Hauptstadtflughafen

Nachtflug-Gegner sind nach dem Sieg noch nicht am Ziel

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Gudrun Mallwitz und Viktoria Solms

Das erfolgreiche Volksbegehren hat kaum Chancen im Potsdamer Landtag. Die nächste Etappe ist nun der Volksentscheid.

Nach dem erfolgreichen Volksbegehren für ein striktes Nachtflugverbot in Brandenburg können sich die Märker auf einen Volksentscheid im kommenden Jahr einstellen. Noch während die Initiatoren ihren überraschend klaren Sieg feierten, signalisierte die rot-rote Landesregierung in Potsdam, dass sie das Volksbegehren im Landtag ablehnen werde. Dann streben die Nachtflug-Gegner einen Volksentscheid an. Er könnte laut Landtagsverwaltung frühestens im März 2013 gestartet werden.

Laut vorläufigem Ergebnis des Landeswahlleiters haben sich 106.332 Brandenburger für ein verschärftes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr vom künftigen Hauptstadtflughafen BER ausgesprochen. Derzeit ist ein Verbot nur zwischen Mitternacht und 5 Uhr geplant. Schon 80.000 gültige Unterschriften hätten gereicht, damit der Landtag sich erneut mit dem Anliegen befassen muss.

Die Spitzen von SPD und Linker sind aber weiterhin gegen ein komplettes Nachtflugverbot. Beide Regierungskoalitionen kündigten an, sich jedoch auf Bundesebene für ein deutschlandweites strengeres Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr einzusetzen.

„Nur durch eine einheitliche Lösung können die erheblichen wirtschaftlichen Nachteile einer einseitigen Nachtflugbeschränkung ausgeglichen werden“, heißt es in einer Erklärung, auf die sich Rot-Rot verständigt hat. „Damit würden vergleichbare Flughäfen auch gleich behandelt.“ Diese Position sei mit Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) abgestimmt, sagte der SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher. Er wies darauf hin, dass ohne Berlin und den Bund als Gesellschafter Brandenburg den Landesplanungsstaatsvertrag nicht ändern könne. Selbst wenn dies wider Erwarten gelänge, bliebe der Planfeststellungsbeschluss rechtsgültig.

Platzeck kündigt an: „Landtag wird gewissenhaft debattieren“

Er habe das Ergebnis mit Respekt zur Kenntnis genommen, sagte Platzeck. Rund fünf Prozent der Wahlbürger hätten sich klar artikuliert. „Der Landtag wird das Ergebnis gewissenhaft debattieren“, kündigte der Regierungschef an. Das „Spannungsfeld zwischen den Interessen der Flughafenanwohner und denen des gesamten Landes nach wirtschaftlicher Entwicklung und Arbeitsplätzen“ sei abzuwägen. „Dazu gehört, dass unser Land im ständig härter werdenden Wettbewerb der Standorte weltweit bestehen muss, um Arbeit und Wohlstand seiner Menschen zu sichern.“

Die Linke machte allerdings erneut deutlich, dass für sie „Gesundheit vor Wirtschaftlichkeit“ geht. Der Linke-Fraktionschef Christian Görke sprach von einem „eindeutigen und nicht zu ignorierenden Signal des Volksbegehrens“. Anders als die SPD kündigte die Linkspartei bereits eine Initiative an. „Wir werden dafür sorgen, dass im Bundestag ein Gesetzesentwurf eingebracht wird.“ Die Brandenburger CDU-Fraktion warf Rot-Rot vor, die Verantwortung auf die Bundesebene abzuschieben.

Wirtschaft warnt vor Ausweitung des Nachtflugverbotes

Die Wirtschaft warnte eindringlich vor einer Ausweitung des Nachtflugverbotes. Der Sprecher der Berliner Industrie- und Handelskammer, Leif Erichsen, sagte, eine weitere Einschränkung der Flugmöglichkeiten wäre fatal. Die gesamte Volkswirtschaft und damit der Wohlstand hinge daran. Knapp 18.000 Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Von der Nutzung der Tagesrandzeiten hingen sowohl Hotelbuchungen als auch das exportierende und produzierende Gewerbe ab.

Die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg und die Industrie- und Handelskammer Cottbus wiesen darauf hin, dass „mehrere hundert Millionen Euro an Einnahmen und Wertschöpfung in der Region verloren gehen würden“. Auch Flughafen-Chef Rainer Schwarz nannte den Flugbetrieb in den „Randzeiten“ als unabdingbar für mehr Arbeitsplätze und eine größere Wirtschaftskraft in der Region. Gegen das Nachtflugverbot macht sich auch FDP-Fraktionschef Andreas Büttner stark. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Axel Vogel, warb dafür, dass der Landtag einen Alternativvorschlag zum Volksbegehren unterbreitet, der sich auf ein umfassendes Nachtflugverbot beschränkt.

Sollten die Initiatoren auf diesen Vorschlag eingehen, könnte sich ein Volksentscheid erübrigen. Denn selbst die Grünen haben Probleme mit dem zweiten Teil des Textes des Volksbegehrens. Sie sehen die darin erhobene Forderung kritisch, Flüge nachts vor allem im Charter- und Pauschalreiseverkehr auch an anderen Standorten durchzuführen. Damit wären noch mehr Märker vom Fluglärm betroffen. Für Martin Delius (Piraten), Leiter des Berliner Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des BER-Debakels, zeigt der Ausgang des Volksbegehrens, dass es richtig ist, die Standortwahl zu prüfen.

Blankenfelde-Mahlow beim Volksbegehren vorn

Das erste erfolgreiche Volksbegehren seit Bestehen des Landes haben die Bürger in Berliner Umlandgemeinden entschieden. Die meisten unterschrieben in Blankenfelde-Mahlow (10.295), Potsdam (9957), Kleinmachnow (7297), Teltow (6320), Königs Wusterhausen (5609), Ludwigsfelde (5317); Stahnsdorf (4481) und Zeuthen (4288).

Bei einem Volksentscheid liegen die Hürden hoch: Damit er erfolgreich ist, muss sich mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten – in Brandenburg sind das etwa 530.000 Bürger – für ein striktes Nachtflugverbot aussprechen. Fernab von Berlin ist das Interesse aber gering. In Frankfurt/Oder unterzeichneten nur 99, in der Prignitz 89 Nachtflug-Gegner.