Ausstellung

In Berlin segelt Portugal an der Pole Position

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Ulli Kulke

Foto: DDP

Vor 500 Jahren brachen iberische Abenteuerer ans andere Ende der Welt auf: Die Portugiesen fanden im Orient Gewürze, Stoffe und "Spezereien". Im Deutschen Historischen Museum erinnert die Schau "Novus Mundos - Neue Welten" an die goldene Zeit der Entdecker.

„Im Anfang war das Gewürz“ – so begann Stefan Zweig seine literarische Biografie Ferdinand Magellans, und er meinte damit: Die großen Ausfahrten der beginnenden Neuzeit vor einem halben Jahrtausend nach Ost, nach West, nach Süd – sie alle wurden von der Suche nach den winzigen, so fernen Gewürzinseln ausgelöst.

Gewiss, auch Gold, Seide und andere Luxusgüter spielten eine Rolle, aber die Spezereien waren besonders begehrt. Die Pfeffersäcke, die Herren der Aktiengesellschaften im Ostindiengeschäft des 17. und 18. Jahrhunderts, sie häuften ihr Vermögen an mit Schiffsladungen voller Aromen aus Indien und Hinterindien – und von kleinen Vulkankegeln hinter Hinterindien, mitten im Meer. Doch so weit war es noch lange nicht, als sich Portugal, das Königreich im äußersten Südwesten Europas, als erstes aufmachte, diese ferne Weltengegend zu suchen.

Als Portugal die Globalisierung einleitete

Das Deutsche Historische Museum in Berlin nahm jetzt die EU-Ratspräsidentschaft Portugals zum Anlass für die Ausstellung: „Novos Mundos – Portugal und das Zeitalter der Entdeckungen“. Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich eröffnete die Show. Über das Land, das vor einem halben Jahrtausend die Globalisierung einläutete, zu einer Zeit, da noch nicht mal alle davon überzeugt waren, dass der Globus rund ist.

Kompakt, informativ und illustrativ entführt sie uns in eine überaus aufregende Epoche, als der Wettlauf der Nationen einsetzte, buchstäblich zum anderen Ende der Welt. Vielleicht entfernt vergleichbar mit dem Rennen zum Mond zwischen den Russen und den Amerikanern. Nur war es damals länger, grausamer und von mehr Rückschlägen gezeichnet. Von den Gewürzinseln wusste man kaum einen Bruchteil dessen, was Anfang der sechziger Jahre über den Mond bekannt war.

Gewiss, auch im Mittelalter schon gehörten Gewürze wie Pfeffer, Nelken oder Muskat in kaum glaublichen Mengen zum Speisezettel der Bürger Europas, wie Wolfgang Schivelbusch in seinem wunderschönen Büchlein „Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft“ nachzeichnet. Handelshäuser aus Venedig und Genua sorgten für steten Nachschub. Doch erst in den Häfen der Levante nahmen sie die Frachten in Empfang, wohin sie Staffeln von Dschunken und Daus oder Kamelkarawanen brachten – aus der Tiefe des unbekannten Orients.

Die Welt aus der Pole Position entdecken

Zwei historische Umbrüche veranlassten die iberischen Mächte Spanien und Portugal in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zum Aufbruch nach Asien: Die Osmanen breiteten sich in Nahost aus, verdrängten die mameluckischen Zwischenhändler. Sie schoben einen Riegel vor den mediterranen Fernosthandel. Und von der iberischen Halbinsel waren die Mauren nun endgültig vertrieben, beide Königreiche hatten den Rücken frei, den italienischen Handelsstädten Paroli bieten zu können. Portugal saß in der Pole Position.

Das Land am Südostzipfel Europas kontrollierte den Ausgang des Kontinents, hatte es am nächsten nach Afrika, der ersten Etappe des langen Weges. Und es hatte einen Heinrich den Seefahrer, den Königssohn, der nie zur See fuhr, der aber die lusitanischen Admiräle mit viel Geld und neuen Schiffstypen anhielt, um den schwarzen Kontinent herum die Gewürz8inseln aufzusuchen, immer weiter, immer südlicher.

1434, nach mehreren vergeblichen Anläufen, umschiffte Gil Eanes als erster Portugiese das Kap Bojador, das lange Zeit als westlichster Zipfel der bekannten Welt galt. Es war die Zeit, da noch manch braver Seemann fürchtete, im Meer weiter südlich müssten Schiffe, Mann und Maus wegen übergroßer Hitze schmelzen oder lichterloh brennen.

Konkurrenz zwischen Spanien und Portugal

Abgesehen von den Ungeheuern auf alten Seekarten, an jenen Stellen, die noch nicht befahren waren. Vergessen war da längst, dass es die Phönizier waren, die rund zweitausend Jahre zuvor bereits diese Gebiete im Pharaonen-Auftrage befahren, möglicherweise Afrika umrundet hatten. So entdeckte dann Bartolomeu Dias aus seiner Sicht Neuland, als er das Kap der Guten Hoffnung erreichte.

Ein Triumph aber blieb ihm versagt: Vasco da Gama war es, den man auf die nächste Etappe durch den Indischen Ozean schickte. 1498 ankerte er schließlich vor Indien, und schloss dort Handelsverträge ab. Es war der Anfang aber auch eines sehr spannungsgeladenen Verhältnisses, bei dem ein ums andere Mal indische Säbel und portugiesische Schiffskanonen sprachen. Ein Schiff aus da Gamas Flotte war das erste, das randvoll mit „Spezereien“ direkt aus Indien in Europa eintraf.

Nachdem Kolumbus 1492 für Spanien zum selben Ziel aufgebrochen war wie Portugal, nur über den westlichen Weg, formulierte der Papst im Vertrag von Tordesillas die Startbedingungen: Portugal über die Ostroute, Spanien über die Westroute. Er zog eine Linie von Nord nach Süd durch den Atlantik, trennte die Hemisphären. Wo aber hörte auf der anderen Seite der Welt der Osten auf, wo begann wieder der Westen? Und umgekehrt?

Angst vor Malakkas Piratennnestern

Auch nachdem da Gama Indien erreicht hatte, war es für Portugal immer noch ein weiter Weg zu den Gewürzinseln selbst, den heutigen Molukken im Osten Indonesiens. Alfonso de Albuquerque drang bis zum sagenhaften Malakka vor, der Drehscheibe des chinesischen, arabischen und indischen Handels an der Seestraße zwischen Malaya und Sumatra, damals wie heute eines der berüchtigtsten Piratennester.

Abreu und Serao, so hießen die Seefahrer, die schließlich die Inseln erreichten, im Jahre 1511, noch einmal 13 Jahre, nachdem da Gama in Indien angekommen war. Und als wiederum 10 Jahre später die Reste der Mannschaft Ferdinand Magellans – eines Portugiesischen Admirals in spanischen Diensten – nach der Reise über Amerika und den Pazifik ebenfalls auf den ersehnten Inseln angekommen waren, auf dem winzigen Nachbareiland des ebenso winzigen portugiesischen Vorpostens, da hatten die beiden iberischen Supermächte die Welt in die Zange genommen, rechts und links herum um den Globus. Angelockt von den bestechenden Aromen, die damals die Welt bedeuteten. Den Spaniern bekam das Treffen schlecht, die Portugiesen jagten sie hinfort.

Mit vielen Karten und Globen zeichnet die Ausstellung diese spannende Etappe der Weltgeschichte nach, zeigt Schritt um Schritt, wie sich die Kenntnisse über die Kontinente erweiterten. Auch wenn das Deutsche Reich allenfalls Zuschauer bei dieser Eroberung der Welt war – seine Kartographen und Gelehrten waren durchaus engagiert. So steht auch der älteste erhaltene Globus der Welt von 1494, aus der Hand des Nürnbergers Martin Behaim, in der Ausstellung (als Duplikat) – noch ohne Amerika. Groß präsentiert ist auch eine Kopie der Weltkarte Martin Waldseemüllers von 1507, auf der die Neue Welt zum ersten Mal „America“ heißt.

Die Werke wurden gezeichnet, als noch niemand ahnen konnte, dass die Gewürzinseln dann tatsächlich ziemlich genau dort lagen, wo die über die Pole verlängerte Linie von Tordesillas verlaufen würde – eben genau am anderen Ende der Welt. Auch weiterhin spielten die Inseln eine große Rolle in der Weltgeschichte, auch als die katholischen Mächte Spanien und Portugal von den protestantischen Niederlanden und Großbritannien abgelöst wurden, die ebenfalls um die Herrschaft in dieser Weltengegend rangen. Wie bedeutend sie war, mag der Vertrag von Breda 1667 illustrieren: Da gab England die unbedeutende Muskatnuss-Insel Run ab und erhielt von den Niederlanden eine Halbinsel in Amerika: Manhattan.

"Novos Mundos - Neue Welten", Deutsches Historisches Museum Berlin, täglich geöffnet 10 - 18 Uhr, bis zum 10. Februar 2008.