Stromausfall in Köpenick

Wer war schuld am Stromausfall?

| Lesedauer: 7 Minuten
A. Dinger, J. Fahrun und T. Fülling
Menschenleer war es am Dienstagabend auf dem Schlossplatz am Eingang zur Altstadt Köpenick. Straßenlaternen und Ampeln waren in diesem Bereich komplett ausgefallen.

Menschenleer war es am Dienstagabend auf dem Schlossplatz am Eingang zur Altstadt Köpenick. Straßenlaternen und Ampeln waren in diesem Bereich komplett ausgefallen.

Foto: Jörg Carstensen / dpa

Der Stromausfall ist einer der größten in der Berliner Nachkriegsgeschichte. Die Morgenpost beantwortet die wichtigsten Fragen.

Berlin.  In Köpenick waren Zehntausende Menschen vom Stromausfall betroffen. Die Berliner Morgenpost beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum wird an der Salvador-Allende-Brücke überhaupt gebaut?

Die Brücke gilt seit Längerem als baufällig. Zunächst wurde eine Seite für den Autoverkehr gesperrt, am 23. Januar ließ Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) von einem Tag auf den anderen auch die zweite Brücke sperren. Eine Prüfung am Morgen habe ergeben, dass es Risse im Beton gebe, so die Senatorin. Zuvor rollten pro Tag 28.000 Autos, Lkw und Busse über die Brücke. Sie müssen nun lange Umwege fahren.

Wer arbeitet was an der Brücke?

Laut Senatsverkehrsverwaltung wurde nach einer EU-weiten Ausschreibung die Arbeitsgemeinschaft (Arge) Echterhoff/Kemna/Schachtbau Nordhausen mit den Arbeiten an der Brücke beauftragt. Die Arge hat ihrerseits Unterauftragnehmer beauftragt, die zum Teil wiederum Unterauftragnehmer beschäftigen. Dies sei ein übliches Vorgehen, so Behördensprecher Jan Thomsen. Konkret war eine Baufirma damit beschäftigt, eine Baugrubenwand im Rampenbereich der Brücke zu verankern. Dafür sei eine sogenannte Ankerbohrung erforderlich gewesen.

Wer ist schuld am Stromausfall?

Diese Frage lässt sich derzeit noch nicht eindeutig beantworten. Vor entsprechenden Arbeiten müssen sich die Baufirmen erkundigen, wo Strom- und andere wichtige Leitungen verlaufen. Aber: Laut Stromnetzbetreiber kam es nie zu einer solchen Trassenauskunft. Die Senatsverkehrsverwaltung wollte das bislang nicht bestätigen. Sprecher Thomsen sagt, die Leitung sei im Planungsprozess abgefragt worden und sei demnach bekannt gewesen. Die bauausführenden Firmen seien in den Baubesprechungen mehrfach auf die Leitung hingewiesen worden. Laut Senatsverwaltung muss jetzt geklärt werden, ob der Fehler beim Anbohren oder bereits in der Planung geschehen sei und ob die bauausführende Firma alle erforderlichen Vorabfragen vor Baubeginn erledigt hat. Der Stromnetzbetreiber allerdings sagt, dass bei einer Prüfung vor Ort die bauausführende Firma entsprechende Trassenpläne nicht vorlegen konnte.

Warum verlaufen beide Hochspannungskabel über die eine Brücke?

Das ist der Insellage Köpenicks geschuldet. Beide Umspannwerke, die den Ortsteil versorgen, liegen nördlich des betroffenen Gebietes. Eine Leitung über eine andere Brücke nach Köpenick zu führen, wäre extrem aufwendig.

Wem gehört das Berliner Stromnetz?

Betreiber ist mit einer Konzession des Landes die Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin GmbH. Seit Jahren läuft das Vergabeverfahren für die Konzession. Das Land Berlin möchte das Netz zurückgewinnen und hat die Landesfirma Berlin Energie ins Vergabeverfahren geschickt. Auch die Genossenschaft BürgerEnergie Berlin bewirbt sich.

Ist das Stromnetzes generell marode?

Nein. Die Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin GmbH investiert seit Jahren viel Geld in Netze und Umspannwerke. Seit 2015 hat Stromnetz ihre Anstrengungen deutlich erhöht, das jährliche Investitionsvolumen stieg von etwas über 140 Millionen Euro auf den für 2019 angestrebten Rekordwert von 194 Millionen Euro. 2020 sollen mehr als 200 Millionen ins Netz gesteckt werden.

Gab es während des Stromausfalls mehr Straftaten?

Laut Polizei sei es eine ruhige Nacht in Köpenick gewesen. „Aber man muss vorsichtig sein, vieles fällt vielleicht erst im Nachhinein auf“, so eine Sprecherin. Die Polizei war während des Stromausfalls mit mehr Kräften vor Ort.

Wer hat in der Nacht für Strom gesorgt?

Das Technische Hilfswerk (THW) versorgte die Menschen in Köpenick mit Strom und leuchtete Straßen aus. Über Notstromaggregate versorgte das THW zwei Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Abwasserpumpwerke und ein Umschaltwerk der Berliner S-Bahn mit Strom. THW-Sprecherin Elke Krukenberg bezeichnete den Einsatz gegenüber der Berliner Morgenpost als „außergewöhnlich“.

Wie wurden die Anwohner versorgt?

Das Bezirksamt teilte über Twitter mit, dass Anwohner mit warmen Getränken und Essen versorgt werden. Wegen des Blackouts seien auch die beiden Blockheizkraftwerke des Energieversorgers in Köpenick und Friedrichshagen vom Netz gegangen. Die 5000 betroffenen Haushalte könne man erst mit Wärme versorgen, wenn der Strom wieder fließe. Im Wagen des Katastrophenschutzes ASB vor dem Rathaus Köpenick konnten Bürger ihre Handys und Laptops aufladen. Da der Notruf nicht funktionierte, konnten Bürger sich nur an die nächstgelegenen Polizeiabschnitte und Feuerwachen wenden. Vom Stromausfall betroffene Köpenicker konnten aber auch mehrere Schulen aufsuchen, um sich aufzuwärmen oder ihr Handy aufzuladen.

Wie haben die Krankenhäuser den Stromausfall überstanden?

Die Feuerwehr richtete bereits am Dienstagnachmittag einen 20-köpfigen Krisenstab ein, da auch das DRK Klinikum Köpenick und zahlreiche Pflegeeinrichtungen im Bezirk vom Stromausfall betroffen waren. Das Krankenhaus Köpenick wurde zwar durch ein Notstromaggregat versorgt, doch der Betrieb lief stark eingeschränkt, geplante Operationen mussten für den Tag abgesagt werden. 23 Patienten seien aus Intensivstationen vorsorglich in andere Krankenhäuser verlegt worden, sagte eine Sprecherin des DRK Krankenhauses Köpenick am Mittwoch. Wie die Gesundheitsverwaltung mitteilte, konnten in den Notaufnahmen der zwei Kliniken im Ortsteil während des Stromausfalls keine ambulanten Patienten behandelt werden.

Wie wirkte sich der Stromausfall auf das Verkehrsnetz aus?

Die Verkehrsinformationszentrale Berlin teilte am Mittwoch mit, dass zahlreiche Ampelanlagen außer Betrieb seien. Drei Straßenbahnlinien waren auch am Mittwochmorgen unterbrochen. Die Linie 62 fuhr zwischen den Haltestellen Schlossplatz Köpenick und Wendenschloß nicht. Eingeschränkt nutzbar waren demnach auch die Linien 68 und 27. Die BVG richtete einen Ersatzverkehr mit Bussen ein.

Gibt es für Stromkunden Entschädigungen?

Ja. Dafür muss ein Formular auf der Internetseite des Unternehmens ausgefüllt werden. Dort kann dann eine „Anforderung der Kulanzzahlung zum Versprechen der Versorgungssicherheit“ beantragt werden.

Wie sind die Berliner Flughäfen auf Stromausfälle vorbereitet?

Ein Stromausfall wäre der GAU für den Luftverkehr. Wenn die Rechner der Fluglotsen im Tower schwarz bleiben, die Beleuchtung der Start-und-Landebahnen nicht mehr funktioniert oder die Kontrollgeräte ausfallen, darf schon aus Sicherheitsgründen kein Flugzeug in Berlin starten oder landen. „Daher wird die Stromversorgung unserer Flughäfen durch mehrere unabhängig voneinander arbeitende Systeme gesichert“, sagt Daniel Tolksdorf, Sprecher der Berliner Flughafengesellschaft. Außerdem verfügen beide Berliner Flughäfen über dieselbetriebene Notstromaggregate.

Und wie anfällig ist die S-Bahn?

Ein Stromausfall würde auch für die Berliner S-Bahn den kompletten Stillstand bedeuten. Züge könnten nicht fahren, alle Signale springen automatisch auf Rot um, und auch die Schranken schließen sich. Am Mittwoch war der S-Bahnbetrieb nicht unterbrochen.

( Christian Kielmann )