Kritik an Konzept

„Der Flughafen BER wird immer Verlust machen“

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Joachim Fahrun

Foto: Krauthoefer

Bereits 2009 warnte Flughafen-Kritiker Frank Welskop in seinem Buch vor dem BER-Projekt. Die neuen Probleme bestätigen seine Zweifeln.

Im Jahr 2009 erschien ein Buch, das zunächst nur Flughafengegner beachtet haben. Frank Welskop, Mitglied im Landessprecherrat des Umweltverbandes Grüne Liga und ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter der Linken im Abgeordnetenhaus, hatte eine Warnung vor dem Flughafenprojekt BER verfasst. „BBI – Ein neuer Berliner Bankenskandal“ hieß das Werk, noch mit den Initialen des alten Flughafen-Namens Berlin-Brandenburg International. Seit sich die Probleme mit Bau und Finanzierung des BER häufen, sieht sich der Kritiker bestätigt.

Berliner Morgenpost: Herr Welskop, sind Sie grundsätzlich gegen einen großen Flughafen mit Umsteigeverbindungen in Berlin oder nur gegen diesen Flughafen?

Frank Welskop: Ich bin passionierter Bahnfahrer und unbedingt dafür, besonders den innerdeutschen Kurzstrecken-Flugverkehr, der in Berlin 63 Prozent des Aufkommens ausmacht, weitgehend auf die Schiene zu verlagern. Leider hat man ja diesen Zug verpasst, die Hochgeschwindigkeitsnetze so anzupassen, dass diese Verkehre tatsächlich weitgehend auf die Schiene verlagert werden können.

Berliner Morgenpost: Sie haben vor Jahren ein Buch geschrieben, in dem Sie ein finanzielles Debakel für den BER vorhergesagt haben. Fühlen Sie sich bestätigt durch das, was in den vergangenen Monaten am Flughafen passiert ist?

Frank Welskop: Unbedingt. Ich habe das auf Basis der Geschäftsberichte geschrieben. Ich kann Bilanzen lesen und Geschäftsberichte auswerten. Dabei bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die jährlichen Verluste zwischen 100 und 200 Millionen Euro pro Jahr liegen werden. Ganz unabhängig vom Schuldendienst, der kommt noch oben drauf. Da habe ich für die seinerzeit aufgenommenen Kredite, deren Summe sich inzwischen weiter erhöht hat, Finanzierungskosten in Höhe von 226 Millionen ausgerechnet: pro Jahr! Es wird immer nur von den Infrastruktur- und Baukosten gesprochen, die langfristigen Finanzierungskosten werden dabei jedoch immer systematisch ausgeblendet, die muss man jedoch immer dazu rechnen. Insofern dürften sich die Gesamtkosten des Flughafens BER nun schon auf über fünf Milliarden Euro erhöht haben.

Berliner Morgenpost: Für das Debakel, das Sie voraussagen, sind also vor allem die hohen Schulden verantwortlich, weil die Flughafengesellschaft den Bau zu großen Teilen aus eigener Kraft finanzieren soll?

Frank Welskop: Ganz genau.

Berliner Morgenpost: Aber man hat ja das Modell gewählt, um die Zuschüsse der drei Gesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg sehr gering zu halten. Funktioniert das nicht?

Frank Welskop: Das Problem ist, dass die Umsätze zwar gestiegen sind, aber noch stärker sind die Passagierzahlen gewachsen. Das Fatale dabei, weshalb ich auch das Buch geschrieben habe, ist Folgendes: Die Umsätze pro Passagier lagen 2002 inklusive Non-Aviation und Fracht bei 14,80 Euro. Die sind jetzt jedoch auf 10,90 Euro gesunken. Das ist weit unter dem Durchschnitt der deutschen Verkehrsflughäfen, die pro Passagier zwischen 24 und 26 Euro liegen, je nach Jahr. Frankfurt am Main hat inklusive Fracht 44 Euro pro Passagier. Also das Vierfache von Berlin. Damit kann man hier keinen Flughafenbetrieb mit schwarzen Zahlen hinzaubern.

Berliner Morgenpost: Warum ist der Umsatz in Berlin so niedrig?

Frank Welskop: Das liegt an der in Berlin so verbreiteten Kurzstrecken-Fliegerei und den Billigfliegern. Die hat man in Berlin durch Subventionen hochgezüchtet. Deshalb bleibt da nichts hängen, außer rote Zahlen.

Berliner Morgenpost: Aber die Flughafengesellschaft sagt, wir bauen ja deswegen einen Single-Airport, um Umsteigeverkehre auszubauen und Interkontinentalflüge anzuziehen. Dafür muss man erst mal in Vorleistung gehen und einen vernünftigen Flughafen bauen. Können Sie diese Strategie nachvollziehen?

Frank Welskop: Das setzt voraus, dass es eben ein vernünftiger Flughafen wäre. Aber er kommt viel zu spät, wegen des systematischen Politikversagens. Die Billigflieger dominieren in Berlin, sie können die Erlöse niemals einfliegen, die der Flughafen braucht, um rentabel zu arbeiten. Die Kapazitätsgrenze von 27 Millionen Passagieren ist jetzt schon fast erreicht. Gleichzeitig geht man aber für die Finanz-Kalkulation von einem weiteren starken Passagierwachstum aus, obwohl man weiß, dass durch Kapazitätsgrenzen in zwei Jahren Schluss ist mit dem Wachstum auf dem BER. Der BER wird ein Verlustbringer und das Gegenteil einer Jobmaschine.

Berliner Morgenpost: Aber die Erlöse sind ja bisher nur deswegen so niedrig, weil es in Tegel eben kein Shoppingcenter gibt, durch das alle Passagiere durchgelotst werden, sondern alle sofort in ihren Flieger steigen. Das will man doch jetzt am BER anders machen, damit dort mehr hängen bleibt.

Frank Welskop: Ja, man hat den Non-Aviation-Bereich viel zu groß geplant und hat jetzt keinen Platz mehr für die erforderlichen Check-In-Schalter, um die vielen Passagiere, mit denen man rechnet, angemessen abfertigen zu können. Da müsste man eigentlich erst noch mal aus- und umbauen. Aber vor allem sind es ja zunächst immer noch die gleichen Passagiere, die von und nach Berlin fliegen. Die ändern sich ja nicht, nur weil es den BER gibt. Air Berlin ist ebenfalls in argen finanziellen Schwierigkeiten und was sich diese Airline erträumt hat, nämlich ein großes Drehkreuz mit vielen Umsteigern auf dem BER aufzubauen, geht nicht auf. Deswegen werden diese Passagiere auch auf dem BER viel zu wenig ausgeben, um den Non-Aviation-Bereich so zu bespielen, wie es wirtschaftlich notwendig wäre. Flughafen-Chef Rainer Schwarz ging davon aus, dass aus Shopping und Gastronomie etc. innerhalb kurzer Zeit 40 bis 50 Prozent der Umsätze der Flughafengesellschaft generiert werden sollen. Bisher sind es knapp 18 Prozent. Aber mehr funktioniert bei 70 Prozent Billigfliegerei eben nicht. Diese Menschen wollen einfach nur schnell hin und weg.

Berliner Morgenpost: Vor dem jüngsten Nachschlag gingen die öffentlichen Gesellschafter davon aus, dass sie mit nur mehreren Hundert Millionen Euro echten Zuschüssen auskommen. Das ist ja relativ wenig für solch eine Infrastruktur. Was ist so schlimm daran, wenn sie jetzt etwas nachlegen müssen?

Frank Welskop: Schlimm daran ist, dass das ganze Projekt jetzt schon kostenseitig hoffnungslos aus dem Ruder gelaufen ist. Das lässt sich auch mit viel frischem Geld nicht wieder einfangen. 2011 machte die Flughafengesellschaft einen Umsatz von 263 Millionen Euro, davon nur 178 Millionen mit dem eigentlichen Flugbetrieb. Selbst wenn es da ein Wachstum geben sollte: Der Flughafen wird nur mit laufenden Subventionen der öffentlichen Hand zu betreiben sein. Aber so ein großer Flughafen darf laut EU-Wettbewerbsrecht nicht subventioniert werden. Das ist nur für kleinere Regionalflughäfen mit weniger als zehn Millionen Passagieren pro Jahr zulässig. Und die kleinen Regionalflughäfen machen auch nur Minus.

Berliner Morgenpost: Das heißt, wir laufen in die Falle, weil die Erlöse zu niedrig sind, um den Schuldendienst zu finanzieren und der Staat den Betrieb nicht subventionieren darf?

Frank Welskop: Sobald der Flughafen geöffnet wird, nimmt das Dilemma seinen Lauf. Die Flughafen-Gebührenordnung wurde im Juni 2012 verändert. Die Gebühren für die Airlines liegen immer noch zu niedrig, um die nötigen Erlöse zu bringen. Außerdem gibt es Rabatte von bis zu 42 Prozent für Fluglinien, die besonders viele Passagiere von und zum BER transportieren. Für neue Destinationen werden im ersten Jahr 80 Prozent der Passagiergrundentgelte erlassen. Das heißt nichts anderes, als dass selbst ein großes Passagierwachstum kaum höhere Einnahmen bringt. Wahrscheinlich wollte man ein Zeichen für Billigairlines setzen, damit sie nicht abwandern. Das Frachtgeschäft ist fast tot, da gibt es seit 1990 kein Wachstum. Die Gesellschaft verhält sich nicht wie ein privater Unternehmer, sondern setzt auf Subventionen der öffentlichen Gesellschafter. Das ist ein Fass ohne Boden.

Berliner Morgenpost: Wie lassen sich die Probleme lösen?

Frank Welskop: Aus meiner Sicht sitzen die Gesellschafter der FBB jetzt schon in der Kostenfalle. Es geht nicht nur um die massiven Brandschutzprobleme, sondern auch um Schäden auf der Baustelle. Wie man aus diesem Desaster rauskommt, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich sehe keine Segmente des Geschäfts, die solche Impulse setzen können, um den Berliner Flugverkehr wirtschaftlich aufzustellen. Es wird immer so weiter gehen, bis der Krug zerbricht, der zum Brunnen geht. Die Politiker versuchen sich durchzulavieren.