Martin Prell hat in Greifswald Medizin studiert. Vor etwa zwei Jahren ist der heute 33-Jährige in seine Heimat im Süden Brandenburgs zurückgekehrt. In Finsterwalde übernahm der junge Mediziner im Oktober 2012 die Praxis seines langjährigen Hausarztes. Er entschloss sich, seinen damals 67 Jahre alten Vorgänger bei sich anzustellen. So sind die bis zu 1300 Patienten gut versorgt – und dem neuen Doktor bleibt noch Freizeit.
„Ich habe es überhaupt nicht bereut, mich als Arzt in Finsterwalde niedergelassen zu haben“, sagt Martin Prell der Berliner Morgenpost. Leisten konnte er sich sein Praxis-Modell aber wohl nur, weil er mit rund 50.000 Euro Starthilfe rechnen konnte. „25.000 Euro gab es zur Übernahme und noch einmal jeweils 5000 Euro bekomme ich in den ersten fünf Jahren zur Sicherung der Praxis“, erläutert der junge Hausarzt.
Programm wird fortgesetzt
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und die Krankenkassenverbände haben sich in Brandenburg jetzt darauf geeinigt, ein Programm, mit dem Ärzte mit einer bis zu 50.000 Euro hohen „Lockprämie“ aufs Land geholt werden sollen, fortzusetzen. Die Kosten für die Zuschüsse wollen sich KV und Kassen weiterhin teilen.
Seit 2006 bekommen Mediziner eine Anschubfinanzierung, wenn sie sich in Brandenburg in Gebieten niederlassen, die unterversorgt sind – oder in denen eine sogenannte Unterversorgung droht. Die Initiative zeigt Wirkung, auch wenn immer noch nicht genügend Ärzte bereit sind, auf ein Leben in der Großstadt zu verzichten und die weiten Wege zu Hausbesuchen auf dem Land auf sich zu nehmen.
Sorgenkind ist Schwedt
„Wir haben bisher 34 Arztpraxen mit dem Programm unterstützt“, sagt Christian Wehry, der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. „Nicht alle haben die Höchstförderung von 50.000 Euro erhalten. Wer wo wie viel bekommt, ist genau festgelegt.“ Beim Großteil der geförderten Mediziner handelt es sich um Hausärzte, darunter sind auch Augen- und Kinderärzte – vor allem in den berlinfernen Gegenden. „Schwerpunkt war Schwedt“, sagt der KV-Sprecher. „Die uckermärkische Stadt ist unser Sorgenkind.“
Die Zuschüsse für Ärzte, die frei werdende Praxen übernehmen oder in unterversorgten Regionen neu gründen, betragen laut Kassenärztlicher Vereinigung bei der Übernahme 25.000 Euro und bei einer Praxis-Neugründung 20.000 Euro. Eröffnet der Mediziner eine Zweitpraxis, erhält er 7500 Euro. „Zusammen mit den Fördermitteln aus dem Strukturfonds der KV Brandenburg kann ein Zuschuss von bis zu 50.000 Euro erteilt werden“, sagt Wehry.
Möglich sei eine Förderung in allen Fachrichtungen und Regionen, denen vom Landesausschuss eine drohende oder bestehende Unterversorgung bescheinigt wurde. In einigen Landesteilen gibt es laut Kassenärztlicher Vereinigung bereits eine nicht unerhebliche medizinische Versorgungslücke: In der Prignitz werden dringend Hautärzte gesucht, in Pritzwalk-Wittstock vor allem Kinderärzte. Augenärzte fehlen im Süden, in den Orten Elsterwerda, Bad Liebenwerda, Finsterwalde und Lauchhammer. Eine Unterversorgung mit Haus-, Frauen, Augen- und Kinderärzten drohe landesweit. Derzeit sind laut KV mehr als 50 Hausarztsitze nicht besetzt, es fehlen mehr als zehn Fachärzte.
„Finanzielle Anreize allein reichen nicht“
Die politischen Parteien begrüßen die Fortsetzung der 50.000-Euro-Förderung. Allerdings sehen sie das Problem damit nicht gelöst. René Wilke, der gesundheitspolitische Sprecher der Linke-Fraktion im Landtag, sagt: „Die Erfahrungen besagen, dass finanzielle Anreize allein nicht ausreichen, um Ärzte für die Ansiedlung in ländlichen Regionen zu gewinnen.“ Entscheidend seien auch Faktoren wie Arbeitsmöglichkeiten für den Partner oder die Partnerin, die Infrastruktur mit Kita und Schule, gute Verkehrsanbindungen und kulturelle Angebote, betont Wilke.
Der Gesundheitsexperte der CDU-Fraktion, Raik Nowka, kritisiert: „Die Landesregierung bleibt angesichts der noch zu erwartenden Entwicklung viel zu passiv. „Während in vielen Kommunen des Landes große Anstrengungen unternommen werden, eine drohende medizinische Unterversorgung abzuwenden, begnügt sich die Landesregierung mit Symbolpolitik“, sagt der Oppositionspolitiker. Ein mit finanziellen Mitteln des Landes gestütztes Konzept sei überfällig.
„Während beispielsweise Bayern mit Landesgeld mehr als 100 Hausarztniederlassungen, Medizinstudenten und Ansiedlungskonzepte ländlicher Kommunen gefördert hat und dies weiter ausbaut, wird der Ärztemangel in Brandenburg immer noch nicht als Landesangelegenheit behandelt“, bemängelt der CDU-Gesundheitsexperte. Die Sprecherin des brandenburgischen Gesundheitsministeriums, Marina Ringel, weist die Kritik indes entschieden zurück. Die Landesregierung setze sich seit vielen Jahren intensiv für Verbesserungen der Versorgung dort ein, wo die Bedingungen dafür gemacht werden – „auf der Bundesebene“, wie Ringel betont.
Gesamtkonzept fehlt
Die Sprecherin des Verbandes der Ersatzkassen, Dorothee Binder-Pinkepank, bescheinigt der rot-roten Landesregierung zumindest: „Brandenburg ist sehr aktiv im Moderieren.“ Aber auch sie vermisst ein „eigenes Konzept“ wie in Bayern. Binder-Pinkepank sagt aber auch: „Bei der medizinischen Versorgung geht es nicht nur um die finanzielle Unterstützung.“ In Brandenburg müsse zum Beispiel dringend der Apothekennotdienst an den Wochenenden dem Ärztenotdienst angepasst werden. „Manche Patienten oder Angehörige fahren 20 Kilometer zum nächsten Arzt und dann wieder nach Hause zurück – und später noch einmal 20 Kilometer in die andere Richtung, zur nächstgeöffneten Apotheke.“