Selten zuvor gab sich Matthias Platzeck so entschlossen. Der brandenburgische Ministerpräsident scheint an der Spitze des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft zu Ende bringen zu wollen, was unter seinem Berliner Länderchef-Kollegen und SPD-Parteifreund Klaus Wowereit nicht gelungen ist: den Pannen-Airport BER startklar machen. „Immerhin handelt es sich um das wichtigste Infrastrukturprojekt“, gab Platzeck zu Protokoll – da wolle er sich „nicht wegducken“.
Ehe sich Platzeck aber an die Spitze des Aufsichtsrats wählen lässt, stellt er nächsten Montag bei einer Sondersitzung im Landtag erst mal die Vertrauensfrage als Ministerpräsident. SPD und Linke rechnen damit, dass die rot-rote Koalition weitgehend geschlossen auftritt. Die Mehrheit, heißt es, dürfte stehen, auch wenn es einige Abweichler bei der geheimen Abstimmung geben könnte. Doch so eindeutig ist die Lage vor allem bei der Linken nicht. Beim kleineren Regierungspartner rumort es.
Auch Landtagsabgeordnete beklagen, die Linke-Führung setze sich gegenüber Platzecks SPD zu wenig durch. Erwartet wird von Fraktionschef Christian Görke, dass er für die Linke im Gegenzug für Platzecks Unterstützung Zugeständnisse herausholt – vor allem beim Streit über das Nachtflugverbot nach Eröffnung des Hauptstadtflughafens, wann auch immer sie sein wird. Zumindest vor den eigenen Parteigremien hat Platzeck bereits deutlich gemacht, dem Koalitionspartner stünde es nicht zu, in der Situation Forderungen aufzumachen. Die SPD werde sich nicht erpressen lassen. Notfalls gebe es eben Neuwahlen, so Platzeck vor dem Landesvorstand.
Bei der Nachtflugregelung könnte sich noch etwas bewegen
Dennoch könnte sich bei der Nachtflugregelung noch etwas bewegen. Der Koalitionsausschuss der Spitzen von SPD und Linker tagte am Montagabend bis nach Mitternacht. Auch zum Thema Nachtflug. Bisher ist geplant, dass zwischen Mitternacht und fünf Uhr regulär keine Flugzeuge fliegen dürfen. Wie es heißt, könnte nach der ersten erfolgreichen Volksinitiative für ein striktes Nachtflugverbot die Linke nun doch noch einen Kompromiss durchsetzen: etwa dass die Nachtruhe auf die Zeit von 23.30 Uhr bis 5.30 Uhr ausgedehnt wird, also eine Stunde länger als derzeit vorgesehen.
Die Opposition von CDU, FDP und Grünen hat bereits angekündigt, Platzeck das Vertrauen zu verweigern. Nach der Union fordern nach dem erneut geplatzten BER-Eröffnungstermin am 27. Oktober 2013 auch die Bündnisgrünen im Landtag seinen Rücktritt als Ministerpräsident. „Wir haben den Eindruck gewonnen, dass Platzeck nicht mehr in der Lage ist, Schaden vom Land abzuwenden“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. SPD und Linke haben zusammen 55 Abgeordnete, die Opposition kommt auf 33 Sitze.
Doch auch wenn Platzeck die Vertrauensfrage übersteht, ist dies keine Garantie dafür, noch lange regieren zu können. Denn nur auf den ersten Blick vollzieht sich mit Wowereits Rückzug von der Spitze des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft ein bloßes Stühlerücken. Fakt ist: Mit der Übernahme des Vorsitzes setzt Platzeck jetzt auch seine Zukunft als Ministerpräsident aufs Spiel. Bislang war es ihm in dem Debakel um die mehrmals verschobene Eröffnung des neuen Flughafens BER geschickt gelungen, sich aus der Schusslinie zu halten. Obwohl er als Wowereits Vize im Aufsichtsrat ebenso Verantwortung für den Fehlstart trägt.
„Mein Schicksal ist jetzt eng an den Flughafen geknüpft“
Angeblich hat er sich die Entscheidung gut überlegt, nach vorne zu rücken. „Mein Schicksal“, so sagt er, „ist jetzt eng an das des Flughafens geknüpft.“ Wohl war. Platzeck ist bleich und angespannt, als er dies verkündet. Ein wenig erinnert die Situation an den Herbst 2005. Damals sah Platzeck sich in der Pflicht, den SPD-Bundesvorsitz zu übernehmen. Franz Müntefering hatte den Parteivorsitz hingeworfen. Überfordert von der Ämterhäufung, zerrieben zwischen seinen Aufgaben in Potsdam und Berlin, gab der Brandenburger SPD-Chef Platzeck nach nur fünf Monaten nach einem Hörsturz und Kreislaufzusammenbruch den Vorsitz wieder ab. Er hatte seine Belastbarkeit überschätzt.
Sieben Jahre sind seither vergangen, und Platzeck, inzwischen 59, ist gesundheitlich wieder so fit, dass er sich zu seinem Amt als Regierungschef eine so komplizierte Zusatzaufgabe zutraut. In der SPD hat sein Entschluss Bewunderung, aber auch Nervosität ausgelöst. Mit Platzeck erhoffen sich die Sozialdemokraten, das Chaos um den BER endlich zu ordnen. Indem der Brandenburger die Führung übernimmt, habe er deutlich mehr Einfluss auf das Krisenmanagement, heißt es. Und sie trauen ihm da einiges zu: Als Brandenburgs Umweltminister hatte er 1997 für seinen Einsatz beim Kampf gegen das Oder-Hochwasser den Beinamen „Deichgraf“ erhalten.
Platzecks internes Ziel ist es laut SPD-Strategen, den Flughafen vor der Landtagswahl im Herbst 2014 zu eröffnen. Offiziell will er aber kein Datum mehr nennen. SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher baute am Dienstag schon mal vor: „Es gibt nicht die geringste Gewähr, dass der Flughafen 2014 eröffnen kann.“