben, sie solle sich wie eine Blume fühlen. Noch erinnere sie ihn eher an eine Tanne.

Und „dem Checker“ Thomas Karaoglan, einem ehemaligen Darsteller aus Bohlens Komödiantenstadl „DSDS“ hatte er gar attestiert: „Du tanzt, als ob du in die Hosen geschissen hättest.“ Er sollte nicht ahnen, dass es „der Checker“ bis ins Halbfinale schaffen sollte. Dass er im weißen Satin-Anzug eine John-Travolta-Nummer hinlegen sollte, die sogar ihm das Prädikat „sensationell“ entlockte.

Das Drehbuch hatte für den 18-Jährigen die Wandlung vom Saulus zum Paulus vorgesehen, vom arbeitsscheuen Aufschneider zum geläuterten Schüler. Es grenzte an ein Wunder, dass ausgerechnet der tappsige Moritz A. Sachs an ihm vorbeizog.

Aber für die vierte Staffel war eben das Moppel-Finale geplant. Man kann es RTL verzeihen. Schließlich gewann am Ende die Kandidatin, die das gängige Schönheitsideal der anämischen Gerippe eindrucksvoll konterkarierte. Die die Frauen ermutigte, zu ihren Pfunden zu stehen. Und allein dafür hat sich ihr Einsatz gelohnt. Go, Maite, go!