Die Zahlen sind alarmierend: In manchen Brandenburger Regionen brechen bis zu 18 Prozent der Azubis ihre Lehre ab.

Wenn ein Brandenburger Lehrling seine Ausbildung abbricht, ist er nicht etwa zu faul zum Lernen. Vielmehr spielen oft andere Gründe eine Rolle, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab. Demnach ist die Auswahl an Lehrstellen heutzutage viel größer und deshalb auch die Bereitschaft, schneller die Ausbildung zu wechseln. Das betrifft vor allem Städte, wo mehr Unternehmen angesiedelt sind als auf dem Lande. Außerdem entscheiden sich Lehrlinge eher bei kleinen Firmen als bei großen Unternehmen zum Wechseln. Am stärksten betroffen ist das Hotel- und Gaststättenwesen.

Mehrfachbewerber suchen sich die schönste Stelle raus

Im Bereich der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) brechen etwa 15 Prozent der Lehrlinge ihre Ausbildung vorzeitig ab. „Viele von ihnen wechseln in andere Bereiche oder zu einem anderen Arbeitgeber“, berichtet Wolfgang Spieß, Leiter des Geschäftsbereiches Bildung. Außerdem gebe es viele Mehrfachbewerber. „Die schönste Stelle wird dann rausgesucht.“ Ähnlich verhalte es sich mit Gymnasiasten, die eigentlich studieren wollen. In der Metallbranche habe etwa ein Drittel der Lehrlinge Abitur, in der Elektrobranche die Hälfte.

Wie die IHK Cottbus registriert hat, wurden im Kammerbereich 2011 fast zwölf Prozent der Ausbildungsverträge wieder aufgelöst. Im Vorjahr 2010 waren es noch 14 Prozent. „Im Hotel- und Gaststättenbereich spielten die ungünstigen Arbeitszeiten eine Rolle“, sagt Anke Schuldt, Leiterin des Geschäftsbereiches Aus- und Weiterbildung. Die Ausbildungsverhältnisse seien in der Probezeit jeweils etwa zur Hälfte von den Lehrlingen und den Lehrherren gekündigt worden. „Die Unternehmen entschieden sich dazu wegen mangelhafter Arbeitseinstellung der jungen Leute, die sich durch Unpünktlichkeit und Fehltage bemerkbar machte“, erläutert Schuldt.

In den Betrieben der IHK Ostbrandenburg brachen im vergangenen Jahr 3,6 Prozent der Auszubildenden ihre Lehre wieder ab. „Dieser Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr 2010 etwa halbiert“, sagt Michael Völker, Teamleiter Ausbildungsberatung der Kammer. Solche jungen Leute unterstütze die Kammer mit vielfältigen Angeboten, damit sie wieder einen neuen Ausbildungsplatz finden.

Die Handwerkskammer Cottbus verzeichnete im vergangenen Jahr 358 gekündigte Ausbildungsverhältnisse, das waren 18 Prozent aller Verträge. „Diese Zahl ist zu hoch, auch wenn wir damit unter dem Bundesdurchschnitt von 20,5 Prozent liegen“, bemerkt Martina Schaar, Teamleiterin Berufsausbildung. Knapp zwei Drittel der Lehrlinge kündigten sogar nach der Probezeit. „Das verursacht beim Betrieb einen Schaden“, betont Schaar. Wegen der gesunkenen Zahl von Bewerbern kündige kein Betrieb jetzt mehr leichtfertig einem Lehrling. „Die Firmen reagieren schnell auf Konflikte, wenn der Lehrling zu spät kommt, unentschuldigt fehlt oder seinen Krankenschein nicht abgibt.“

Eltern stehen in der Pflicht

Schon bei der Auswahl einer Ausbildungsstelle stünden auch die Eltern in der Pflicht, sagt André Schulz, Sprecher der Arbeitsagentur Frankfurt (Oder). „Es ist wichtig, dass sie sich gemeinsam mit ihren Kindern um eine Lehrstelle kümmern.“ Er empfehle zudem ein Gespräch mit dem Berufsberater. Manchmal hapere es auch an Fleiß, Ordnung und vernünftigem Auftreten – „da gibt es Defizite“. Diese Beobachtung hätten Arbeitgeber gemacht. Die Arbeitsagentur könne helfen, bevor jemand seine Ausbildung abbricht: Sie bezahle etwa Nachhilfestunden, wenn es in der Berufsschule schlecht läuft.