Offensichtlich hat die Kontrolle der Flughafengesellschaft nicht funktioniert. Der Jurist Michael Adams sieht das Problem im Aufsichtsrat.

Die verschobene Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER ist für Berlin nicht nur ein Imageschaden, sondern auch noch teuer. Einen dreistelligen Millionenbetrag werden die Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund sehr wahrscheinlich nachschießen müssen.

Dahinter steht letzten Endes aber niemand anders als der Steuerzahler. Dabei gab es bei dem Projekt von Anfang an einen Aufsichtsrat, der die Arbeit der Geschäftsführung eigentlich überwachen sollte.

15 Leute sitzen im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft. Das Land Berlin stellt vier Mitglieder, Brandenburg ebenfalls vier, der Bund zwei und die Arbeitnehmervertreter fünf.

Doch die Aufsicht über die Flughafengesellschaft hat ganz offensichtlich nicht funktioniert. Die Eröffnung des BER findet erst im März 2013 statt. Der technische Geschäftsführer Manfred Körtgen musste bereits gehen.

Der Sprecher der Geschäftsführung, Rainer Schwarz, hat noch eine Chance bekommen. Beim Aufsichtsrat bleibt aber alles wie gehabt. Dabei sieht der Wirtschaftsjurist Professor Michael Adams genau hier eine Schwachstelle.

Adams kennt sich gut aus mit dem System der Unternehmenskontrolle in Deutschland. Er hat dazu mehrfach publiziert und auch an Gesetzen mitgewirkt. Über die Mängel bei der Organisation der Flughafengesellschaft sprach mit Viktoria Unterreiner mit Adams.

Morgenpost Online: Herr Professor Adams, der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg sind Eigentümer des neuen Flughafens BER und schicken gleichzeitig Politiker zur Kontrolle des Projekts in den Aufsichtsrat. Kann das überhaupt funktionieren?

Michael Adams: In Berlin zeigt sich die strukturelle Verantwortungslosigkeit eines solchen leider durchaus üblichen Vorgehens. Die öffentliche Hand sendet Vertreter in den Aufsichtsrat, die mit ihrer eigentlichen Arbeit schon so sehr ausgelastet sind, dass sie für die Kontrolle eines Milliardenprojekts gar keine Zeit haben und häufig auch keinen fachlichen Hintergrund aufweisen.

Morgenpost Online: Ein Zeitproblem dürften alle hochrangigen Manager und Politiker haben.

Michael Adams: Das stimmt. Aber beim Flughafen BER war der Aufsichtsrat in dieser Zusammensetzung nicht in der Lage, die Arbeit der Geschäftsführung bei diesem Großprojekt wirksam zu überwachen und gegebenenfalls einzugreifen. Es saßen offensichtlich zu wenige Leute im Aufsichtsrat, die Ahnung von dem Projekt hatten.

Morgenpost Online: Aber sie wurden doch regelmäßig über den Stand der Bauarbeiten informiert.

Michael Adams: Bei diesen Sitzungen hält die Geschäftsführung eine bunte Powerpoint-Präsentation mit zahlreichen Prognosen. Dabei sagen sie vielleicht sogar, dass es an der einen oder anderen Stelle noch Probleme gibt. Aber was das tatsächlich bedeutet, können Mitglieder ohne fachlichen Hintergrund nicht wirklich einschätzen. Und die wenigen, die das können, werden von der Geschäftsführung mit beruhigenden Worten eingefangen und möchten sicher auch nicht dauernd die Spaßbremse des Aufsichtsrates spielen.

Morgenpost Online: Wie hätte man diesen Mangel beheben können?

Michael Adams: Es wurden die falschen Mitglieder für den Aufsichtsrat ausgewählt. Es ist klar, dass Berlins Regierender Bürgermeister, Klaus Wowereit, und Brandenburgs Ministerpräsident, Matthias Platzeck, dort vertreten sind. Für sie als Vertreter der Länder ist der neue Flughafen ein extrem wichtiges Projekt. Sie haben auch den Einfluss und Überblick für das politische Gelingen des Großprojektes und können zum Erfolg wesentlich beitragen. Aber neben den notwendigen Politikern hätte man bei der Zusammensetzung besser darauf achten müssen, mehr Mitglieder mit Sachkenntnis zum Flughafenbetrieb in den Aufsichtsrat zu entsenden. Etwa jemanden von einer anderen Flughafengesellschaft, der mit derartigen Bauvorhaben schon Erfahrung hat und sich nicht mit möglichen Märchen zum Baufortschritt abspeisen lässt.

Morgenpost Online: Wie bekommt man diese Leute? Denn mit dem Geld, das man in Berlin auslobte, kann man sie nicht locken. Die Aufsichtsratsmitglieder bekommen im Fall BER im Durchschnitt knapp 1000 Euro für das gesamte Jahr.

Michael Adams: Im Fall eines gut bezahlten Anwalts entspricht das dem Gegenwert von gerade Mal ein paar Arbeitsstunden. In der Privatwirtschaft können selbst fachfremde Gewerkschaftsfunktionäre als Aufsichtsräte eines Dax-Konzerns durchaus 200.000 Euro im Jahr und mehr verdienen. Das geht bei einem Projekt der öffentlichen Hand natürlich nicht. Diese Aufgabe übernehmen die Aufsichtsratsmitglieder dann aus Prestigegründen oder als Ehrenjob. Genau hier liegt das Problem. Da sie Geld an anderer Stelle verdienen müssen, können sie in ihre Arbeit im Aufsichtsrat entsprechend wenig Zeit investieren. Das ist keine vernünftige Lösung. Man muss auf billige Postenjäger verzichten und stattdessen kompetente Aufsichtsräte aussuchen und sie dann anständig bezahlen.

Morgenpost Online: Können die Mitglieder des Aufsichtsrats persönlich haftbar gemacht werden?

Michael Adams: Inkompetenz schützt vor Haftung nicht. Für die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat ist diese Situation brenzlig. Es fragt sich, wieso der Zustand des Bauprojektes so spät bekannt wurde.

Morgenpost Online: Was für Voraussetzungen müssten gegeben sein?

Michael Adams: Zuallererst ist zu prüfen, ob die Geschäftsführung professionell gehandelt hat. Projekte scheitern immer wieder. Das ist auch normal. Aber erst so kurz vor der geplanten Eröffnung den wirklichen Zustand des Projektes öffentlich zu machen, führt zu der entscheidenden Frage, ob man das Verhalten von Geschäftsführung und Aufsichtsrat noch als professionell bezeichnen kann. Für den Aufsichtsrat stellt sich die Frage, ob deren Mitglieder korrekt informiert wurden oder ob sie einfach nicht hingeschaut und die relevanten Fragen nicht gestellt haben. Es ist merkwürdig, dass erst der TÜV die Mängel bemerkt und dann eine mehr als halbjährige Fertigstellungsverzögerung eintritt.