Das Deutsche Historische Museum (DHM) muss das Plakat „Die Dogge“ des Zeichners Thomas Theodor Heine an den Kläger Peter Sachs herausgeben. Das hat das Landgericht Berlin entschieden. Dieses Urteil hat voraussichtlich erhebliche Folgen, denn die Richter stellten zugleich fest, dass das DHM keinen Anspruch darauf habe, die Herausgabe der Sammlung an den Sohn von Hans Sachs zu verweigern.
Damit dürften die meisten der 4000 Plakate aus der einstigen Kollektion Sachs, die sich heute in den Beständen des DHM in Berlin befinden, herausgegeben werden müssen – es sei denn, das Museum legt Rechtsmittel ein.
Das gestrige Urteil gilt formal zwar nur für ein Plakat, de facto aber für alle mit dem Stempel von Hans Sachs versehenen Stücke. „In Deutschland ist es seit der Kaiserzeit Tradition, dass staatliche Institutionen nicht erst mit dem Gerichtsvollzieher gezwungen werden müssen, ein Feststellungsurteil umzusetzen“, sagte Matthias Druba, der Anwalt von Peter Sachs, zu WELT ONLINE. Der Verwaltungsrechtler hofft, dass nun konstruktive Gespräche mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann in Gang kommen.
Ziel solle sein, die einzigartige Plakatsammlung künftig dauerhaft dem Publikum zugänglich zu machen. Peter Sachs wünscht sich ein Museum, das den Namen seiner Familie trägt und der Sammlung seines Vaters ein Denkmal setzt. „Am besten fände eine solche Ausstellung natürlich ihren Platz in Berlin. Wir hoffen, dass die Bundesregierung darauf eingeht“, sagte Druba.
Der Anwalt des DHM, Lutz von Pufendorf, zeigte sich von der Entscheidung irritiert: „Das Urteil muss überraschen, weil es einen Rechtsstandpunkt vertritt, der im gesamten bisherigen Schrifttum keine ernsthafte Resonanz gefunden hat“, sagte er. Bislang sei es einhellige Rechtsauffassung gewesen, dass sämtliche zivilrechtlichen Möglichkeiten durch das Wiedergutmachungsrecht verschlossen blieben, sagte der langjährige Berliner Kulturstaatsekretär: „Den Zivilrechtsweg gleichwohl zu eröffnen, ist hochproblematisch.“
Die Auseinandersetzung um die Sammlung Sachs ist besonders komplex, weil Hans Sachs in den Sechzigerjahren für den vermuteten Gesamtverlust seiner Sammlung in damals angemessenem Maße entschädigt worden war. Wenig später hatte er jedoch erfahren, dass Teile seiner Kollektion den Zweiten Weltkrieg doch überstanden hatten – unerreichbar in Ost-Berlin. Damals hatte sich Sachs davon erfreut gezeigt. Die Berliner Richter entschieden nun gegen die Argumentation des DHM, dass dies kein Eigentumsverzicht des schon hoch betagten enteigneten Sammlers gewesen sei.
Der Berliner Zahnarzt Hans Sachs (1881-1974) hatte seit der Wende zum 20. Jahrhundert in großem Umfang Plakatkunst gesammelt. Die etwa 12.000 Exemplare seiner Sammlung waren in den Dreißigerjahren von der Gestapo beschlagnahmt worden; Hans Sachs wurde wegen seiner jüdischen Wurzel im KZ gequält und Ende 1938 mit seiner Familie zur Auswanderung in die USA gezwungen. Nach der Deutschen Einheit kamen die Reste seiner Sammlung in die Verantwortung des DHM, das sie seitdem in Ausstellung immer wieder verwendet – mit korrektem Hinweis auf die Herkunft.
Peter Sachs erfuhr nach eigenen Angaben erst 2005 von der Existenz dieses Bestandes und versuchte, das Museum zur Herausgabe zu bewegen. Eine hochrangig besetzte Kommission unter Leitung der ehemaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Jutta Limbach, entschied jedoch vor zwei Jahren, Peter Sachs habe keinen Anspruch auf Rückgabe. Mit dem neuen Urteil ist diese Kommission, der auch Altbundespräsident Richard von Weizsäcker und der Zeithistoriker Reinhard Rürup angehören, vollständig desavouiert.
Noch ist offen, wie die Auseinandersetzung weitergeht. Ob das DHM Rechtsmittel einlegen wird, stand noch nicht fest. Es handele sich um eine politische Entscheidung, sagte Pufendorf. Ein Sprecher des DHM teilte mit, da die schriftlichen Urteilsgründe noch nicht vorlägen, könne über das weitere Vorgehen noch nichts Näheres gesagt werden.
Unklar ist außerdem, ob der Erhaltungszustand der Plakate eine dauerhafte Präsentation erlaubt. Gerade die wertvollsten Originale sind besonders lichtempfindlich. Deshalb werden bisher Exponate aus diesem Bestand nahezu ausschließlich in kürzeren Sonderausstellungen gezeigt. Unstrittig ist, dass die Sammlung als solche bestehen bleiben soll. Peters Sachs’ Anwalt Matthias Druba verspricht, sein Mandant werde das Lebenswerk des eigenen Vaters nicht blattweise verkaufen, wie DHM-Chef Hans Ottomeyer befürchtete.
Schon im Januar 2007 war als Lösung die Idee aufgekommen, in Berlin-Mitte könnte ein „Museum Sachs“ eingerichtet werden. Ein möglicher Ort dafür wäre das renovierte Kronprinzenpalais Unter den Linden; verantwortlich sein könnten das DHM oder die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Seinerzeit war dieser Vorschlag nicht weiter verfolgt worden.