Flughafen

Chaos beim Check-In am Flughafen BER befürchtet

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Jens Anker, Markus Falkner und Gudrun Mallwitz

Eine neue Studie sorgt für weiteren Wirbel. Angeblich wird der Airport nicht nur der unpünktlichste, sondern auch der engste Deutschlands.

Dem neuen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld drohen schon kurz nach seiner Eröffnung Kapazitäts-Engpässe. Bereits im November hatte der Flughafen-Experte Dieter Faulenbach da Costa vor einem Chaos gewarnt, weil Check-In-Schalter und Gepäckbänder fehlen. Jetzt bestätigt eine Studie im Auftrag der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) offenbar zumindest in Teilen seine Einschätzung. Die FBB wollte diese Erkenntnisse des Aachener Beratungsfirma „Airport Research Center“ (ARC) am Freitag aber nicht bestätigen.

Die wesentliche Erkenntnis der Studie laute, dass die Anzahl der Check-In-Schalter für die Verkehrslast der Wintersaison 2013 ausreichend sei, teilte das Unternehmen mit. Auch die Kapazität der Gepäckausgabebänder sei „bei entsprechender Disposition ausreichend“. Direkt nach Eröffnung könnten zudem „im Bedarfsfall zusätzliche Gepäckausgabebänder realisiert werden“. Einen Bericht der „Bild“-Zeitung über die drohenden Engpässe bezeichnete ein Sprecher als „bewusst unvollständig und irreführend“.

Für Unruhe sorgt das ARC-Papier gleichwohl. Mitglieder des Flughafen-Aufsichtsrates zeigten sich am Freitag irritiert darüber, dass ihnen die Studie bislang nicht vorgelegt wurde. „Es ist richtig, dass der Aufsichtsrat bislang nicht mit dem Gutachten befasst war“, bestätigte Brandenburgs Regierungssprecher Thomas Braune der Berliner Morgenpost. In der Sitzung am 25. Januar wolle man aber über das Papier und etwaige Konsequenzen beraten, hieß es aus Kreisen des Gremiums. Die CDU im Potsdamer Landtag forderte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) auf „die Gutachten von ausgewiesenen Fachleuten ernst zu nehmen und Antworten darauf zu geben, wie es um die Zukunft des Flughafens steht“. So zu tun, als gebe es keinen künftigen Ausbaubedarf, sei „unehrlich und unsinnig“, kritisierte CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski. Zum Inhalt der Studie wollten sich am Freitag weder die Potsdamer Landesregierung noch die Berliner Senatskanzlei äußern. „Zu flughafeninternen Papieren sagen wir nichts“, sagte Berlins Regierungssprecher Richard Meng.

„Bild“ hatte am Freitag Auszüge aus dem ARC-Papier zitiert. Demnach stünden zu Spitzenzeiten „nicht genügend Schalter als Ausfall- und Dispositionsreserve zur Verfügung“. „Keinerlei Systemreserven“ gebe es bei den Gepäckbändern, Probleme seien wegen der beengten Platzverhältnisse außerdem bei den Sicherheitskontrollen zu erwarten.

„Keine umfassenden Reserven“

Die Kritik am vermeintlich zu klein geplanten Flughafen ist nicht neu: Architekt Faulenbach da Costa war in einem Gutachten im Auftrag der märkischen CDU zu einem klaren Ergebnis gekommen. Eine ordnungsgemäße Passagierabfertigung sei unter diesen Bedingungen am neuen Hauptstadtflughafen „nicht möglich“, urteilte er. Ohne Aufstockung der Kapazitäten werde der BER zu einem der „unpünktlichsten Flughäfen Deutschlands“. Im November hatten die Flughafengesellschaft und die Regierungen in Potsdam und Berlin noch abgewiegelt. „Die Sorge, der Flughafen könnte zu klein sein, ist unbegründet“, so die Betreiber, und weiter: „Sowohl der Vorwurf, es gäbe zu wenig Check-In-Schalter als auch zu wenig Gepäckausgabebänder geht ins Leere.“

Nur wenige Wochen später las sich das bereits anders. Mitte Dezember antwortete die rot-rote Landesregierung in Potsdam auf eine parlamentarische Anfrage der CDU zur Frage der Gepäckbänder wie folgt: „Die FBB ist der Auffassung, damit das erwartete Aufkommen an Gepäckstücken bewältigen zu können. Die Gesellschaft räumt jedoch ein, dass keine umfassenden Reserven, zum Beispiel beim Ausfall einer Anlage bestehen.“

Bisher sind am BER acht Gepäckbänder geplant, über die jeweils mehrere Flüge abgewickelt werden sollen. Nach Einschätzung von Faulenbach da Costa wären etwa 20 dieser Anlagen nötig. Ähnlich fällt seine Bilanz bei den Check-In-Schaltern aus. Geplant ist die Abfertigung aktuell an 118 Schaltern und 50 sogenannten Check-In-Kiosken. Für einen Flughafen dieser Größe wären nach Meinung des Experten 224 Schalter erforderlich.

Um Engpässe zu vermeiden, schlagen die ARC-Experten laut dem Bericht der „Bild“-Zeitung vor, die beiden Hauptnutzer des BER, Lufthansa und Air Berlin, sollten auf einige exklusiv für sie reservierte Schalter verzichten. Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber lehnte das am Freitag ab. „Wir werden die von uns angemeldeten Schalter brauchen“, sagte er der Berliner Morgenpost.

„Bislang sind noch keine Änderungswünsche der Flughafengesellschaft an uns herangetragen worden.“ Nach dem derzeitigen Stand wird die Lufthansa über eine Check-In-Insel mit zwölf Schaltern und zusätzliche vier Schalter für die First-Class-Passagiere exklusiv verfügen. Das ist ungefähr die Hälfte der Kapazität, die Air Berlin nutzen wird. „Damit kommen wir, gemessen an dem hohen Anteil am Berliner Flugverkehr, mit einer relativ geringen Anzahl an Schaltern aus“, so der Lufthansa-Sprecher. Möglich werde das, indem die Lufthansa zusätzlich voraussichtlich 20 Check-In-Automaten anbietet. „Das sorgt für eine sehr hohe Effizienz“, so der Sprecher.

In Spitzenzeiten sei geplant, zusätzlich sechs Schalter zusammen mit anderen Gesellschaften zu nutzen. „Es ist allen klar, dass der BER kein Mega-Airport wird“, sagte Weber. „Wir haben schon immer gesagt, dass sicherlich bald nach der Eröffnung eine Erweiterung notwendig sein wird.“ Air Berlin wollte sich nicht zu „erneuten Spekulationen um den BER“ äußern.

Passagierrekord im Jahr 2012

Dass es eng werden könnte am BER liegt auch am anhaltenden Boom des Luftverkehrs in der Hauptstadt. 2012 zählte die Flughafengesellschaft erstmals mehr als 25 Millionen Passagiere, doppelt so viele wie vor acht Jahren. Der BER ist zum geplanten Start am 27. Oktober 2013 für 27 Millionen Passagiere jährlich ausgelegt. Mit bereits genehmigten Erweiterungen könnten nach Einschätzung der Planer bis zu 45 Millionen Fluggäste pro Jahr abgefertigt werden.

Unstrittig ist, dass der Flughafen mittelfristig erweitert werden muss, wie Berlins Regierender Bürgermeister und FBB-Aufsichtsratschef Klaus Wowereit (SPD) erst jüngst in einem Interview mit der Berliner Morgenpost bestätigte. „Wir haben Erweiterungsmöglichkeiten eingeplant und freuen uns ja über die steigenden Passagierzahlen, und deshalb wird es mit mehr Flugpassagieren auch mehr Check-in-Schalter und mehr Sicherheitskontrollstationen geben“, sagte Wowereit. „Wir werden also den Flughafen in den nächsten Jahren erweitern müssen.“

Faulenbach da Costa fordert statt Planungen für die nächsten Jahre hingegen Sofortmaßnahmen, um ein Chaos schon kurz nach dem Betriebsstart zu vermeiden. „Jetzt müssten die falsch platzierten Parkhäuser neben dem Terminal abgerissen werden und in den Flügelbauten jeweils vier neue Förderbänder entstehen“, sagte der Flughafenexperte am Freitag. So könne der Billig-Flugsektor vom Premium-Flugverkehr getrennt werden. Dann könne man in Ruhe über den Ausbau des Terminals nachdenken.

Grundsätzlich sei es eine Fehlplanung, alle Passagiere zusammen abzufertigen. „Das wird nicht funktionieren“, so Faulenbach da Costa weiter. Denkbar wäre auch, die Billigflieger im alten Terminal des Flughafens Schönefeld abzufertigen. „Low-Cost-Passagiere sind leidensfähig, so lange sie für 9,90 Euro nach Mailand zum Kaffeetrinken fliegen können.“

Dass Erweiterungen am Terminal mittelfristig nicht reichen werden, davon ist Faulenbach da Costa ebenso überzeugt. „Spätestens ab 2020 muss man dann über eine dritte Start- und Landebahn nachdenken“, sagte er. Mit dieser aus Sicht der Flughafenanlieger heiklen Forderung steht er nicht allein. Auch nach Einschätzung des Bauindustrieverbands Berlin-Brandenburg (BBB) muss wegen der langen Planungsphase schon bald eine Entscheidung über den Bau einer dritten Start- und Landebahn fallen. „Wenn der Flughafen eröffnet, wird er bereits an seine Kapazitätsgrenzen gelangt sein“, warnte jüngst BBB-Hauptgeschäftsführer Axel Wunschel.