Pannen-Flughafen

Kein einziger BER-Anwohner hat ausreichenden Schallschutz

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Gudrun Mallwitz

Foto: Patrick Pleul / dpa

Rund um den Hauptstadtflughafen BER haben 25.500 Haushalte Anspruch auf Schallschutz: auf dämmende Fenster und Lüfter. Doch bislang hat kein Anrainer das dafür notwendige Geld erhalten.

So richtig begeistert sehen die Vertreter der Flughafengesellschaft nicht aus. Brandenburgs Finanzminister Christian Görke will sich im Beratungszentrum auf dem derzeitigen Flughafen Schönefeld informieren, wie weit der Schallschutz am BER mittlerweile umgesetzt ist.

Der Spitzenkandidat der Linken macht das knapp vier Wochen vor der Landtagswahl in Brandenburg – in Begleitung von rund 25 Journalisten. „Nein, das ist nicht Wahlkampf, das ist ein Termin als Finanzminister und als Mitglied des Aufsichtsrats“, sagt Görke. „Der BER ist kein Bringerthema.“

Kein Wahlkampftermin. Weshalb aber steht dann der Potsdamer Linke-Chef Sascha Krämer an einer Weggabelung auf dem weitläufigen Gelände, um die Journalisten zur „Villa Henschel“ zu lotsen? Dort bietet die Flughafengesellschaft regelmäßig eine Bürgersprechstunde an, hier findet Görkes Gespräch mit Vertretern der Flughafengesellschaft statt.

Ursprünglich war der Termin in einem Gebäude auf dem Gelände des noch nicht fertigen Flughafens BER geplant, doch die Flughafengesellschaft änderte den Ort kurzfristig. In der Backstein-Villa wird der Minister in einen kleinen Raum geführt. Ein Konferenztisch, ein paar Stühle, das war’s.

„Ich biete gern meinen Stuhl an“, sagt Görke, peinlich berührt. Die meisten von ihm zuvor eingeladenen Journalisten und Kamerateams müssen stehen. So richtig willkommen kann sich der Minister mit dem Pressetross nicht fühlen.

Erst 62,2 Millionen Euro geflossen

Etwa 25.500 Haushalte haben im Umkreis von 127 Quadratkilometern um den neuen Hauptstadtflughafen BER einen Anspruch auf Schallschutz, aber nur wenige Häuser und Wohnungen wurden bislang mit dämmenden Fenstern, Lüftern und anderen Schutzmaßnahmen ausgestattet. Laut Flughafengesellschaft FBB bekamen bisher 7400 von 19.100 Antragstellern einen Bescheid. Das sind knapp 40 Prozent. Sie können nun Handwerker mit den Arbeiten am Haus beauftragen. Bislang ist noch kein einziges Gebäude ausreichend mit Schallschutzfenstern geschützt, kein Anrainer hat dafür das nötige Geld erhalten, wie aus dem jüngsten Monatsbericht der FBB hervorgeht.

Schon bei einer der ersten Fragen Görkes wird klar, dass der Linke-Politiker Druck machen will: „Schaffen Sie das denn, die Anwohner rechtzeitig zur Eröffnung des Flughafens zu schützen?“ Für die Umsetzung des Schallschutzprogramms seien bis 13. August erst 62,2 Millionen Euro geflossen, insgesamt sind 730 Millionen Euro nötig. „Da ist noch Luft, oder?“, sagt Görke. „Ja, da ist noch Luft“, gesteht Ralf Wagner, Leiter der Abteilung Schallschutz bei der Flughafengesellschaft.

„Der Zeitplan ist aber sehr ambitioniert“

Knapp wird die Zeit vor allem, wenn die Südbahn auf dem BER-Gelände im nächsten Frühjahr – schon vor der weiterhin noch nicht terminierten Eröffnung des Hauptstadtflughafens – in Betrieb genommen werden soll. Flughafenchef Hartmut Mehdorn will sie laut Antrag ab 29. März 2015 so lange nutzen, bis die alte Nordbahn auf dem derzeitigen Flughafen Schönefeld saniert ist. Die alte Piste ist für Starts und Landungen auf dem BER vorgesehen. Laut FBB sind erst für 408 der 4396 anspruchsberechtigten Haushalte im Bereich der Südbahn die Bewilligungen für Schallschutz erteilt.

Der Betrieb der neuen Südbahn wird aber nur genehmigt, wenn ein halbes Jahr vor dem Start alle Bescheide für den Schallschutz vorliegen. „Wir wollen bis Ende September die Anspruchsermittlungen im Bereich der Südbahn verschickt haben“, kündigt Abteilungsleiter Wagner an. „Das Ziel ist unserer Ansicht nach zu erreichen. Der Zeitplan ist aber sehr ambitioniert.“

Bis Ende 2015 Bescheide verschickt

Bis Ende 2015 würden dann die Schallschutz-Bescheide für alle vom BER-Flugbetrieb betroffenen Haushalte verschickt. „Das wird eine große Aufgabe“, sagt der Minister. „Vor allem, dass dieser dann genehmigte Schallschutz dann auch realisiert wird.“ Er fügt hinzu: „Ich drücke Ihnen die Daumen.“

Bei dem Termin ist auch der Schallschutzbeauftragte des Flughafens, Peter Lehmann, da. Er sagt: „Wir konnten inzwischen den Vertrauensverlust wieder ein bisschen gutmachen.“ Ursprünglich sollten die Anwohner mit zu billigem Schallschutz abgespeist werden. Die Flughafengesellschaft bewilligte Schallschutzfenster mit einem sechsfach niedrigerem Standard, als es der Planfeststellungsbeschluss vorsah. Das Oberverwaltungsgericht zwang sie, den Schallschutz deutlich zu verbessern.

Für die Grünen in Brandenburg ist das Engagement Görkes nicht glaubwürdig. Fraktionschef Axel Vogel kritisiert: „Immerhin war es die rot-rote Landesregierung, die jahrelang untätig zugesehen hat, wie die Flughafengesellschaft die BER-Anrainer mit Billigschallschutz abspeisen wollte.“