Vor Totensonntag

Potsdamer Weihnachtsmarkt eröffnet unter Protesten

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Gudrun Mallwitz

Foto: Bernd Settnik / ZB

Kirche, Politiker und Bürger kritisieren den Start noch vor Totensonntag. Die Stadtverwaltung zeigt sich überrascht über die Empörung.

Der Potsdamer Weihnachtsmarkt ist am Donnerstag alles andere als besinnlich eröffnet worden. Kirchenvertreter, Politiker und Bürgervereine protestierten dagegen. Denn der Adventsmarkt mit seinen 140 Buden in der Brandenburger Straße eröffnete mit Genehmigung der Potsdamer Stadtverwaltung in diesem Jahr bereits vor dem Totensonntag am kommenden Wochenende.

Die Kirche versuchte noch, den Termin zu verhindern – doch vergebens. Potsdams Baubeigeordneter Matthias Klipp (Grüne) verteidigte die Entscheidung bei der Eröffnungsfeier auf dem Luisenplatz: „Es ist nie zu früh für einen Weihnachtsmarkt“, sagte er vor zahlreichen Potsdamern und Touristen ins Mikrofon. Schließlich werde auch schon vorher Stollen verkauft.

Der Superintendent der Evangelischen Kirche, Joachim Zehner, hält die Entscheidung für falsch. Er sagte: „Wir sind strikt dagegen.“ Ein Adventsmarkt gehöre in den Advent. Mittlerweile schaltete sich sogar die Leitung der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ein. Der Sprecher von Bischof Markus Dröge nannte es „problematisch, wenn an Tagen, an denen viele ihrer Verstorbenen gedenken, bereits die Weihnachtsmärkte öffnen“.

Oberbürgermeister orientierte sich an anderen Städten

Der Potsdamer Pfarrer Clemens Neumann von der Kirchengemeinde Drewitz/Kirchsteigfeld hatte im Auftrag der Kirchensynode bei Oberbürgermeister Jann Jakobs vergebens interveniert.

Inzwischen schickte Jakobs dem Kirchenvertreter eine schriftliche Stellungnahme. Darin warb er für Verständnis, dass die Eröffnung vor dem Ewigkeitssonntag stattfindet. „Wir haben diese Entscheidung geprüft und uns auch an Städten wie Hamburg, Düsseldorf, Koblenz, Ludwigshafen und Heidelberg orientiert“, schreibt der Oberbürgermeister.

In Bad Reichenhall und Bad Tölz sei noch weitreichender entschieden worden. Dort würden die Märkte auch am Totensonntag öffnen. „Das haben wir abgelehnt und sehen dies als Zeichen unseres christlichen Verständnisses“, so Jakobs. Er endet mit dem Satz: „Wir können Ihnen versichern, dass wir Ihre Besorgnis ernst nehmen und sie in den Entscheidungsprozess für das nächste Jahr einfließen lassen.“

Sein Sprecher Stefan Schulz nannte die diesjährige Lösung „einen Kompromiss“. Der Markt öffne zwar früher, bleibe am Totensonntag aber geschlossen. In den Vorjahren sei an dem Tag noch an den Buden für den Aufbau gehämmert worden. „Dieses Jahr sind die Arbeiten zu dem Zeitpunkt schon abgeschlossen und der Markt bleibt an dem Tag zu.“

Das Ordnungsamt sei aber mit dem früheren Eröffnungstermin dem Wunsch der Händler gefolgt, die somit an weiteren Tagen Geld verdienen können. Denn ihnen stünden in diesem Jahr trotz des frühen Starts zwei Verkaufstage weniger als im Vorjahr zu Verfügung. Der Markt hat bis 27. Dezember geöffnet. Für eine Verschiebung sei es zu spät gewesen. „Der Termin war seit Monaten bekannt, die Kritik setzte aber erst im November ein“, sagte Rathaussprecher Schulz. Der Markt zieht jedes Jahr Hunderttausende Besucher an. Im vorigen Jahr waren es rund 900.000.

Der frühe Eröffnungstermin sei pietätlos

Die katholische Kirche zeigte sich ebenfalls irritiert. Der frühe Eröffnungstermin widerspreche dem Grundempfinden vieler Menschen, so ein Vertreter der katholischen Kirche. Auch Potsdamer Bürger regen sich über den Termin auf. Er sei pietätlos, so die häufigste Aussage. Die 33-jährige Jeanine Saalfelder sagte: „Die Toten verdienen mehr Respekt“.

Die Arbeitsgemeinschaft Innenstadt, ein Zusammenschluss der Einzelhändler, verteidigte hingegen die frühe Eröffnung des Marktes. „Die Buden bleiben am Totensonntag geschlossen“, argumentierte deren Vorsitzender Wolfgang Cornelius. „Damit ist es an dem Feiertag ruhiger, als wenn die Handwerker noch tätig wären.“ Kritik und Unverständnis kam auch von der CDU: „Eine typische Unsensibilität der Potsdamer Stadtverwaltung“, sagte die CDU-Kreischefin und parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche. „Die Entscheidung der Verwaltung scheint dem Kommerz Vorrang vor Trauer und Gedenken an die Toten einzuräumen.“

Potsdamer Linke nennt Terminwahl peinlich

Und der Potsdamer Linke-Kreischef Sascha Krämer nennt die Terminwahl „peinlich“. Derweil gibt es auch Streit um die Öffnung des Weihnachtsmarktes in Halberstadt in Sachsen-Anhalt. Dort beginnt der Adventstrubel am Freitag.

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