In Brandenburgs Gefängnissen wurden jahrelang Millionen von Euro verbaut – für eine sicherere und bessere Unterbringung der Insassen. Mit inzwischen 2123 Haftplätzen hat das Land aber am tatsächlichen Bedarf vorbeigeplant: Fast ein Drittel der Gefängnisplätze in den sechs Haftanstalten ist derzeit nicht belegt – so viel wie in keinem anderen Bundesland. Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) will nun bis Ende Oktober ein Konzept vorlegen, wie es weitergehen soll mit Brandenburgs Strafvollzug. Er schließt dabei auch nicht aus, dass aus Kostengründen ein ganzes Gefängnis aufgegeben wird.
Seit seinem Amtsantritt vor knapp zwei Jahren müht Schöneburg sich um eine Lösung, bislang vergebens. Seine Strategie, Berlin freie Haftplätze anzubieten, scheiterte am Widerstand von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD). Sie lehnte das Brandenburger Angebot ab. Stattdessen bestand sie auf den schon länger beabsichtigten Berliner Gefängnis-Neubau im brandenburgischen Großbeeren. Für Schöneburg ist dies nach wie vor unverständlich. „Es ist doch Unsinn, wenn zwei Länder so derart aneinander vorbeiplanen“, kritisiert er die Haltung von der Aues. „Ich bedauere es immer noch sehr, dass Berlin nicht wollte“, sagte Schöneburg gegenüber Morgenpost Online. Die Chance auf eine gemeinsame Lösung der Probleme sei vor anderthalb Jahren mit dem Neubau in Großbeeren vertan worden.
Aber auch andere Länder schicken nur hin und wieder Gefangene nach Brandenburg, so wie Thüringen. Nur bei der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts neu zu regelnden Sicherungsverwahrung von gefährlichen Straftätern wollen die Länder mit Brandenburg gemeinsam planen. Berlin ist auch da außen vor. Derzeit gibt es in Brandenburg acht Sicherungsverwahrte. In Berlin sind es momentan 40, laut Senatsverwaltung sind weitere 50 Strafgefangene für die Sicherungsverwahrung vorgemerkt. Brandenburg will den Ländern des Nordverbundes – Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern – als eigenen Unterbringungs-Standort Brandenburg/Havel vorschlagen. Dort könnten nach den Vorstellungen Schöneburgs später dann 25 Sicherungsverwahrte untergebracht werden. Im Nordverbund würden 110 Plätze für Sicherungsverwahrte benötigt.
„Keine Denkverbote“
Derzeit sind in Brandenburg laut Justizministerium im geschlossenen Männer8vollzug lediglich 804 der 1099 Plätze belegt. Im geschlossenen Jugendvollzug sind es 127 von 239 Plätzen und im geschlossenen Frauenvollzug 23 der 48 Haftplätze. Kurz nach seinem Amtsantritt stoppte Schöneburg den geplanten Ausbau der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg/Havel um weitere 180 Plätze. Justizminister Schöneburg sagt: „Wir müssen das Problem wohl alleine lösen.“ Dabei dürfe es keine Denkverbote geben. „Wir werden Abteilungen schließen müssen. Womöglich muss eine ganze Haftanstalt aufgegeben werden.“ Innenminister Dietmar Woidke (SPD), dessen Haus für Verwaltungsmodernisierung zuständig ist, drängt auf „angemessene Strukturen“. SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher verlangte bereits die Schließung einer JVA.
Während Holzschuher wegen der nur halben Belegung eine Schließung der JVA Luckau-Duben ins Spiel brachte, will Schöneburg das vermeiden. Denn erst kürzlich ließ er dort eine zentrale Diagnostikabteilung einrichten, die für alle Häftlinge in den Anstalten zuständig ist. Experten beurteilen hier, wie mit einem Straftäter umgegangen werden soll. Dazu gehört die Entscheidung, ob er ein therapeutisches Angebot erhalten soll, eine Ausbildung macht oder ob er einen Schulabschluss nachholt. Die von Schöneburg geplante Konzeption soll solche Neuerungen auch für andere Bereiche des Strafvollzugs beinhalten.
Weshalb Brandenburg sich derart bei den Planungen verschätzen konnte, darauf weiß der Justizminister offenbar auch keine schlüssige Antwort. „Das Gefängnisneubauprogramm ab dem Jahr 2000 war vielleicht zu ambitioniert. Sicher jedoch ist, dass bereits 2007 bekannt war, dass von den damals 2389 Haftplätzen bei abnehmender Tendenz nur 1966 belegt waren“, sagte er. Nach mehreren Häftlings-Ausbrüchen habe die Politik Flagge zeigen wollen. Hinzu kam, dass die Zahl der straffälligen Jugendlichen und jungen Erwachsenen stärker als erwartet zurückging. Das Positive an dem Trend sei, so Schöneburg, dass es zu weniger schweren Straftaten gekommen sei, als seine Vorgänger offensichtlich angenommen haben.