Die Rückkehr in den Arbeitsalltag nach längerer Babypause ist für viele Frauen nicht einfach. Wegen ihrer Kinder waren sie aus dem Job ausgestiegen. Jahre später wagen drei Berliner Mütter nun einen Neuanfang - und berichten von den Höhen und Tiefen.

Während sich draußen auf der Großbeerenstraße in Kreuzberg die Fahne mit der Erdbeere leicht im Wind bewegt, wird drinnen Stoff geschnitten. Ariane Dykiert will bunte Matrjoschka-Gesichter auf T-Shirts nähen. Sie hält eine der fertigen Applikationen hoch: „Sieht doch super aus, oder?“ Ihr Mann Marcel nickt lächelnd. Die beiden führen seit etwa vier Jahren ihr eigenes Designlabel „la fraise rouge“, die rote Erdbeere. Unter ihrem Markenzeichen entwerfen sie Kleidung, Kuscheltiere, Taschen, Kissen und anderen Kleinkram für Kinder.

Sie haben sich selbst neu erfunden. Wieder einmal. Eigentlich ist die 37-jährige Ariane Dykiert studierte Wirtschaftsingenieurin, ihr 32-jähriger Mann Marcel Literaturwissenschaftler. Früher arbeiteten die beiden zusammen in einer Castingagentur für Komparsen, oft bis in die Nacht. Kein Problem für ein junges Pärchen. Aber das änderte sich, als sie Eltern wurden. Nach der Geburt ihres Sohnes Tinsel im Januar 2005 blieb Ariane zu Hause. Plötzlich gab es nur noch einen Verdiener in der Familie. Und manchmal auch ein bisschen Leere. Gelegentlich nähte die lebhafte blonde Frau kleine Filztiere, nur so, zur Beschäftigung, wenn der Kleine schlief. Und dachte über Jobs nach, die mit dem Leben einer Familie besser vereinbar sein würden, als ihr bisheriger. „Ich suchte nach einer neuen beruflichen Herausforderung“, sagt sie, „etwas, das Spaß bringt, familienfreundlich ist und dabei noch genug Geld für uns drei abwirft.“

Bald darauf verkaufte sie die ersten Kuscheltiere

Was das für ein Job sein könnte, war lange nicht klar. Eines Tages, beim Einkauf in einem Charlottenburger Kindergeschäft, erzählte Ariane Dykiert von ihrer Näherei. „Die Ladeninhaberin meinte: Bring doch das nächste Mal etwas mit und zeig es mir“, erinnert sie sich. Bald darauf verkaufte sie die ersten Kuscheltiere. Anfangs auf Kommission. Irgendwann war die Nachfrage so groß, dass Ehepaar Dykiert eine Webseite mit Onlineshop programmieren ließ. Die Geschäftsidee war geboren. Ein Jahr lang nähte Ariane, ein Zimmer ihrer Wohnung funktionierte sie zum Lager und Arbeitsraum um. Im Oktober stieg Marcel dann mit ein. Er kündigte seinen alten Job und konzentrierte sich auf die Selbstständigkeit – überzeugt von Arianes Idee und Talent.

Es funktionierte. Gegenüber ihrer Wohnung haben Ariane und Marcel Dykiert vor kurzem einen Laden eröffnet, in dem sie ihre „la fraise rouge“-Sachen verkaufen. Das Geschäft läuft gut – der Großteil wird allerdings über den Internetshop ( www.lafraiserouge.de ) und drei Dutzend Händler in Deutschland, Österreich und Frankreich verkauft.

Sohn Tinsel ist jetzt viereinhalb und geht in die Kita, auch seine Großeltern kümmern sich mit um ihn, wenn Ehepaar Dykiert arbeiten muss. Der neue Job – für Ariane Dykiert hat er das Leben verändert.

Beschäftigung abseits von Hausarbeit und Kindererziehung

Die Rückkehr in den Arbeitsalltag nach längerer Babypause ist für viele Frauen nicht einfach. Manche, wie Ariane Dykiert, orientieren sich völlig neu, wenn sie ein Kind bekommen haben. Denn mit der Pause und dem Baby beginnt häufig auch das Grübeln über das, was man nun eigentlich anfangen will mit dem Leben – auch dem beruflichen. Spätestens, wenn die Kleinen aus dem Gröbsten raus sind, wünschen sich viele Mütter eine Beschäftigung abseits von Hausarbeit und Kindererziehung – aber zurück ins alte Gleis?

So ging es auch Maryline Ehlermann. Mit ihrer Freundin Saskia Jaden fand die 39-Jährige schließlich einen Weg für sich. Die beiden Frauen kommen beruflich aus ganz unterschiedlichen Ecken. Maryline Ehlermann ist Kauffrau und arbeitete lange im Marketing. Saskia Jaden (36) ist Grund- und Hauptschullehrerin. Beide haben Kinder. Marylines Söhne Thibaut und Gabin sind heute zehn und acht Jahre alt.

Die ersten dreieinhalb Jahre war sie zu Hause geblieben, dann kehrte sie in ihren alten Job zurück. Aber ganz glücklich war sie damit nicht. Und auch ihre Freundin Saskia, deren Kinder Philippa und Arthur heute sechs und vier Jahre alt sind, fühlte sich vom Muttersein und ihrem Halbtagsjob in einer Schule in Düsseldorf nicht ausgefüllt. „Ich wollte meinen Kopf wieder benutzen“, sagt sie. Und so grübelten die beiden Frauen, im Laufe der Jahre entstand so etwas wie eine Geschäftsidee. „Ich habe mich oft über die Suchmaschinen im Internet geärgert. Wenn man nach etwas Bestimmtem guckt, werden Millionen Ergebnisse angezeigt, durch die man sich erst mal durchklicken muss, oft genug ohne zu wissen, auf was für einer Seite man da überhaupt landet“, sagt Maryline Ehlermann. Sie wünschte sich eine Ranking-Liste, irgendjemanden, der die vielen Treffer vorsortiert und Seiten, die für Kinder ungeeignet sind, aussortiert. Pädagogin Saskia Jaden hörte ihre Schüler oft von Dingen sprechen, die sie irgendwo im Internet gefunden hatten – „auf Seiten, die gar nicht jugendfrei sind.“ Je älter ihre eigenen Kinder wurden, desto beunruhigter waren die beiden Freundinnen – denn sie wussten, irgendwann würden auch ihre Kleinen groß genug sein, um auch mal allein am Computer zu sitzen, ohne Kontrolle eines Erwachsenen. Die Lösung dieses Problems machten sie zu ihrem Geschäft.

Unter dem Namen „Rankitoo“ (von Englisch rank it/bewerte es) betreiben Maryline Ehlermann und Saskia Jaden nun ihr eigenes Internetportal. Nachdem sie die Idee mit ihren Ehemännern und im Freundeskreis besprochen und weiterentwickelt hatten, engagierten sie zwei Agenturen für die Programmierung und das Design. Drei Zentimeter dick war das papierne Konzept, das sie den Profis übergaben. Jede von ihnen investierte anfangs 3000 Euro aus privater Tasche. Etwa zwei Jahre, nachdem sie die Idee das erste Mal angesprochen hatten, ging Rankitoo.de im Juli 2008 online.

Doch Geld verdienen sie bislang damit nicht

Auf der Seite können Kinder und deren Eltern nun unter dem Leitmotiv „beste Seiten besser finden“ Webseiten weiter empfehlen und bewerten. In den vorgegebenen Grundkategorien wie zum Beispiel Einkaufen, Erziehung, Kultur, Freizeit und Recht wurden bislang mehr als 2300 Internetseiten empfohlen, im extra Kinderbereich mehr als 240. Die beiden Macherinnen kontrollieren jede Empfehlung auf ihre tatsächliche Kinderfreundlichkeit.

Obwohl immer mehr Leute auf die Seite klicken – Rankitoo.de verzeichnet bis zu 1000 Seitenaufrufe pro Tag, rund 150 Nutzer haben sich bislang registriert – Geld verdienen Saskia Jaden und Maryline Ehlermann mit ihrer Geschäftsidee nicht. Noch nicht. Denn langfristig hoffen sie auf Sponsoring und auf Werbekunden, die Onlineanzeigen schalten. „Aber der Kinderbereich wird werbefrei bleiben, das ist uns wichtig“, sagt Maryline Ehlermann. Schließlich soll bei Rankitoo niemand zum Onlineshopping verführt werden.

Statt alter Beruf neue Ausbildung

Anette Hönig hatte keine eigene Geschäftsidee, die sie umsetzen wollte. Die alleinerziehende Mutter wollte trotzdem nach jahrelanger Berufspause, in der sie ihre Söhne Lukas (14) und Lennart (11) groß zog, wieder in den Job einsteigen. Das Problem: Vorher hatte die heute 44-jährige gelernte Dekorateurin in einer Werbeagentur gearbeitet, im Grafikbereich. „In den letzten Jahren hat sich da aber so viel verändert, die ganze Technik, das Prozedere – das ist heute alles komplett anders als früher“, sagt sie. Schnell stand fest: In ihren alten Beruf konnte sie nicht mehr zurückkehren.

Vor zwei Jahren bildete sie sich daher erst einmal zur Mediatorin fort. Die Ausbildung war gut in ihren Alltag als Mutter zu integrieren, da die Unterrichtseinheiten in Blöcken am Wochenende stattfanden, an denen sie ihre Kinder unkompliziert woanders unterbringen konnte.

Aus finanziellen Gründen hätte Anette Hönig nicht unbedingt arbeiten müssen, die Familie ist versorgt durch den Unterhalt des Ex-Mannes. Aber sie wollte mehr als Mutter sein, wollte arbeiten gehen und eigenes Geld verdienen. Zunächst fand sie nur einen 400-Euro-Job in einer Relocation-Agentur. Dort organisierte sie Umzüge für Menschen, die ins Ausland gehen, und alles, was mit so einem Ortswechsel zusammen hängt. „Das hat großen Spaß gemacht“, sagt sie. „Aber ich wollte mehr Stunden arbeiten und mehr Geld verdienen.“

Auf einer Party lernte sie zufällig jemanden kennen, der ihr von einer freien Stelle beim Verein Seniorpartner in School, in dem ältere Menschen zu Mediatoren ausgebildet werden und sich für jüngere engagieren, erzählte. Vor wenigen Tagen hatte sie ihren ersten Arbeitstag dort – und ist glücklich. „Die ersten Tage waren zwar sehr turbulent, aber insgesamt klappt alles gut“, sagt sie. Alles, was sie sonst schon am Vormittag zu Hause erledigen konnte, muss sie nun auf später verschieben. Ihren Söhnen kocht sie Essen vor, manchmal bringt sie ihnen etwas von der Arbeit mit. „Jahrelang stand ich jederzeit zur Verfügung, die Kinder müssen sich jetzt erst einmal dran gewöhnen, dass ich nicht mehr ständig da bin.“ Sie habe versucht, es ihnen zu erklären. Dass sie jetzt auch mal was für sich tun müsse, für ihren Kopf, für ihre Unabhängigkeit. Im Job bekomme sie jetzt Anerkennung und Bestätigung, sagt Anette Hönig. Das fehlte ihr oft. „Obwohl es sehr stressig ist, fühle ich mich toll!“ Ein kleines schlechtes Gewissen gegenüber ihren Kindern bleibt. Dafür hat sie ihnen für die Sommerferien eine Woche Strandurlaub versprochen – bezahlt von ihrem eigenen Geld.