Für mich hatte Berlin schon immer ein bisschen von der Optik und Atmosphäre vom New York der 80er-Jahre. Das wird jetzt mit einem Restaurant unterstrichen, das nicht nur so heißt wie die Stadt, die niemals schläft – sondern auch dem Ambiente nach am Hudson platziert sein könnte. Allein schon der Aufbau überzeugt: Zur großzügigen Straßenterrasse öffnet sich eine breite Bar mit langem Tresen.
Der Mann, der das vor Kurzem eröffnete Restaurant betreibt, passt ganz hervorragend dazu. Es ist der mehrfach zu Deutschlands „Barkeeper des Jahres“ gekürte Andreas Lanninger. Er belebte schon etliche Jahre Restaurants mit seiner offensiven, lockeren Art. Wie das Lokal im Abion Hotel an der Spree, unmittelbar am Innenministerium. „Lanni“, so nennen ihn alle, beschränkt sich aber längst nicht auf fröhliche Sprüche, sondern arbeitet intensiv von morgens bis in die Nacht. Darum würde ich ihm großen Erfolg gönnen.
Zu den besten dieser Kategorie
Gewiss sah die Konzeption des neuen New York nie vor, die Palette der Berliner Steakhäuser mit einem weiteren zu vergrößern. Doch die Qualität des Fleisches und die erstklassige Zubereitung gehören für mich ab sofort zum besten dieser Kategorie in unserer Stadt. Interessant ist, dass Filet oder Entrecote nicht, wie allgemein Trend, als Prime Beef aus den USA kommen (das T-Bone-Steak einmal ausgenommen), sondern aus Uruguay, Argentinien und Irland. Die Produktqualität ist ausgezeichnet. Dabei sind die Gerichte kundenfreundlich kalkuliert.
Übertroffen wurde das zarte Fleisch und das köstliche Aroma vom Wagyu, diesem einfacheren und etwas erschwinglicheren Produkt der Kobe-Rinder, die nicht mit Bier und Sake in Japan, sondern auf Australiens Weiden groß gezogen werden. Das alles verlangt eine Top-Bewertung. Kritisieren muss ich nur die um sich greifende Unsinnigkeit, die auch hier praktiziert wurde: Jede Beilage wie Kartoffeln, Gemüse oder Saucen, selbst ein Löffelchen Hollandaise, wurde extra berechnet.
Die Überraschung war für mich das Kalbskotelett aus deutscher Schlachtung. Herrlich mit Röstaromen vom kräftigen Knochen durchdrungen, war es einfach nur köstlich. Und was das Produkt angeht: Was habe ich da in den letzten Jahren für schlechtes Kalbfleisch aus Deutschland vorgesetzt bekommen, mit Fasern, die an Schiffstaue erinnern. Hier glitt das Messer durchs Fleisch wie durch warme Butter. Gewürzt mit verschiedenen Pfeffersorten wurde der Geschmack abgerundet.
Hackbraten für zwischendurch
Später als normal hat die Spargelzeit dieses Jahr begonnen. Dafür ist das Edelgemüse jetzt besonders aromatisch. Andreas Lanninger präsentierte eine komplette Spargelkarte – an den Tischen um mich herum war sie der Renner. Beim Spargelsalat mit Kartoffeln und Krebsen hätte ich mir deutlich mehr vom leicht gerösteten Spargel gewünscht – aber auch das ist ein Kompliment. Geschmacklich war es klasse. Auch hier operierte die Küche so gut, wie es gewiss nicht gleich zu erwarten war.
Um einem Ganztagesprogramm gerecht zu werden, muss die Speisekarte schon umfassend sein. Der Business Lunch, bei dem auch schon mal Senfeier und Hackbraten im Programm sind, kostet bei zwei Gängen 9,50 Euro.
Da kann der Dessertfreund Moccamousse auf Himbeerspiegel, Vanilleeis auf heißen Kirschen oder eine, das muss man sagen, perfekt mit Karamelldeckel gemachte Crème Brûlée bestellen. Für den ganzen Tagesablauf sind Burger und Sandwiches im Plan, so das Bronx Sandwich mit Wagyu-Tranchen mit Tomate, Gurke und viel Kräuterquark und selbstverständlich Bacon (für 16 Euro). Die leichten Vorspeisen überzeugten. Das „NY Carpaccio“, die Kombination von Jakobsmuscheln, Flusskrebsen und herzhafter Olivenpaste, der „Broadway Twister“, eine fruchtige Tomatensuppe mit knusprigen Croûtons und Ziegenmilchschaum und ein wunderbar zusammengestellter Wildkräutersalat sind einige Beispiele.
Zu später Stunde gibt es Berliner Currywurst mit Pommes
Um 22 Uhr, wenn die meisten Herde kalt werden, gibt es im New York immer noch Essen – nur die Karte wechselt. Dann wird’s rustikaler. Eine Berliner Currywurst mit Pommes, Mini-Burger oder Tatar vom Rinderfilet mit Calvados parfümiert, werden zur späten Stunde zubereitet. Auf Wunsch kombiniert mit Allumettes, diesen streichholzdünnen Fritten, die ich noch nirgendwo besser zubereitet bekommen habe (außen knusprig, innen butterzart). Begeistert war ich auch vom Service, der zum Gesamtprodukt gehört. Lanninger führte nicht nur Regie, er war auch überall, wo man ihn brauchte. Selbst bei dem Stress im voll besetzten Restaurant verlor er nie seine angenehme Fröhlichkeit.
Noch im Aufbau war die Weinkarte. In einem gerade eröffneten Restaurant erwartet man gewiss keine großen alten Lagen, aber ein wenig breiter sollte die Palette in Zukunft schon sein. Der Preis begeisterte dafür, für eine Flasche großartigen Chablis zahlte ich 36 Euro. Doch: Die meisten Gäste orientieren sich bei Lanningers Reputation sowieso vor allem auf das Bar-Angebot mit der ganzen Palette amerikanischer Cocktails.
Bar & Restaurant New York Olivaer Platz 15, Charlottenburg, täglich ab 8.30 Uhr, G 883 62 58
Heinz Horrmann schreibt jeden Sonnabend für die Berliner Morgenpost