Deutscher Filmpreis

Florian David Fitz gelingt der große Durchbruch

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Peter Zander

Es war der Triumph eines Ausgestoßenen: Jahrelang spielte Florian David Fitz in Fernsehfilmen und -serien den Mr. Nobody, doch dann reichte es ihm. Er schrieb sich selbst eine große Rolle auf den Leib und brillierte in "Vincent will Meer".

Irgendwann hatte er es einfach satt. Jahre lang hatte er in Fernsehfilmen und -serien gespielt. Aber die ganz große Rolle war nie dabei. Und zu vielen Castings wurde er gar nicht erst eingeladen. Also hat sich Florian David Fitz hingesetzt und angefangen, ein eigenes Drehbuch zu schreiben. Natürlich nicht ganz uneigennützig. Natürlich mit einer starken Männerrolle, die er von Anfang an selbst spielen wollte. Er hätte nicht darauf bestanden, wenn das die Realisierung erschwert hätte. Aber am Ende hat er es spielen dürfen. Auch wenn das für jeden Regisseur eine Herausforderung sein muss, wenn der Drehbuchautor vor der Kamera steht.

„Vincent will Meer“, dieses schräge deutsche Road Movie, in dem der 36-Jährige als Tourette-Kranker mit einer Magersüchtigen und einem Zwangsneurotiker aus einem Sanatorium flieht – dieses kleine, schmal budgetierte Werk war der Überraschungshit im deutschen Kinojahr 2010. Gestartet vor ziemlich genau einem Jahr, am 22. April, entwickelte „Vincent“ sich zum Dauerbrenner und brachte es auf weit über eine Million Zuschauer. Auch die DVD verkauft sich mittlerweile prächtig. Und beim Deutschen Filmpreis, wo er gleich zweimal nominiert war, als Drehbuchautor und als Schauspieler, gewann er in der Sparte, die ihm die wichtigere war: als Schauspieler. Gegen August Diehl, den er so lange um seine Angebote beneidet hat. Aber dann bekam „Vincent“ – womit keiner mehr gerechnet hatte, am wenigsten er selbst – auch noch die Goldene Lola für den besten Film. Vincent hat mehr! Es war der ganz große Triumph für Florian David Fitz.

Freilich, der Frust von einst ist längst Schnee von gestern. Noch während er das Drehbuch entwarf, bekam der Münchner für den TV-Film „Meine verrückte türkische Hochzeit“ einen Grimme-Preis. Und seit der Kultserie in Weiß, „Doctor’s Diary“, genießt er Riesenpopularität und mutierte als Dr. Marc Meier – laut Bravo „das coolste Arschloch der Welt“ – zum Teenieschwarm. Das brachte ihm eine Hauptrolle im Kinoerfolg „Männerherzen“ ein, dessen Fortsetzung gerade abgedreht ist. Längst ist er also Everybody’s Darling. Und omnipräsent: Er fehlt bei keinem Empfang, auf keinem roten Teppich. Und ist einer der begehrtesten deutschen Singles: Wen immer er mitbringt und abbusselt, es steht verlässlich in allen Gazetten.

Aber das Sigelzeichen, das amtliche Gütezeichen für den endgültigen Durchbruch, auch als ernsthafter Schauspieler, ist nun die Lola. Vergleichbar vielleicht nur mit seinen Hollywoodkollegen Matt Damon und Ben Affleck, die beide ebenfalls gut zehn Jahre in kleineren Rollen unerkannt blieben, bis sie zusammen das Drehbuch von „Good Will Hunting“ entwarfen, mit sich in den Hauptrollen, dafür den Autoren-Oscar bekamen und auf der Bühne einen Veitstanz hinlegten.

Fitz musste diesen Moment alleine meistern. „Verfickte Henne“, rutsche es ihm heraus, als er die Lola bekam. Auch wenn das nur Jungsprech ist und nichts anderes meint, als wenn unsereins „Du liebes Lieschen“ sagt: Da ist der sonst um spontane Sprüche wahrlich nicht verlegene Auch-Autor verbal voll entgleist. Aber er war einfach zu überwältigt und bewegt. Als er das Drehbuch begonnen habe, sei das Feedback gekommen: „Bist du wahnsinnig? Das kannst du nicht machen. Das riecht so dermaßen nach frustriertem Seriendarsteller, der schreibt sich ne Behindertenrolle, um endlich für einen Preis infrage zu kommen“, erinnerte sich Fitz in seiner Dankesrede. „Ich möchte dazu sagen: Es war nicht meine Absicht. Aber es hat trotzdem geklappt.“

Dass ihm der Preis von Sibel Kekilli überreicht wurde, macht tiefen Sinn. Nicht nur, weil er mit ihr vor kurzem schlagzeilenkräftig gebusselt hat. Sibel Kekilli hat vor einem Jahr an selber Stelle eine Lola gewonnen. Und auch sie hat lange unter dem Mangel guter Angebote gelitten und ihren Frust öffentlich gemacht, als sie auf der Bühne unverhohlen für sich warb, ja bettelte: „Ich, Spielalter 23 bis 30, bin an Rollen interessiert. Ich will arbeiten, ich will drehen.“

Florian David Fitz hat dieses Manko selbst behoben. Dass sein Film auch noch die Goldene Lola gewann, hat dann doch viele überrascht. Auch die Mitglieder der Deutschen Filmakademie selbst, die doch über eben diese Preise abstimmen. Nun war 2010 ein eher schwaches Kinojahr, in dem es zwar viele schöne Werke gab, aber kein herausragendes Meisterwerk wie der Lola-Abräumer 2010 „Das weiße Band“. Aber hätte Tom Tykwers wunderbare Beziehungsdramödie „Drei“ nicht wenigstens Bronze bekommen müssen? Und nicht doch besser „Almanya“ Gold statt Silber, weil diese Migrationskomödie einiges über die Lage der Nation aussagt?

Von solchen Überlegungen mussten sich frühere Jurys leiten lassen, nicht aber die Akademie, die seit sieben Jahren die Lolas nach einfachen Mehrheitsverhältnissen vergibt. Am Ende ging es bei „Vincent“ indes nicht nur um einen Film, sondern um einen späten Erfolg, die einem jeder gönnt und an dem jeder auch ein bisschen mitgewirkt haben möchte. Die Schauspieler stellen in der Akademie, die insgesamt 1250 Mitglieder zählt, die stärkste Fraktion. Rund ein Drittel. Und man liebt solche Triumphe, in die man auch die eigenen Hoffnungen und Sehnsüchte hineinprojizieren kann. Tykwer wird seine offenkundige Enttäuschung verschmerzen können. Auch ihn hat ja einst der Lola-Segen für „Lola rennt“ ganz nach oben katapultiert.

Fitz hat es jetzt geschafft. Den zweiten Vornamen hat er einst nur erfunden, um nicht mit dem älteren Kollegen Florian Fitz verwechselt zu werden. Das passiert ihm schon lange nicht mehr. Derzeit entwickelt er sich noch einmal ganz anders und bereitet sich auf sein Regiedebüt „Jesus liebt mich“ vor. Eine Romanadaption. Drehbuch: Fitz. Hauptrolle: Fitz. Neben Jessica Schwarz. Nächsten Monat sollen die Dreharbeiten beginnen. Bis dahin hat Fitz noch Zeit, die Lola zu verarbeiten. Danach aber kommt wohl der Fluch einer jeden Auszeichnung: Er muss mit seinem nächsten Film beweisen, dass „Vincent“ nicht nur Anfängerglück war.