BER-Debakel

Eklat im Bundestag – Ausschuss bricht BER-Sitzung ab

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Viktoria Solms

Klaus Wowereit und Matthias Platzeck kamen erst gar nicht – und Verkehrsminister Ramsauer stand plötzlich unter Beschuss.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wehrt sich gegen den Verdacht, im Zusammenhang mit dem Flughafen BER die anderen Gesellschafter vorzuführen. Seit Tagen hält sich das Gerücht, Technikchef Horst Amann habe den Bund am 19. Dezember 2012 und damit früher als die anderen Gesellschafter über die erneute Termin-Absage informiert. Zudem hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt, Ramsauer habe „allem Anschein nach“ die Öffentlichkeit getäuscht. Die Rolle des Ministers in der Flughafen-Affäre erscheine dann in neuem Licht, so Gabriel.

„Ich weise die Unterstellung, ich hätte irgendetwas früher gewusst, in aller Deutlichkeit zurück“, sagte Ramsauer dem Haushaltsausschuss des Bundestages. Gabriel sei „einer absoluten Fehlspekulation aufgesessen“, so der Verkehrsminister. Ramsauer sagte den Abgeordneten, dass er von der Terminabsage erst seit dem 6. Januar wisse. Bei besagtem Gespräch mit Technikchef Amann im Dezember habe es keine neuen Erkenntnisse gegeben. „Es ist unsinnig, dass man da irgendwelche parteipolitischen Süppchen daraus kocht“, sagte Ramsauer. Damit ist der Streit über den neuen Hauptstadtflughafen in der Bundespolitik und damit auch im niedersächsischen Wahlkampf angekommen.

Der Haushaltsausschuss war wegen der Vorgänge am BER kurzfristig zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Das Treffen wurde, wiederum auf Drängen von Union und FDP, aber nach nur einer Stunde abgebrochen, weil die Regierungschefs von Berlin und Brandenburg, Klaus Wowereit und Matthias Platzeck (beide SPD) trotz Einladung nicht erschienen waren. Vertreter der schwarz-gelben Koalition und der Grünen kritisierten bei der Sondersitzung des Ausschusses, dass Platzeck und Wowereit abgesagt hätten. Dies sei angesichts der massiven Probleme und der erwarteten Mehrkosten für das Projekt eine Missachtung des Ausschusses.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte: „Ich weiß nicht, was Herr Wowereit gemacht hat – ob er die Fashion Week eröffnet hat oder was auch immer.“ Wenn man viel Geld vom Steuerzahler haben wolle, „müsse man auch zu den Haushaltsausschussberatungen kommen und dort Rede und Antwort stehen – zumal wenn man ein solches misslungenes Vorhaben zu vertreten hat“. Wowereits Sprecher Richard Meng verwies auf Terminprobleme, da in Berlin und Brandenburg „Kabinettssitzungen waren und der Tag unter der Vorbereitung der Aufsichtsratssitzung steht“. Zudem sei „für die Information des Bundestagsausschusses die Bundesregierung zuständig“.

Platzecks Regierungssprecher Thomas Braune nannte den Abbruch der Ausschusssitzung auf Anfrage der Berliner Morgenpost einen „inszenierten Eklat“. Dem Haushaltsausschuss des Bundestages sei unverzüglich nach Eingang der Einladung am gestrigen Montag mitgeteilt worden, dass sich die Brandenburgische Landesregierung am heutigen Dienstag zu einer auswärtigen Kabinettsitzung in der Prignitz aufhält, sagte der Regierungssprecher. „Der Ministerpräsident steht selbstverständlich auch den Mitgliedern des Bundestages Rede und Antwort. Das zeigt auch seine Zusage zum Verkehrsausschuss am Donnerstag.“

Wowereit dachte an Rücktritt

Klaus Wowereit bekräftigte unterdessen seinen Willen, im Amt zu bleiben. Auch nach der Niedersachsen-Wahl werde er als Regierender Bürgermeister nicht zurücktreten, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Auf die Frage, ob er noch Regierender Bürgermeister sein werde, wenn der Flughafen eröffnet wird, sagte er: „Das will ich hoffen.“ Wowereit gestand auch ein, am vorletzten Wochenende über einen Rücktritt nachgedacht zu haben. Er sei in sich gegangen, sagte Wowereit, und habe geprüft, „ob ich meine Funktionen weiter wahrnehmen kann“. Er habe aber „keinen Zweifel daran gehabt, dass die große Koalition hinter mir als Regierendem Bürgermeister und hinter meiner Regierung steht“.

Amann bestätigte die Darstellung Ramsauers. Er habe Ramsauer am 19. Dezember kurz über den damals aktuellen Stand des Projekts informiert, aber nicht den Eröffnungstermin abgesagt. Diese Notwendigkeit sei erst anschließend deutlich geworden. „Das habe ich den Gesellschaftern am 4.1.2013 mitgeteilt“, sagte Amann. Für die Grünen im Bundestag ist die Angelegenheit damit nicht abgeschlossen. Sie wollen vom Minister bei der Fragestunde im Plenum heute dazu Auskunft verlangen.

Der Bund hält 26 Prozent der Anteile der Flughafengesellschaft, den Rest teilen sich Berlin und Brandenburg. Doch während Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) wegen der mittlerweile vierten Terminabsage in Kritik stehen, hat sich der Bund als Aufklärer des BER-Debakels positioniert. So hat Ramsauer im Sommer eine eigene Soko-BER geschaffen, die sich um die Aufklärung der Vorgänge am BER bemüht. Das sorgt in den Reihen der beiden anderen Gesellschafter teilweise für Unmut.

Flughafenchef Rainer Schwarz soll abgelöst werden

Dabei gibt es bei der Aufsichtsratssitzung am heutigen Mittwoch ohnehin schon genügend wichtige Angelegenheiten zu klären. So soll unter anderen Flughafenchef Rainer Schwarz abgelöst werden. Zuletzt hatte sich vor allem Berlin dagegen gewehrt. Doch angesichts der immer neuen Mängel am BER ist der schon seit Monaten umstrittene Flughafenchef wohl nicht mehr zu halten. Zudem soll der Vorsitz des Aufsichtsrats von Klaus Wowereit an Matthias Platzeck übergehen. Ob dies tatsächlich eine dauerhafte Lösung ist oder ob Platzeck den Posten nach einer Übergangszeit an einen externen Sachverständigen abgibt, ist unklar.

Politiker wie der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann warnten davor, den Vorsitz einfach hin und her zu schieben. Kein Regierungschef habe neben seinen Amtsgeschäften genügend Zeit für solch ein wichtiges Projekt, sagte Wellmann. Er forderte einen „erfahrenen und durchsetzungsstarken Topmanager aus der Wirtschaft“ für die Spitze des Aufsichtsrats.

Mängel am BER betreffen nicht nur die Brandschutzanlage

In diesem Zusammenhang wird vermutlich die gesamte Gesellschaftsstruktur neu aufgestellt. Das betrifft auch den Aufsichtsrat. So wird darüber spekuliert, ob Brandenburg im Gegenzug für den Aufsichtsratsvorsitz möglicherweise die Leitung eines Ausschusses abgeben muss. Bislang leiten Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) den Finanzausschuss des Kontrollgremiums und Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) den Projektausschuss. Die Geschäftsführung soll dagegen um einen Finanzvorstand erweitert werden. Es gilt mittlerweile als grobes Versäumnis, dass es für die Kostenrechnung keinen eigenen Geschäftsführer gab. Einen neuen Termin wird es nicht geben. Allerdings wird Horst Amann dem Aufsichtsrat erklären müssen, wie er zu seiner Einschätzung kam. Zumal die Mängel am BER nun nicht mehr nur die Brandschutzanlage betreffen. Das geht aus dem aktuellen Sachstandsbericht hervor, welcher der Berliner Morgenpost vorliegt.

Die für Juni 2012 geplante Eröffnung war offiziell wegen gravierender Probleme beim Brandschutz abgesagt worden. Doch der seit August amtierende Technikchef Amann stieß bei seiner Bestandsaufnahme auf weitere Schwachstellen. Durch intensive Analysen seien „weitere gravierende Defizite und Mängel im Projekt mit ihren Ursachen und Bedingungen in der Vergangenheit aufgezeigt“ worden. Dazu zählen unter anderem falsch verlegte Kabel oder Rohre, die zu nah beisammenliegen. Darauf stieß Amann erst, als er Wände und Decken öffnen ließ. Was er dabei sah, muss ihn an dem gesamten Bau zweifeln haben lassen, die Zustände bezeichnete er unmittelbar nach der nunmehr vierten Terminabsage als „gravierend, fast grauenhaft“. Offenbar will er nicht ausschließen, dass seine Leute auf noch mehr Mängel stoßen würden, wenn sie nun hinter jede bereits verputzte Wand des Flughafens blicken.

Mängel füllen Aktenordner

Amann schließt deshalb auch nicht mehr aus, dass der BER möglicherweise komplett auf den ursprünglichen Genehmigungszustand umgebaut werden muss. „Daher ist eine zeitnahe Benennung eines neuen IBN- (Anmerkung der Redaktion: Inbetriebnahme) Termins nicht möglich“, heißt es in der Unterlage. So lange ließe sich auch keine Aussage zu den Kosten machen.

Bei der für den BER zuständigen Genehmigungsbehörde sind bislang rund 300 Änderungsanträge eingegangen. Der zuständige Landrat von Dahme-Spreewald, Stephan Loge (SPD), vermisst seit Langem eine intensive Zusammenarbeit mit dem Bauherren. „Einiges lief nicht so, wie es sein sollte“, sagte Loge. Mit der Neuordnung des Aufsichtsrates an diesem Mittwoch erhoffe er sich auch eine transparentere Zusammenarbeit mit der Flughafengesellschaft. Staatlich bestellte Prüfsachverständige würden üblicherweise der Baubehörde das Freigabeprotokoll übergeben. Diese zeichne dann endgültig ab. „Doch in den vergangenen Monaten kam nichts“, sagte der Landrat. Es sei offenbar nichts fertig gewesen.

Im Gegenteil: Die Mängel füllen ganze Aktenordner. „Wenn anders gebaut als geplant wird, darf man sich nicht wundern, wenn es am Ende keine Genehmigung gibt.“ Er hofft, dass in den in den kommenden Monaten wieder mehr Unterlagen eingehen. Stichprobenartig werde dann auf der Baustelle kontrolliert.

( Mitarbeit: Gudrun Mallwitz )