Les Solistes

Ungewöhnliche Aromen und ein Hummer mit Weltgeltung

| Lesedauer: 6 Minuten

Foto: Amin Akhtar

Der Restaurantkritiker der Berliner Morgenpost, Heinz Horrmann, besucht den Drei-Sterne-Koch Pierre Gagnaire im neuen Restaurant des Hotels Waldorf Astoria Berlin - und ist begeistert.

Der Pariser Drei-Sternekoch Pierre Gagnaire ist schon seit Jahren für mich der beste Küchenkünstler der Welt. Für das Restaurant Les Solistes im Hotel Waldorf Astoria Berlin schrieb er das Konzept. Von Zeit zu Zeit steht er auch selbst am Herd. Aus Überzeugung, wie er sagt, weil er Berlin so mag. Dabei ist seine Zeit knapp – er betreut Sternerestaurants von Las Vegas bis Tokyo.

Allein seine Patenschaft im Waldorf Astoria ist eine weitere Aufwertung der Berliner Gourmetszene. Doch wie erlebt der Gast Küche und Service im Solistes, wenn im ganz normalen Alltag der Betrieb ohne den Superstar läuft? Berücksichtigen muss man, dass wir über eine der feinsten und teuersten Adressen der Berliner Gourmandise sprechen.

Erstes Highlight aus Hannover

Der allererste Genuss des Dinners, das Brot, das auf den Tisch kommt, ist überragend. Wie bei Christian Lohse im Fischers Fritz wird es von einem der beiden besten Bäcker des Landes aus Hannover angeliefert (Gaues, der andere ist Merzenich aus Köln). Es ist knusprig, aromatisch, einfach gut. Köstlich und gelungen beginnt die Speisefolge mit einer besonders voluminösen Auster, der marinierten Gillardeau-Auster, die mit geräuchertem Aal, Radicchio-Ravioli, einer Spur Rindermark sowie einem Sockel aus Bohnen, parfümiert mit Sanddorn angerichtet ist.

Ungewöhnliche Aromen, prima im Zusammenspiel, nur die Coco-Bohnen passen mir nicht. Ohne jede Einschränkung ist das Carpaccio von der Jakobsmuschel mit herrlich frischem Limonen-Mango-Aloe-Vera-Duft und geeister Mais-Senf-Crème Spitzenklasse. Ein köstlicher Biss ins Meer.

Äußerst appetitliche Mischungen

Auch bei der Entenleber, einmal völlig anders kombiniert mit einem Lebersüppchen mit Walnüssen, Steinpilzravioli und dünn geschnittener Entenbrust und überzogen mit einer Cassis-Pomeranzensauce, gibt es nichts auszusetzen. Und erst recht nicht bei dem Gericht „Maritimer Garten“. Es begeistern mich die Muschelvariationen mit Champagner, gebratene Jakobsmuscheln mit grüner Sauce verbunden mit Crêpe aus schwarzem Weizen mit Seeigel und Algen, verbunden mit Krabben und Schwarzwurzeln – eine äußerst appetitliche Mischung.

Die Filets der gegrillten Seezunge werden mit Cidre kandiert und mit Blattspinat verbunden. Das macht der „Alltagsküchenchef“ Roel Lintermans aus Belgien ganz gewiss nicht schlechter als der Meister selbst, mit dem er schon lange zusammenarbeitet. Am Nebentisch wird Wildhase in drei Gängen serviert. Zuerst kommt der Hasenrücken mit Speck gespickt und rosa gebraten auf den Tisch. Auch hier wird die für die Küche typische Geschmacksverfeinerung mit Alkoholika, diesmal ein Marc de Gewürztraminer, zur Köstlichkeit. Der folgende Hasenpfeffer aus der Keule bekommt den Hauch von Schokolade und die zum Abschluss servierte Blätterteigpastete mit Ananas-Papaya-Sorbet, das mit grünem Kardamom verfeinert ist, rundet das Essen ab. Pro Person mit 85 Euro kalkuliert.

Stubenküken mit Perigord-Trüffel

Eines meiner Lieblingsessen, das ich auch schon in der Vox-Kocharena zubereitet habe, ist Stubenküken mit Perigord-Trüffel unter der Haut. Im Ofen gegart. Hier im Les Solistes wählt man für den Genuss das Brust-Filet der Bresse-Poulet, kombiniert das Ganze aber mit den zerkleinerten Keulchen des Federviehs in Gelee verpackt und mit Senffrüchten deutlich aromatischer. Hummer sei der beste Koch, sagt man mit einem Augenzwinkern.

Der Hummer, von Pierre Gagnaire zubereitet, hat Weltgeltung. Seine Vorgabe ist die ausgewogene Kombination des zarten Fleisches mit feiner Säure. So wird er mit gedünsteter Mango, Pampelmuse und Zitronengras verbunden und bekommt dazu als weiteres Geschmackselement noch Hummercorail. Außergewöhnlich ist freilich auch sein Preis. 75 Euro pro Person, das ist kein Pappenstiel. Gemessen am Angebot der Vorspeisen und Hauptgänge sind die Desserts von Schokoladensouffle bis zu in Johannisbeeren kandierten Apfelscheiben eher alltäglich. Zwei Menüs stehen zur Auswahl, einmal vier Gänge für 105 und das Sechs-Gänge-Menü für 140 Euro.

Alkoholschwangere Küche

Was ist nun das spezielle, das gegenüber den Programmen anderer Top-Restaurants der Hauptstadt außergewöhnliche im Les Solistes? Es sind die Einzelelemente, die sich zum Gericht formen, die aber nicht auf einem Teller angerichtet sind. Zu Fleisch und Fisch das begleitende Süppchen oder Köstlichkeiten wie Kalmare mit Chorizo oder kleine Tartes mit Rindermark oder aromatisierte Eis- oder Sporbetvariationen. Mini-Menüs pro Gang. Und dann arbeitet die Küche wie geschrieben gerne mit Alkoholika wie Sanddornlikör, Side, Rum oder Champagner. Damit werden die Speisen „parfümiert“. Stets nur einen Hauch, gewiss nie überzogen.

Den Service unter der Regie des großartigen Vedad Hadziabdic empfinde ich, auch mit klarem Blick auf die Nebentische, als exzellent. Das Team ist keine Crew von Selbstdarstellern, sondern hat stets den Gast im Blick. Und das ist mustergültig. Vedad, der Bosnier mit klassischer Ausrichtung, war schon im Drei-Sternerestaurant Aqua in Wolfsburg überragend.

265 Euro für Wein – muss nicht seinEinziger Kritikpunkt ist die Kalkulation der Weine, hier speziell der französischen. Während man die deutschen Lagen im unteren und mittleren Preisbereich noch akzeptieren mag, sind die Bordeaux-Weine unverhältnismäßig kalkuliert. Ein Beispiel gefällig? Einer meiner Lieblingsweine, Haut Bailly, für den man im Einkauf um die 40 Euro zahlt, steht mit unverständlichen 265 Euro auf der Karte. Das ist ein Ansatz, um nachzuarbeiten.

Küche und Service dagegen sind schon nach dieser recht kurzen Anlaufphase auf hervorragendem Niveau. Kompliment.

Les Solistes by Pierre Gagnaire im Hotel Waldorf Astoria Berlin, Hardenbergstraße 28, Charlottenburg, G 814 00 00, www.waldorfastoriaberlin.com

Heinz Horrmann schreibt jeden Sonnabend für die Berliner Morgenpost