Schönefeld. Beim Bau des Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld sind neue Betrugsvorwürfe laut geworden. Wie ein Flughafensprecher sagte, hat die Betreibergesellschaft FBB entschieden, „sämtliche seit Projektbeginn geleisteten Abschlags- und Nachtragszahlungen einer nochmaligen, gesamthaften Prüfung zu unterziehen“. Damit sollen „Überzahlungen einzelner Firmen ausgeschlossen werden“.
Die Anti-Korruptionsbeauftragte der Flughafengesellschaft, Elke Schaefer, geht laut einem Bericht der „Bild am Sonntag“ Hinweisen auf Betrug nach. So sollen sich BER-Führungskräfte gegenüber den Unternehmen Siemens, Bosch und der Telekom-Tochter T-Systems auffällig großzügig gezeigt und die Bezahlung überhöhter Rechnungen angewiesen haben.
Manager der Flughafengesellschaft hätten bis zur Absage des Eröffnungstermins Mitte 2012 fast jede Forderung der drei Firmen anstandslos bewilligt, heißt es unter Berufung auf einen internen Prüfbericht. So habe etwa Siemens 22 Millionen Euro erhalten, nachdem das Unternehmen wegen zusätzlicher Leistungen 22,9 Millionen Euro gefordert habe. Bei T-Systems zahlte die Flughafengesellschaft demnach 99 Prozent der Nachforderungen. Derart hohe Nachzahlungsquoten sind laut Juristen der Flughafengesellschaft „einmalig und verdächtig“, heißt es in dem Bericht. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu den Verdachtsfällen gibt es nach Informationen der Berliner Morgenpost bislang noch nicht.
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„Sollte sich Betrugsverdacht am #BER bestätigen, dürfte das ‘Terminband’ zur Eröffnung 2017 noch elastischer werden“, kommentierte der Landesvorsitzende der Berliner Grünen, Daniel Wesener, die jüngsten Vorgänge über den Kurznachrichtendienst Twitter.
Oliver Höfinghoff von den Piraten twitterte mit ironischem Unterton: „Völlig überraschend stehen Korruptionsvorwürfe gegen Management von #BER, Siemens, Telekom, etc. im Raum“.
Tatsächlich dürften die Vorwürfe BER-Kenner kaum überraschen. Beziehen sie sich doch auf die Jahre 2011 und 2012. Spätestens im Herbst 2011 war selbst der Flughafen-Geschäftsführung klar, dass die für den 3. Juni 2012 angekündigte BER-Eröffnung durch zahlreiche Baurückstände in Gefahr war. Die BER-Manager versuchten mit „Beschleunigungsprogrammen“ den bereits verkündeten Termin irgendwie zu retten.
„Die Firmen sollten so viel bauen, wie sie es irgendwie geht“, sagt Jutta Matuschek, die für die Linke im BER-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses sitzt, der Berliner Morgenpost. Dies habe der damalige BER-Projektleiter Joachim Korkaus bei seiner Befragung durch den Ausschuss erklärt. Korkhaus und Körtgen seien von der Annahme ausgegangen, dass sich in den Schlussrechnungen finanziell nachträglich alles klären lasse. Doch die Baufirmen machten aus den Forderungen „Anordnungen von Leistungen“. Dabei geht rechtlich die Verantwortung für Schäden oder Schlechtleistungen auf den Auftraggeber über, die Kostenerstellung liegt einzig beim den Firmen. Aus Matuscheks Sicht handelt es dabei um ein klares Steuerungsversagen, mit Hilfe dessen sich die beteiligten Firmen bei der FBB völlig losgelöst bedienen konnten.
Das Ergebnis des "Beschleunigungsprogramms" ist bekannt: Die BER-Inbetriebnahme musste drei Wochen vor dem Termin abgesagt werden. „Auch ein verzweifelter Endspurt, bei dem ungeplant und unkoordiniert die Eröffnung auf Biegen und Brechen doch noch möglich gemacht werden sollte, konnte die Blamage nicht mehr verhindern“, konstatierte der spätere Flughafenchef Hartmut Mehdorn im November 2014.
In den besonders neuralgischen Bereichen des BER tätig
Wie bei anderen Großprojekten auch reagieren Baufirmen auf die Wünsche der Bauherren nach mehr Bautempo in aller Regel mit „Nachträgen“, also mit Nachforderungen zur vereinbarten Auftragssumme. Die genannten Unternehmen waren - und sind noch - in den besonders neuralgischen Bereichen des BER tätig. Und zwar „Planung und Montage der Brandmeldeanlage“ (Bosch), Gebäudesteuerungsautomatik (Siemens) und Datentechnik (T-Systems). Nachträge sind also weder verwunderlich, noch illegitim.
Durchaus branchenüblich ist, dass Nachforderungen großzügig kalkuliert werden. Werden sie doch in aller Regel vom Auftraggeber nie ganz vollständig anerkannt. Das scheint zumindest im jüngsten Fall anders gewesen zu sein. Dass die finanziellen Forderungen fast komplett bezahlt werden, ist zumindest ungewöhnlich. „Da wurden offenbar nach dem Prinzip: Augen zu und durch gehandelt“, so ein BER-Insider.
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Die Flughafengesellschaft verweist darauf, dass Rechnungen und Nachträge in der fraglichen Zeit nicht von ihr selbst, sondern vom damaligen Generalplaner, der Projektgesellschaft bbi (pgbbi) geprüft und angewiesen wurden. In diesen Prozess sei auch der von der Flughafengesellschaft beauftragte Projektsteuerer WSP/CBP eingebunden.
Nach der Kündigung der pgbbi im Mai 2012 habe die FBB ein eigenes mehrstufiges Rechnungs- und Nachtragsprüfungssystem wiederum unter Einbeziehung des Projektsteuerer WSP/CBP aufgebaut, „das sämtliche Rechnungen und Nachträge sorgfältig und kritisch unter Wahrung des Vier-Augen-Prinzips prüft“. Dabei sind nun offenbar auch die zu großzügigen Zahlungen an die Firmen Siemens, Bosch und T-Systems aufgefallen.
Nicht der erste Fall
Beim Milliardenprojekt BER sind bereits mehrfach Betrugs- und Korruptionsfälle bekannt geworden. Besonders schwerwiegend ist der Fall von Jochen Großmann, der als Technikchef zeitweise hauptverantwortlich für die BER-Fertigstellung war. Das Amtsgericht Cottbus verurteilte den Ex-Manager im Oktober 2014 zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr, zudem muss er eine Geldauflage von 200.000 Euro zahlen. Für Aufsehen sorgte auch der Fall eines Baubereichsleiters, der 2012 von der Gebäudetechnikfirma Imtech Schmiergeld genommen haben soll, um im Gegenzug Abschlagszahlungen in Millionenhöhe anzuweisen. Das niederländische Unternehmen hat wie auch dessen deutsche Tochter vor Kurzem Insolvenz angemeldet, das Geld könnte endgültig verloren sein.