Parallel zu der Aufgabe, Berlins neuen Flughafen BER wie geplant am 27. Oktober 2013 zu eröffnen, müssen die Manager einen weiteren Kraftakt bewältigen: Es wird überaus schwierig nach dem Start des neuen Flughafens am BER einen geregelten Betrieb sicher zu stellen.
Selbst wenn alles gut läuft, ist Berlins neues Tor zur Welt von einem optimalen Dienstleistungsniveau weit entfernt. Mehr als oberes Mittelmaß bei der Länge der Schlangen, der Wartezeiten und der Sicherheit, sein Gepäck zeitnah auf den Bändern zu finden, wird Berlin nicht erreichen. Das alles geht aus der Untersuchung hervor, die die Experten des Aachener Airport Research Center im Auftrag der Flughafengesellschaft im Dezember erstellt haben.
Nur Service-Level C erreichbar
Flughafenchef Rainer Schwarz ließ sich damit erstmals bestätigen, was unabhängige Experten schon lange warnend äußerten: Die Kapazitäten am neuen BER sind auf Kante genäht, vor allem bei den für den Flughafenbetrieb essenziellen Systemen Check-In, Sicherheitskontrolle und Gepäckausgabe.
Der Flughafen wies nach Bekanntwerden der Studie jedoch auch darauf hin, die Gutachter hätten bescheinigt, dass in der Wintersaison 2013/2014 – der ersten nach der angepeilten Eröffnung im Oktober 2013 – die Kapazitäten ausreichten. Das stimmt so, doch gleichzeitig haben diese eine „Prämisse“ formuliert: Die Abfertigungsressourcen reichten nur bei einer „aktiven Kontrolle und Steuerung“ aus. Dadurch sei aber auch nur das „Level of Service“ C erreichbar. Das ist nach den Richtlinien der Internationalen Luftfahrtorganisation IATA das niedrigste Niveau, bei dem der Betriebsablauf noch stabil und die Dimension der Verspätungen noch akzeptabel ist.
Um das zu erreichen, muss die Flughafengesellschaft nach dem Fazit der Gutachter entsprechende Voraussetzungen schaffen –in Form von Personal, Betriebskonzepten, Verträgen mit Dienstleistern über das zu erreichende Service-Niveau und eventuell auch über unterstützende technische Systeme. Diese seien „zwingend abzustimmen und bereit zu stellen“, heißt es im Fazit der Studie.
Mit den Abfertigern müssten Verträge geschlossen werden, die Wartezeiten von maximal zehn Minuten vor den Check-In-Schaltern sichern. Dortige Warteschlangen und am Sicherheitscheck sollten „dynamisch“ gemanagt werden. An den Gepäckbändern müsse es einen speziellen Dienst geben, der Koffer von den Bändern nimmt, wenn Passagiere etwa durch längere Wartezeiten an der Passkontrolle später eintreffen. Sollte ein einziges der acht Gepäckbänder ausfallen, könnte ein „System-Break“ nicht ausgeschlossen werden.
Größere Passagierzahlen bedeuten größere Probleme
Die Gutachter von ARC gehen nicht der Frage nach, ob denn die Systeme auch dann noch funktionieren, wenn die Passagierzahlen weiter steigen, wie das von der Flughafengesellschaft und der Berliner Politik angestrebt wird. 2012 wurden 25 Millionen Passagiere durch die Airports von Tegel und Schönefeld geschleust. Bei einem Wachstum von fünf Prozent, das Berlin in den vergangenen Jahren stets erreicht hat, wären es Ende 2013 schon 26,3 und 2014 schon fast 28 Millionen. Offiziell soll der BER mit einer Kapazität von 27 Millionen Passagieren pro Jahr eröffnen.
Die Warnungen der Gutachter sind deutlich: „Die Anzahl an Gepäckausgabebändern ist für die Verkehrslast in der Wintersaison 2013 nur eingeschränkt ausreichend, da keine Systemreserven zur Verfügung stehen“, heißt es da. Oder: „Die Anzahl der Sicherheitskontrollspuren ist nur bei gleichzeitiger Ausbalancierung der vier Sicherheitskontrollbereiche ausreichend“.
„Zwingend“ müssten die bisher für die Großkunden Lufthansa, Air Berlin und Easy Jet vorgesehenen Check-In- Schalter reduziert und diese auch anderen Airlines bereit gestellt werden. Air Berlin soll mindestens vier seiner bisher 24 Schalter abgeben, Lufthansa zwei von 16 und Easyjet zwei von zwölf. Die Lufthansa hat das bereits abgelehnt. Die Premium-Airline ist bestrebt, ihren Passagieren einen besseren Service zu bieten als die Billigflieger nebenan.
Opposition fordert Konsequenzen
Die Opposition in den Landesparlamenten in Berlin und Potsdam zeigte sich erschüttert, dass nun auch flughafen-interne Gutachten die von außen vielfach angemahnten Kapazitätsprobleme bestätigen. „Es ist keine gute Nachricht, dass wir mit viel Geld einen Flughafen eröffnen, der nicht richtig funktioniert“, sagt die Fraktionschefin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Ramona Pop.
Es sei ein Fehler gewesen, bei der Planung nicht auf einen Flughafen zu setzen, der nach Bedarf und ohne größeren Aufwand modulartig erweitert werden könne. Pop zeigt sich offen für den Vorschlag des Flughafenexperten Dieter Faulenbach da Costa, zunächst den alten Terminal von Schönefeld für die Billigflieger weiter zu nutzen, um die Systeme am Hauptterminal um fünf Millionen Passagiere zu entlasten.
Die Brandenburger CDU geht noch weiter. Sie kritisiert das Konzept des Single-Airports schon lange –und fordert nun umso vehementer den Bau eines weiteren Flughafens. „Die Planungsbehörden in Brandenburg sollten dafür möglichst schnell die Voraussetzungen schaffen“, sagt der CDU-Fraktionschef im Landtag, Dieter Dombrowski.
„Nur so ist das vorhergesagte wirtschaftliche Wachstum möglich“ Errichtet werden soll der Zusatz-Airport durch private Investoren. „Auf keinen Fall mehr durch die öffentliche Hand“, sagt Dombrowski. Einen Standort nennt die Union nicht. Er nennt es „unverantwortlich“, den BER mit der geplanten Kapazität zu eröffnen. Er sagt: „Die Politisch Verantwortlichen müssen endlich in der Realität ankommen.“