Mehr als jeder fünfte Berliner ist von Armut bedroht. Mit einer Armutsquote von 21,2 Prozent der Bevölkerung liegt die Hauptstadt deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt von 15,2 Prozent, Tendenz steigend: 2008 waren es in Berlin noch 18,7 Prozent gewesen. Das geht aus dem Armutsbericht 2013 hervor, den die Nationale Armutskonferenz und der Paritätische Wohlfahrtsverband am Donnerstag in Berlin vorlegten. Die Kluft zwischen armen und reichen Ländern geht danach immer stärker auseinander, schreiben die Autoren. Besonders stark betroffen ist Bremen mit einer Armutsquote von 23,1 Prozent. In Baden-Württemberg und Bayern hingegen sind nur gut 11 Prozent von Armut bedroht.
Auch Brandenburg ist betroffen. Dort können rund 68.000 Arbeitnehmer nicht von ihren Löhnen leben und müssen mit Sozialleistungen aufstocken. Das ist etwa jeder elfte Beschäftigte. Das geht aus dem Arbeitsmarktbericht 2012/2013 hervor, den das Arbeitsministerium am Donnerstag in Potsdam veröffentlichte. Im Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom selben Tag wird vor dieser Entwicklung gewarnt. Die Armut in Brandenburg wachse schneller als im Bundesdurchschnitt. Nahezu ein Fünftel der Brandenburger gelte als arm. Eine Ursache sei der wachsende Niedriglohnbereich.
Die Zahl der Arbeitslosen ging in den vergangenen zehn Jahren zwar um etwa die Hälfte zurück. Allerdings haben Teilzeit- und Mini-Jobs zugenommen, heißt es im Arbeitsmarktbericht. „Fast die Hälfte aller Teilzeitbeschäftigten arbeitet in Brandenburg unfreiwillig verkürzt, weil sie keine Vollzeitstelle gefunden haben“, teilte Sozialminister Günter Baaske (SPD) mit. 770 600 Brandenburger hatten im Jahr 2012 eine sozialversicherungspflichtige Arbeit.
Von 2003 bis 2012 ging die Zahl der Arbeitslosen von genau 252.967 auf 136.115 zurück. Die Arbeitslosenquote lag 2012 im Jahresdurchschnitt bei 10,2 Prozent, im Jahr 2003 bei 18,8 Prozent.
Zehn Branchen mit weniger als 6 Euro Stundenlohn
Nur ein Viertel der Betriebe ist dem Bericht zufolge tarifgebunden. In Westdeutschland ist es immerhin ein Drittel. Tarifbindung allein sagt aber noch nichts über die Höhe der Bezahlung aus. So gibt es in Brandenburg in 42 Branchen tarifliche Löhne unter dem nun von der Bundesregierung ins Auge gefassten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. In zehn Branchen liegen die Löhne sogar unter 6 Euro Stundenlohn.
„Im knallharten Wettbewerb um Fachkräfte muss allen Betrieben bewusst sein, dass Niedriglöhne und prekäre Beschäftigungsverhältnisse wesentliche Gründe für die Abwanderung von jungen Menschen sind. Das hat gravierende Folgen für das Wirtschaftswachstum“, erklärte Baaske.
Der Landesverband des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes beklagte: „Der Wegfall des öffentlichen Beschäftigungssektors und vieler Fördermöglichkeiten im zweiten und dritten Arbeitsmarkt, die Ausweitung des Niedriglohnsektors und prekärer Beschäftigungsverhältnisse sowie die wachsende Zahl von Aufstockern, die zusätzlich zum Lohn auf Sozialleistungen angewiesen sind, beschleunigen die Zunahme von Armut.“