An die ersten Tage der Corona-Pandemie kann ich mich vor allem deshalb gut erinnern, weil ich einen höllischen Hexenschuss bekam. In jenen Tagen Anfang 2020 hatte die Redaktion gerade die damaligen Räume am Kurfürstendamm verlassen, wir waren allesamt ins Homeoffice gegangen.
Ich sehe noch vor mir, wie ich meinen Computermonitor in einen riesigen Ikea-Beutel packe und ihn ins Auto verlade, dort das Lenkrad mit Reinigungstüchern desinfiziere, das Radio einschalte und es wegen der Horrornachrichten gleich wieder ausschalte. Zuhause angekommen, sah ich meine Frau an und sagte: „Ich bin jetzt erst einmal ganztags hier.“ Sie sah mich an und fragte: „Wie lange?“ Ich: „Keine Ahnung.“
Ich nahm Schmerzmittel, die nicht halfen
Am nächsten Morgen wachte ich mit irren Schmerzen auf. Es fühlte sich an, als habe jemand mein Steißbein mit einem Vorschlaghammer zerschmettert. Ich versuchte das zunächst zu ignorieren und führte die üblichen Telefonate mit den Kollegen aus dem Kulturressort, bemerkte dabei aber, dass ich kaum sprechen konnte. Ich nahm Schmerzmittel, die nicht halfen und danach andere Schmerzmittel, mit denen es besser ging.
Ich weiß noch, wie froh ich war, mich wieder bewegen zu können. Ich spazierte mit meiner Frau die Straße vor unserem Haus entlang. Es war kalt, niemand außer uns war draußen. Die laubfreien Bäume ragten wie ausgestreckte Mittelfinger in den fahlen Winterhimmel. „Das hier ist schlimmer als die Zombie-Apokalypse“, sagte ich. „Du übertreibst“, sagte meine Frau. Sie hatte wie immer recht.
Wir richteten uns mit der neuen Lebenssituation häuslich ein. Zwar nahmen wir uns mit unserem neu erwachten Bedürfnis nach Videoschalten dauernd gegenseitig das Wlan weg, aber sonst gab es kaum Schreiereien. Ich hörte täglich den Podcast mit Christian Drosten und konnte schnell in jedem Gespräch über Inzidenzen, Hospitalisierungsquoten und exponentielles Wachstum mithalten.
Die Hippie-Phase der Maskenpflicht ist lange her
Irgendwann ging es dann auch um die Masken. Uns leuchtete sofort ein, dass sie bei der Eindämmung des Infektionsgeschehens nützlich sein mussten, die Argumente der Gegner kamen uns entweder polemisch oder esoterisch vor.
Meine Frau setzte sich also an die Nähmaschine und stellte welche her. Sie saßen wie maßgeschneidert, hatten sogar innen eine Fütterung aus weichem Vlies und nur den einzigen Nachteil, dass ihre engen Gummizüge die Maske so kraftvoll ins Gesicht pressten, dass man nicht mehr atmen konnte.
Wir befanden uns in der Hippie-Phase der gerade eingeführten Maskenpflicht, als auch Selbstgebasteltes noch salonfähig war und überall Pop-up-Stores mit lustig gemusterten Textilien eröffneten, bis diese wilde Zeit qua Hygieneschutzverordnung zugunsten des medizinischen Mundnasenschutzes beendet wurde.
Das Suchen nach der Maske als Teil der Tagesroutine
Viele Polemiker und Esoteriker witterten, wie so oft in den Wochen davor, auch hier eine Verschwörung. Mir fiel es leicht, auf die FFP2-Masken aus der Apotheke zu wechseln, auch wenn die modische Abstimmung auf das Resterscheinungsbild damit schwieriger wurde.
Auf unserem Flurschrank lag immer eine Packung mit frischen Masken herum, die unsere Kinder dann an sich nahmen und Gott weiß wo verschwinden ließen. In der kalten Jahreszeit verbrachte ich meine Morgenroutine also nicht nur mit der täglichen Suche nach Schal, Mütze und Regenschirm, es galt auch eine Maske ausfindig zu machen, die noch einen tragbaren Eindruck machte.
Und dabei wird es bleiben, auch nachdem die Maskenpflicht in dieser Woche im öffentlichen Personennahverkehr gefallen ist. Das liegt zum einen daran, dass ich beim Ablegen einmal angenommener Gewohnheiten sehr phlegmatisch bin. Um mir die Sucherei zu ersparen, trage ich seit einiger Zeit immer eine saubere Maske in meiner Jackentasche mit mir herum, die ich heraushole, wenn Tram oder S-Bahn einfahren.
Der andere Grund sind eben diese Fortbewegungsmittel, in denen seit der Sperrung der U2 und dem Ausfall des Nord-Süd-Tunnels Verhältnisse herrschen, wie ich sie in Städten wie Tokio, Mumbai oder Mexiko-Stadt während der Rushhour vermute. Nie in meinem Leben bin ich Menschen unfreiwillig derart nahe gekommen, und nie war ich so glücklich, dabei eine Maske im Gesicht zu haben.
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