Berliner Familien müssen sich entscheiden: Soll das Kind sechs Jahre lang zur Grundschule gehen oder nach der vierten Klasse auf das Gymnasium wechseln? Für viele Eltern eine Lebensentscheidung.
Viele Eltern fühlen sich in Bildungsfragen unter Druck. Das zeigt sich oft schon auf Elternabenden in den dritten Klassen, wenn über die Einführung von Noten abgestimmt wird. Eigentlich sollte es darum gehen, ob eine Bewertung in Zahlen für die Motivation der Kinder förderlich ist. Oft wollen die Eltern die Noten aber, weil die Bewerbung für manche grundständige Gymnasien mit dem Zeugnis der dritten Klasse erfolgt.
Eigentlich dauert die Grundschulzeit in Berlin sechs Jahre, doch etwa acht Prozent aller Viertklässler in Berlin wechseln jedes Jahr schon zur fünften Klasse auf ein Gymnasium. In diesem Schuljahr waren es 2183 Kinder. Insgesamt 45 Schulen in Berlin bieten entsprechende Klassen. Die Plätze sind begehrt. An vielen dieser Schulen übersteigt die Bewerberzahl bei Weitem die Zahl der Plätze.
Hinter dem Wunsch der Eltern, ihr Kind vorzeitig aufs Gymnasium zu geben, steckt oft die Angst, dem Kind auf seinem Bildungsweg Chancen zu nehmen. Früher, sagen Berliner Eltern, wurden die Kinder in die Schule um die Ecke geschickt, und die war meist in Ordnung. Heute, sagen Berliner Eltern, geht das nicht mehr so einfach. Das schlechte Abschneiden der Hauptstadtschulen bei Pisa- und anderen Bildungsstudien, die Vielzahl der Reformen, vor allem die Verkürzung der Schulzeit auf dem Gymnasium (G 8), haben Eltern verunsichert. Viele haben nicht mehr das Gefühl, sich auf Bildungspolitiker verlassen zu können, sondern sehen sich gezwungen, den schulischen Werdegang ihrer Kinder selbst zu steuern.
Sechs Jahre Grundschule – ein Berliner Alleingang
Spätestens in der vierten Klasse stellen sie sich dann die Frage: Soll mein Kind aufs Gymnasium wechseln oder noch zwei weitere Jahre an der Grundschule bleiben? Berlin geht neben Brandenburg hier einen eigenen Weg. In allen anderen Bundesländern verlassen die Kinder bereits nach der vierten Klasse die Grundschule. Viele Eltern beobachten den Berliner Alleingang mit Skepsis: Was ist, wenn ich in ein anderes Bundesland ziehe? Auf welche Schule kommt mein Kind dann, wenn es noch in der fünften Klasse die Grundschule besucht? Ist die Schulbildung in der fünften und sechsten Klasse überhaupt gut genug an einer Grundschule?
In den dritten und vierten Klassen entwickelt sich da oft eine Eigendynamik, die auch Mütter und Väter in Unruhe bringt, die es bis dahin noch gar nicht waren. Denn spätestens wenn eine Handvoll Kinder von der Grundschule abgemeldet wird, fragen sich die anderen Eltern: Was wird aus der Klassengemeinschaft und sinkt das Lernniveau, wenn so viele gehen? Manch einer schließt sich den Wechslern dann lieber gleich an, um nicht beim „Rest“ zu verbleiben. Mit Sorge beobachten auch Grundschullehrer, wie Drittklässler ihre Mitschüler in schlaue (die, die wechseln) und doofe (die, die bleiben) Kinder einteilen.
Es sind noch Plätze frei
Doch trotz des großen Andrangs auf die grundständigen Gymnasien blieben in diesem Schuljahr 315 Plätze nach Angaben der Senatsbildungsverwaltung unbesetzt. Also alles entspannt? Nein, sagt Ralf Treptow, Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren des Landes Berlin. „An manchen Standorten herrscht eine große Übernachfrage. Man kann aber einen Schüler aus Rudow nicht nach Reinickendorf schicken, bloß weil es dort vielleicht noch freie Plätze gibt“, sagt er. Tatsächlich gibt es nach seiner Einschätzung vielerorts zu wenige Plätze.
Aus Ralf Treptows Sicht sollte jedes Kind, das möchte und die Anforderungen erfüllt, einen Platz auf einem grundständigen Gymnasium in der Nähe bekommen können. Schließlich beobachtet er als Schulleiter des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums in Pankow, eines von sieben Gymnasien, die für besonders begabte Kinder ab Klassenstufe fünf Schnelllerner-Klassen anbieten, „dass die Erfolgsquote der Schüler, die ab Klasse fünf das Gymnasium besuchen, signifikant höher ist als die derjenigen, die erst zur siebten Klasse kommen“. Es wundert ihn nicht, „dass die Schüler, die acht Jahre Zeit auf dem Gymnasium verbringen doch einen deutlichen Vorteil gegenüber denen haben, die nur sechs Jahre dort sind“.
Pro und Contra
Das deckt sich mit den Ergebnissen der Berliner Element-Studie, die der Bildungsforscher Rainer Lehmann von der Humboldt-Universität 2008 veröffentlicht hat. Danach schnitten Fünft- und Sechstklässler auf dem Gymnasium deutlich besser ab als auf der Grundschule. Lehmanns Erkenntnisse sind umstritten, Kritiker monierten, dass er nicht Kinder mit gleicher Leistungsstärke miteinander verglichen hätte. Jürgen Baumert vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung wertete die Untersuchung noch einmal neu aus und kam zu dem Schluss, dass Schüler, die in der Leistung vergleichbar sind, keineswegs auf dem Gymnasium größere Fortschritte machen als in der Grundschule.
Das ist auch der Tenor des bekannten Grundschulpädagogen Hans Brügelmann. Er sieht den Fokus bei dem Thema zu sehr auf fachliche Leistung und Noten gerichtet. In einer heterogenen Grundschulklasse könnten Kinder aus seiner Sicht viel eher soziale Kompetenzen erlernen. Eine frühe Aufteilung in verschiedene Schulformen würde diese Kompetenzentwicklung stören. Und der Berliner Schulpsychologe Stefan Brandt warnt: „Nicht jedes Kind kommt mit dem Konkurrenzdruck und dem starken Lernklima auf den Gymnasien zurecht.“
Letztlich kommt es auf die Qualität des Unterrichts an
In der Tat machen nicht alle Eltern mit einem frühen Schulwechsel ihrer Kinder gute Erfahrungen. Manche unterschätzen das Pensum, das die Schüler auf dem Gymnasium zu erledigen haben und verbringen dann selbst Nachmittage mit Lateinbüchern, um ihr Kind zu unterstützen. Manche melden ihr Kind sogar vom Sportverein ab, weil das Training nicht mehr zu schaffen ist. Manche sehen, wie unsicher ihr Kind auf einmal ist, weil es nicht mehr Einsen, sondern Dreien schreibt.
Tatsächlich gibt es wohl nicht den einen richtigen Weg. Dem einen Kind tut es gut, zwei Jahre etwas mehr an die Hand genommen zu werden und auch mal zu den Großen zu gehören. Das andere Kind braucht gerade die neuen Herausforderungen für seine Entwicklung. Lehrer und Bildungsexperten raten Eltern, auf das eigene Kind zu schauen und sich auf ihr Bauchgefühl zu verlassen, anstatt sich von Gerede verunsichern zu lassen. Letztlich, sagt auch Bildungsforscher Rainer Lehmann, kommt es ohnehin auf die Qualität des Unterrichts und das soziale Umfeld an. Das kann an der Grundschule genauso gegeben sein wie auf dem Gymnasium.
Familie Schmaling: „Es geht um mehr als gute Leistung“
Für Anna Schmaling war das Gymnasium eigentlich kein Thema. Sie und ihr Mann kommen beide aus Berlin und sind sechs Jahre zur Grundschule gegangen. Das System kennen sie und unterstützen es – „allerdings muss die personelle Ausstattung dann auch stimmen“, gibt die 44-jährige Mutter zu bedenken.
Es war ihr Sohn, der das Thema Gymnasium mit nach Hause brachte. „Andere in meiner Klasse haben mir gesagt, dass sie wechseln wollen, da habe ich erst gewusst, dass das geht“, erzählt David, „und dann wollte ich auch“. Die Eltern haben das dann erst einmal sacken lassen, aber immer, wenn sie ihren Sohn gefragt haben, blieb er bei seinem Wunsch. „Ich fand zwar nicht, dass er in der Grundschule total unterfordert ist, aber er hat gute Noten, das Lernen fällt ihm leicht“, sagt Anna Schmaling. „Doch bei dem Wechsel aufs Gymnasium geht es ja um viel mehr als Leistung.“ Eine „Lebensentscheidung“ nennt sie das, was sie vor sich hatte, als sie vor einem Jahr die Suche nach einer geeigneten Schule begann.
Wichtiges Kriterium für die Mutter war, dass die Schule mehrzügig in der fünften Klasse beginnt, damit die Zehnjährigen nicht nur von Jugendlichen umgeben sind. Ein weiteres wichtiges Kriterium war die Länge des Schulwegs, nicht länger als eine halbe Stunde sollte er dauern. Beide Eltern sind berufstätig, da kommt ein Chauffeurdienst nicht in Frage. Für David wäre das aber auch keine Option – viel zu uncool. Gleich vom ersten Tag an hat er den Schulweg allein gemeistert – von Schöneberg zum Canisius-Kolleg in Tiergarten: „Sieben Stationen mit dem Bus, mit Umsteigen“, erklärt er stolz.
Manche Familien üben wochenlang
Die Familie war bei mehreren Tagen der offenen Tür, letztlich hat David selbst die Entscheidung für das Canisius-Kolleg gefällt. Die Schule wird – trotz der vor fast vier Jahren aufgedeckten Missbrauchsfälle – weiterhin sehr stark nachgefragt, längst nicht alle Bewerber bekommen hier einen Platz. Wieso es bei David geklappt hat? Vielleicht liegt es daran, dass die Eltern versucht haben, ihren Sohn entspannt in das Auswahlgespräch und den Test zu lassen. „Wir haben vorher keine Antworten einstudiert, das hat doch keinen Sinn“, sagt seine Mutter, „wenn er diese Hürde nicht von allein schafft, dann passt es auch nicht“.
Doch längst nicht alle Eltern sehen das so locker. Es gibt Familien, in denen vorher wochenlang Aufsatzschreiben geübt wird, um im Test gut abzuschneiden. Wer bei so einem Testvormittag einmal dabei war, sieht die Spannung und den Druck in die Gesichter geschrieben – bei den Kindern ebenso wie bei den Eltern.
Inzwischen ist David seit fast vier Monaten Gymnasiast – und er ist angekommen an seiner neuen Schule. „Ich war am Anfang ziemlich aufgeregt“, erinnert sich der Zehnjährige, „aber zum Glück ist ein Freund in meine Klasse gekommen“. Überfordert fühlt er sich nicht, der Unterricht sei nicht schwieriger als vorher, nur die Hausaufgaben, „die sind jetzt viel mehr“. Früher hat er die im Hort geschafft, seit Neuestem sitzt er auch zu Hause daran. Aber er findet noch genug Zeit für seine Hobbys: Dreimal in der Woche singt er im Staats- und Domchor, außerdem lernt er Schlagzeug und spielt Tischtennis. Und seine Mutter sagt: „Mit dem Schulwechsel hat David einen Entwicklungsschub gemacht, für ihn war es die richtige Entscheidung“.
Familie Oberhoff: „Wir sind noch unentschlossen“
Nach den Sommerferien gab es auf einmal ein Thema bei Familie Oberhoff aus Charlottenburg: Was wird mit Moritz nach der vierten Klasse? Die Eltern sind sehr zufrieden mit der Grundschule, die ihr Sohn derzeit besucht. Auch in den Hort geht der Neunjährige immer noch gern und obendrein wohnt die Familie nur 100 Meter von der Schule entfernt. Wieso also wechseln? Aber das Thema war nun einmal da. Die Kinder in der Klasse redeten darüber, die Eltern auch. Schon bei der Entscheidung in der dritten Klasse, ob es Noten geben sollte oder nicht, sprachen sich die meisten für Noten aus, auch im Hinblick darauf, dass das Kind ja vielleicht nach der vierten Klasse die Schule wechseln will.
Entziehen konnten sich die Oberhoffs dem Thema also gar nicht, zumal ihr Sohn zu den Leistungsstarken in der Klasse gehört. „Was ist nun, wenn alle starken Jungen aus der Klasse gehen und Moritz bleibt?“, fragt sich seine Mutter. Würde er dann vielleicht seine Motivation verlieren, zumal er in zwei Jahren vielleicht schon in der Pubertät ist und dann ohnehin andere Dinge wichtiger werden können? Auf der anderen Seite will die 50-jährige Zahnärztin aber auch nicht, dass ihr Sohn auf dem Gymnasium unter einen zu hohen Leistungsdruck gerät. Noch lässt er sich auch mal ablenken, muss auch mal an die Hand genommen werden. Findet so etwas überhaupt am Gymnasium statt?
Sind seine Vorbilder dann die halbstarken Jugendlichen?
Der Vater stellt sich ganz andere Fragen: „Moritz orientiert sich gern an den Starken, wie sieht das dann auf dem Gymnasium aus, sind seine Vorbilder dann die halbstarken Jugendlichen aus der Raucherecke?“ Außerdem sieht er, dass Moritz im Hort gut aufgehoben ist, hier bekomme er Anregungen, lerne, sich mit anderen Kindern auseinanderzusetzen. „Wie verbringt er seine Zeit nach Schulschluss auf dem Gymnasium, wenn es dort keine Betreuung gibt?“, überlegt der 47-jährige Architekt. Moritz ist Einzelkind, seine Eltern kommen an manchen Tagen erst abends von der Arbeit nach Hause.
Andererseits sieht Christoph Oberhoff auch eine Chance in einem möglichen Wechsel: „Jetzt hat er seine feste Rolle in der Klasse, auf einer neuen Schule werden die Karten neu gemischt.“ Darauf ist auch Moritz gespannt. „Das ist eine Herausforderung“, sagt der Neunjährige und klingt dabei ein paar Jahre älter, „man hat neue Lehrer und lernt neue Kinder kennen“. Aber ganz allein würde er diesen Weg nicht gehen wollen: „Es soll auf jeden Fall ein Freund mitkommen.“ Aber ob er überhaupt wechseln wird, ist noch gar nicht gewiss. Noch ist die Familie in der Findungsphase, schaut sich Schulen an und schwankt. „Jeden Tag gibt es einen anderen Stand, einen anderen Ausschlag“, sagt Ellen Oberhoff. „Letztlich müssen wir uns auf unser Bauchgefühl verlassen.“
Familie Müller-Stein: „Es war die falsche Entscheidung“
Die Müllers und die Steins aus Kreuzberg sind eine Patchworkfamilie. Die beiden ältesten Mädchen Eleni und Nadine haben gemeinsam eine Klasse in der Grundschule besucht, weil sie nur ein knappes Jahr Altersunterschied hatten. Schnell war klar: Eleni fällt das Lernen viel leichter als der Schwester. Auf dem Zeugnis standen bei ihr fast nur Einsen und oft langweilte sie sich sogar im Unterricht. Die Lehrerin riet zu einem Wechsel auf ein grundständiges Gymnasium. „Ich wusste ja selbst nicht, welches der richtige Weg ist, beim ersten Kind ist man so unsicher“, sagt Elenis Mutter, „aber ich wollte ihr damals auch keinen Weg verbauen“. Also schaute sie sich Schulen an und versuchte ihre Tochter zu überzeugen. Die wollte nämlich erst gar nicht wechseln. Schließlich entschieden sie sich für ein altsprachliches Gymnasium in Steglitz.
Schon nach wenigen Wochen kamen Nicole Stein die ersten Zweifel. „Wir haben gesehen, dass Eleni im Stoff noch gar nicht so weit war.“ Aber sie schob die Zweifel zunächst einmal von sich: „Ich habe gehofft, dass sich das alles einpendelt.“ Aber es wurde schlimmer. Eleni erinnert sich mit Schrecken an eine Lateinstunde: „Wir sollten das Schwein auf deutsch deklinieren, aber ich wusste doch nicht einmal, was Nominativ ist. Aus Verzweiflung fing ich an zu weinen.“
Die anderen Schüler waren von ihren Grundschulen offenbar anders vorbereitet, Eleni war verunsichert. Sie bekam Bauchschmerzen, verlor die Freude an der Schule, die sie vorher hatte. Die Mutter machte sich Vorwürfe und macht sie sich noch heute: „Ich habe das alles viel zu spät mitbekommen, manchmal denke ich: Mit dem frühen Wechsel aufs Gymnasium habe ich ihr die Kindheit genommen.“
Wechseln ging nicht - also durchwurschteln
Die Mutter überlegte, ihre Tochter zurück in die Grundschule zu geben, aber sie hätte nur einen Platz in der Parallelklasse bekommen. Das wollte Eleni nicht, denn in der neuen Schule hatte sie schnell neue Freunde gefunden und wollte die nicht wieder verlassen. Und der Weg zurück an die Grundschule kann einem Kind mit zehn, elf Jahren ohnehin nur als Versagen erscheinen.
Nach der sechsten Klasse versuchten die Eltern, Eleni auf ein Gymnasium wechseln zu lassen, das erst mit der siebten Klasse beginnt, aber auch das klappte nicht, zumindest nicht auf eine Schule mit Lateinklassen. Das Fach könne man ja gar nicht benoten, weil Eleni zwei Jahre Lateinvorsprung habe, wurde ihr gesagt. Also blieb das Mädchen an ihrem grundständigen Gymnasium und wurschtelte sich durch, bis heute. Inzwischen ist Eleni 16, besucht die zehnte Klasse. Ihr Abitur will sie aber auf einer anderen Schule machen.
Wenn Nicole Müller-Stein die Uhr noch einmal zurückdrehen könnte, würde sie für ihre älteste Tochter einen anderen Weg wählen. Zumal sie an Nadine gesehen hat, wie wichtig die fünfte und sechste Klasse in der Grundschule für die Entwicklung sein kann. Nadine, die sich zunächst schwer tat in der Schule, bekam in der sechsten Klasse eine Gymnasialempfehlung und erlebte in der siebten Klasse keinen Einbruch wie ihre große Schwester. Für die 41 Jahre alte Mutter ist jedenfalls klar: Für die beiden jüngsten Töchter würde sie wohl nicht noch einmal einen frühen Wechsel überlegen.
Familie Maechler: „Unsere Kinder sind unterschiedlich“
„Bei uns gibt es Berliner Vielfalt“, sagt Jakob Maechler. Seine beiden Töchter schlagen in ihrer schulischen Laufbahn verschiedene Wege ein: Die zwölfjährige Marlene besucht schon seit der fünften Klasse ein Gymnasium, ihre zwei Jahre jüngere Schwester Flora wollte lieber an ihrer Grundschule bleiben.
„Für Marlene war der frühe Wechsel wichtig“, sagt ihre Mutter Sylvia Maechler, „sie war schon immer wissbegierig und brauchte einfach mehr Futter“. Weil ihr die Schule so leicht fiel, galt sie bei manchen Mitschülern gar als Streber. Vielleicht deshalb war es Marlene selbst, die vor drei Jahren wechseln wollte. „Ich hab das keinen Tag bereut“, sagt die Siebtklässlerin heute. Der Unterricht macht ihr Spaß, sie fühlt sich mehr gefordert, hat Lust, Neues zu lernen. Und Streberin hat sie hier noch niemand genannt. „Sie kam auf dem Gymnasium mit Gleichgesinnten zusammen, das passte einfach besser“, erklärt Sylvia Maechler.
Natürlich muss das Mädchen jetzt viel mehr für die Schule tun als früher, aber das ist für sie keine Last, und für ihre Hobbys Klavier und Volleyball hat sie noch genug Zeit. Natürlich hat die Familie aus Zehlendorf dann auch für die jüngere Tochter erst einmal einen frühen Wechsel überlegt, aber diese Idee schnell wieder verworfen. Für ihre jüngere Tochter sei das keine Option gewesen, das war den Eltern schnell klar.
Der eine Weg ist nicht der beste
„Flora hat sich schon beim Übergang von der Kita in die Grundschule schwergetan, sie trennt sich nicht gern, braucht einfach mehr Zeit“, hat die 43-jährige Mutter beobachtet. Auch Flora ist eine gute Schülerin, aber das Lernen fällt ihr nicht so leicht wie ihrer großen Schwester. Außerdem setzt sie andere Schwerpunkte. „Marlene kann sich stundenlang hinsetzen und an etwas herumtüfteln oder über etwas schreiben, Flora geht lieber raus und spielt Fußball.“
Ihre jüngere Tochter wollte auch gar nicht raus aus ihrer Klasse. „Zuerst habe ich schon überlegt, auf die Schule meiner Schwester zu wechseln, weil ich sie auch schon sehr vermisst habe, als sie vor zwei Jahren zum Gymnasium wechselte, aber jetzt finde ich das ganz gut, dass ich meinen eigenen Weg gehe.“ Und ihre Eltern bestärken sie darin. Sie haben ihrer Tochter klargemacht, dass nicht der eine Weg besser ist als der andere und dass sich Flora nicht an Marlene messen muss. „Jedes Kind ist eben anders“, sagt der Vater, da muss man jedes Mal neu eine Entscheidung treffen. „Aber ich bin froh, dass diese Entscheidung bei beiden Kindern so klar war“, ergänzt die Mutter.