Erst einmal freue ich mich über die Wiederbelebung des Kurfürstendamms. Die einst auch kulinarisch führende Prachtstraße wurde nach der Wende stiefmütterlich behandelt. Das frühere Genusszentrum, das Haus Cumberland, wurde aufwendig restauriert und mit dem Grosz, einer Mischung aus Patisserie, Kaffeehaus, Restaurant und Bar, aufgewertet.
Benannt ist die ungewöhnliche Restaurantkombination nach George Grosz, einem Großstadtmaler der 20er-Jahre (nebenan liegt der gleichnamige Platz). Roland Mary, der das Borchardt an der Französischen Straße mit viel Einsatz zum vielleicht bekanntesten deutschen Restaurant gemacht hat, versuchte hier keine Kopie des Erfolgsrezepts vom Gendarmenmarkt, sondern bemühte sich um ein neues Konzept.
Um richtig in Schwung zu kommen, braucht das wohl einige Zeit. Am Anfang hagelte es heftige Kritik an Küche und Service, auch an der Atmosphäre, die als "zu dämmerig, zu patiniert" bezeichnet wurde. Auf keinen Fall mag ich die gewiss berechtigten Anmerkungen erfahrener Restaurantgänger in Frage stellen. Doch aus Fairnessgründen habe ich eine Frist zum Einarbeiten eingeräumt.
Show, Business und junge Leute
Bei meinem Besuch war der Gastraum bis auf den letzten Platz gefüllt, mit einer interessanten Mischung aus Leuten. Gäste aus dem Showgeschäft, etablierte Businessleute und fröhliches Jungvolk. Alle machten einen zufriedenen Eindruck.
Auch ich war von der Küche angetan. Gewiss kein Sterneniveau, wohl aber waren es gut gemachte Gerichte aus ordentlichen Grundprodukten, die serviert wurden. Exzellent war der Start mit einem lauwarmen Hummer-Ragout mit Sellerie-Püree. Die Vorspeisen, drei Varianten der Bouillabaisse, die "La Petit" (zwölf Euro) mit drei verschiedenen Fischen, Rotbarbe, Butt und Lotte, kann ich nur empfehlen. Die Ausführungen "La Grande" für zwei Personen (22 Euro) wurden von Jakobsmuscheln und Langusten dominiert und bei der köstlichsten und teuersten Variation, "La Special" (40 Euro), langte der Küchenchef in die ganz edlen Töpfe, verarbeitete viel Hummer und köstlich zarte Stone Crabs. Überhaupt scheint Philippe Lemoine, der französische Küchenzauberer, der parallel zum Grosz die Oberregie im Borchardt führt, eine Vorliebe für Fischgerichte zu haben. Ganz gleich, ob der kurz gebratene Thunfisch, die Seezunge aus der Pfanne oder der weiße Heilbutt: Am Fisch gibt's nichts auszusetzen.
Fisch schlägt Fleisch
Diese besondere Wertschätzung muss sich die Küche bei den Fleischgerichten noch erarbeiten. Die Entenbrust unter der gewürzten Kruste bezeichnete eine bekannte Schauspielerin am Nebentisch als deutlich zu fest, um sie richtig genießen zu können. Und bei der vorzüglich klingenden Kombination vom Ibérico-Schwein (nur mit Bucheckern und Eicheln gefüttert) gab es in ein klassisches "Unentschieden".
Exzellent war der gegrillte Rücken und Bauchspeck mit krosser Kruste. Dagegen waren die geschmorten Bäckchen das "Gegentor", knüppelhart, geschmacksneutral und dann leider auch nur lauwarm. In der Kocharena hätte ich gesagt, sie taugen ausschließlich zum Dosenwerfen auf dem Kirmesplatz. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, geschmacklich war das Schwein mit Apfel-Schalotten-Fondue, einem Butter-Sahnepüree und gutem Calvadosjus absolut gelungen.
Ein Schwerpunkt in dieser Edelbrasserie, mit sehr gelungenem Interieur-Design, ist das besonders breite Angebot an Steaks. So darf der Gast aus erstklassigem, spanischem Entrecôte und Filet (Xata Roxa), gut abgehangenem US-Prime Beef und deutschem Fleisch vom Elbrind wählen. Wobei das "Dry Age"-Beef aus Nebraska klar gewann. Interessant ist auch im Grosz eine Entwicklung, die sich in letzter Zeit verbreitet hat: Früher war es eine Selbstverständlichkeit, dass zum Hauptgang sowohl Sauce als auch Beilagen im Preis eingeschlossen waren. Heute werden im Grosz eine breite Palette an Salaten, Ratatouille, Selleriemousseline und Kartoffel-Variationen offeriert - und zusätzlich mit 4,50 Euro auf die Rechnung gesetzt. Selbst die Kräuterbutter wurde mit 3,50 Euro berechnet. Daran wird man sich wohl gewöhnen müssen.
Kundenfreundliche Kalkulationen
Der süße Abschluss, häufig als Pflichtübung abgetan, wird in diesem Restaurant geradezu spektakulär gepflegt. Zwölf Desserts stehen auf der Karte. Von den Klassikern wie Birne Helene oder der Coupe Melba mit pochiertem Pfirsich, Johannisbeergelee und ebenfalls Vanilleeis und Sahne bis zur Tarte Tatin mit gehaltvoller Calvados-Creme: Alles gelungen. Extrem kundenfreundlich war die Kalkulation mit einer Preisskala von 3,50 bis 8,50 Euro.
Nach meinem Geschmack sollte der geniale Roland Mary, der einst das Borchardt erfunden hat, die Weinkarte überarbeiten. In einer Gesamtkarte mit Milchshakes und Tee verlieren sich die offenen Weine. Sie verstecken sich nach den Gerichten. Die Auswahl aus kleinen und mittleren Lagen ist bei den Weißweinen gut, bei den Rotweinen mit einem Barolo aus Piemont als Krönung jedoch für die Klasse des Restaurants zu dünn. Ich bin überzeugt, dass sich da noch etwas tun wird. Zum Service: Ich wurde hervorragend bedient. Ich hatte alle Tische um mich herum im Blick und überall waren die Servicekräfte dann zur Stelle, wenn sie gebraucht wurden. Auch das ist ein Grund dafür, dass ich das Restaurant nach holprigem Anlauf ab sofort durchaus empfehlen kann.
Heinz Horrmann schreibt jeden Sonnabend für die Berliner Morgenpost
Restaurant Grosz im Haus Cumberland, Kurfürstendamm 193-194, Charlottenburg, täglich 11.30-15 Uhr und ab 18 Uhr, Tel. 652 14 21 99, www.grosz-berlin.de