Klaus-Peter Siegloch spricht mit der Berliner Morgenpost über Schadenersatz und die schwierige Suche nach einem Flughafenchef für den BER.
Der Präsident des Bundesverbands der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Klaus-Peter Siegloch, rechnet mit deutlich höheren Investitionen in den Flughafen Tegel als derzeit vom Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft geplant. Diese will höchstens 20 Millionen Euro in die Sanierung des innerstädtischen Airports stecken.
Siegloch bezeichnete dies im Gespräch mit der Berliner Morgenpost als „absolute Untergrenze“. Vor allem die Gepäckausgabe und sanitären Anlagen müssten dringend aufgebessert werden. Er ist skeptisch, ob dieser Betrag wirklich reichen wird. „Zumal es ganz danach aussieht, als ob Tegel noch mindestens zwei Jahre durchhalten muss.“
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Siegloch vertritt die Interessen der Luftverkehrsbetriebe in Deutschland. Ihnen sei durch die verschobene BER-Eröffnung voraussichtlich ein Schaden in dreistelliger Millionenhöhe entstanden, sagte der BDL-Präsident weiter. Diesen werden sie auch bei der Flughafengesellschaft geltend machen.
Beim Nachtflugverbot will er Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nicht entgegenkommen. Platzeck hatte überraschend angekündigt, sich für mehr Nachtruhe am BER einsetzen zu wollen. „Die für den BER vorgesehenen Flugzeiten sind bereits ein Kompromiss", sagte Siegloch dagegen.
Berliner Morgenpost: Herr Siegloch, wann sind Sie zuletzt am Flughafen Tegel gestartet oder gelandet?
Klaus-Peter Siegloch: Das war erst vor zwei Tagen.
Ging alles gut?
Es lief einwandfrei. Da ich fast immer mit Handgepäck reise, ging es auch diesmal schnell.
Dann ist Tegel doch kein so schlechter Hauptstadtflughafen?
Wenn man in der Welt herumgekommen ist, findet man Tegel verglichen mit anderen Hauptstadtflughäfen eher niedlich. Das ist natürlich praktisch, da die Wege für die Passagiere kurz sind. Aber der Allgemeinzustand von Tegel ist einer Weltstadt nicht würdig.
Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft will bis zu 20 Millionen Euro in die Sanierung von Tegel investieren. Genügt das?
Das ist die absolute Untergrenze. Vor allem die Gepäckausgabe und sanitären Anlagen müssen dringend aufgebessert werden. Ich bin skeptisch, ob dieser Betrag wirklich reichen wird. Zumal es ganz danach aussieht, als ob Tegel noch mindestens zwei Jahre durchhalten muss.
Für die Anwohner von Tegel wäre es eine große Entlastung, wenn die Airlines bestimmte Flüge nach Schönefeld verlagern würden. Stattdessen hat etwa die Lufthansa zusätzliche Maschinen in Tegel stationiert.
Das hat auch einen guten Grund. Die Lufthansa-Tochter Germanwings übernimmt im sogenannten Direktverkehr wie etwa zwischen Hamburg und Köln die Flüge. Sie ist seit kurzem viel stärker in das Streckennetz integriert. Den Passagieren kann man nicht zumuten, in Tegel zu landen und dann zum Weiterflug nach Schönefeld zu fahren. Das Streckennetz muss zusammenpassen, sonst funktionieren die Abläufe nicht. Aus dem Grund braucht Berlin ja auch so dringend den neuen Großflughafen BER.
Könnte man die Airlines mit deutlich niedrigeren Gebühren nach Schönefeld locken?
Ich glaube nicht, dass das Erfolg haben würde. Selbst Airlines mit einem kleinen Streckenangebot in Berlin sind meist in Luftfahrtallianzen organisiert. Da ergibt sich dasselbe Problem.
Vielleicht löst sich das Problem auch von selbst. Der BER-Technikchef Horst Amann geht davon aus, dass sich die Zahl der Passagiere in Berlin bei 25 Millionen im Jahr einpendeln wird und das Wachstum vorerst gestoppt ist.
Das wird sich zeigen, denn Touristen und Geschäftsreisende kommen weiter gern nach Berlin. Solange sich daran nichts ändert, wird auch der Luftverkehr hier wachsen.
Wie stark wirft die Terminverschiebung den BER gegenüber anderen Flughäfen zurück?
Wenn der tägliche Betrieb gut funktioniert, wird der BER schnell angenommen werden.
Dann schrecken der provisorische Zustand in Tegel und die anhaltenden Terminverschiebungen die Airlines nicht ab? Die Lufthansa etwa hat eben angekündigt, ihr Angebot in Berlin verringern zu wollen.
Airlines fliegen einen Standort nicht an, weil er ihnen gut gefällt, sondern weil sie dort ein Geschäft machen. Der BER wird nach seiner Eröffnung ein erfolgreiches Drehkreuz werden, wenn dort alles rund läuft.
Welcher Schaden entsteht den Fluggesellschaften wegen der verspäteten BER-Eröffnung?
Das lässt sich derzeit noch nicht endgültig abschätzen. Am Ende dürfte durchaus ein dreistelliger Millionenbetrag herauskommen.
Die Flughafengesellschaft bestreitet, dass die Airlines überhaupt einen Anspruch auf Schadenersatz haben.
Da haben die Airlines und der Flughafen unterschiedliche Rechtspositionen. Aus dem Grund lässt die Air Berlin derzeit auch in einer Feststellungsklage prüfen, ob sie den entstandenen Schaden geltend machen kann.
Werden außer Lufthansa und Air Berlin noch weitere Fluggesellschaften ihren entstandenen Schaden einfordern?
Sollte die Air Berlin mit ihrer Klage Erfolg haben, gehe ich fest davon aus, dass andere Airlines ihre Ansprüche prüfen.
Manche sorgen sich, dass die Zukunft der Air Berlin wegen der verspäteten BER-Eröffnung gefährdet ist.
Sie ist sicher am stärksten davon betroffen, da sie in Berlin ein Drehkreuz aufbauen will. Die Airline hat ihre Abläufe so geplant, dass die Passagiere in kurzer Zeit umsteigen und weiterfliegen. Das ist in Tegel schwer möglich. Das bedeutet zwangsläufig weniger Umsatz. Zudem wird die Airline mit einer Luftverkehrssteuer in Höhe von über 160 Millionen Euro pro Jahr belastet.
Was war der Hauptfehler beim Bau des neuen Hauptstadtflughafens?
Ich habe den Eindruck, dass ganz am Anfang Fehler gemacht wurden. So ist zunächst nicht offen genug diskutiert worden, wie teuer das Projekt werden könnte. Zudem rächt sich, dass kein Generalunternehmer beauftragt wurde. Eine Lehre ist sicherlich, dass man bei solchen Großprojekten die Öffentlichkeit besser über die Hintergründe von Entscheidungen informieren muss. Dann ist man hinterher vor bösen Überraschungen sicher.
Die Gesellschafter tun sich schwer, einen neuen Flughafenchef zu finden. Wie schlimm wirkt sich das aus?
Ich glaube nicht, dass das derzeit das zentrale Problem ist. Der Betrieb in Tegel läuft erstaunlich rund, da dort eine eingespielte Truppe arbeitet. Und der Bau ist bei Horst Amann in guten Händen. Allerdings braucht die Flughafengesellschaft jemanden, der die gesamte Gruppe führen kann und den Überblick über die Finanzen hat. Zudem muss er noch einen guten Draht zu den drei politischen Gesellschaftern haben. So jemanden findet man nicht leicht.
Kann es auch daran liegen, dass sich die Gesellschafter nicht wirklich einig sind? Sogar beim Amtsantritt des neuen Chefberaters Wilhelm Bender gibt es schon wieder Ärger.
Der Chef der Berliner Flughafengesellschaft steht von Anfang an im politischen Brennpunkt. Er muss ein in großen Schwierigkeiten befindliches Projekt zu einem Erfolg machen. Ein sehr verantwortungsvoller Job, bei dem dann auch die Bezahlung stimmen muss.
Wäre Technikchef Horst Amann ein geeigneter Kandidat?
Meines Wissens hat er sich nicht dafür beworben. Ich schätze ihn sehr. Ob er das Amt anstrebt, kann ich nicht sagen.