Tempelhofer Feld

FDP-Vorstoß: SPD will Wohnungen, Grüne und Linke dagegen

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Isabell Jürgens
Das Tempelhofer Feld  ist laut geltendem Gesetz zu 100 Prozent frei von Bebauung zu halten. Die FDP möchte das gerne ändern. Für das alljährliche Drachenfest  im September wäre aber in jedem Fall Platz genug.

Das Tempelhofer Feld ist laut geltendem Gesetz zu 100 Prozent frei von Bebauung zu halten. Die FDP möchte das gerne ändern. Für das alljährliche Drachenfest im September wäre aber in jedem Fall Platz genug.

Foto: Reto Klar / FUNKE Foto Services

Berlins Liberale haben beim Innensenator Antrag auf Kostenschätzung für einen neuen Volksentscheid zum Tempelhofer Feld eingereicht.

Berlin. Bei den rot-rot-grünen Regierungsparteien stößt die Initiative der Berliner FDP für einen erneuten Volksentscheid zur Randbebauung des Tempelhofer Feldes auf ein geteiltes Echo. Während die SPD sich grundsätzlich auch für den Bau von Wohnungen auf dem Areal einsetzt, lehnen Grüne und Linke dies ab.

Die SPD sei für eine moderate Randbebauung Tempelhofs und habe dies auf ihrem Parteitag im vergangen Herbst bereits auch deutlich gemacht, sagte Iris Spranger, stellvertretende Landesvorsitzende der SPD Berlin. „Wir haben 5000 bis 6000 Wohnungen vorgeschlagen“, sagte sie. „Die FDP versucht sich auf das Thema draufzusetzen, weil ihnen ihr Tegel-Thema weggebrochen ist“, sagte Spranger weiter.

Zudem sei der Bau von 12.000 Wohnungen, wie von der FDP vorgesehen, völlig überzogen. Auch Grünen-Chefin Antje Kapek hält die FDP-Kampagne für ein reines „Wahlkampfmanöver“. Die Linke lehne die Bebauung kategorisch ab, teilte Sprecher Thomas Barthel mit.

Hintergrund der koalitionsinternen Meinungsverschiedenheiten: Die Berliner FDP hat im Dezember die ersten Schritte zur Einleitung eines neuen Volksentscheids zur Randbebauung des Tempelhofer Feldes auf den Weg gebracht. „Wir haben Anfang Dezember den dafür nötigen Antrag auf eine amtliche Kostenschätzung eingereicht“, sagte Sebastian Czaja, Generalsekretär der Berliner Liberalen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) werde diese voraussichtlich Ende Januar vorlegen. Dann könne mit der Sammlung der Unterschriften umgehend begonnen werden.

Um die erste Hürde zur Einleitung eines Volksbegehrens zu nehmen, müssten mindestens 20.000 Unterschriften gesammelt werden. Ziel sei, im Volksentscheid zusammen mit der Abgeordnetenhauswahl 2021 abstimmen zu lassen.

Aus 100 Prozent Freifläche sollen 66 Prozent werden

Vor sechs Jahren hatten die Berliner in einem Volksentscheid eine Randbebauung mehrheitlich abgelehnt. Nur 40,8 Prozent hatten damals für, 59,2 Prozent gegen den Vorschlag der damaligen rot-schwarzen Landesregierung gestimmt, an drei Rändern des ehemaligen Flugfeldes 4700 Wohnungen, Gewerbebauten und eine Landesbibliothek (ZLB) zu errichten. Seitdem müssen per Volksgesetz „100% Tempelhofer Feld“, so auch der Name der Initiative, die sich damals gegen die Senatspläne erfolgreich stark gemacht hatte, frei von jeglicher Bebauung gehalten werden.

Mit der von der FDP beantragten „Neufassung des Gesetzes zum Erhalt des Tempelhofer Feldes“ wollen die Liberalen nun erreichen, dass aus 100 Prozent unbebauter Fläche nur noch zwei Drittel werden. „202 Hektar sollen als Freifläche weiterentwickelt werden, 100 Hektar am Rande des Feldes sollen als Bauland ausgewiesen werden, von denen wiederum 90 Hektar dann auch tatsächlich bebaut werden sollen“, erläuterte Czaja den Kern des Gesetzesentwurfs (siehe Grafik). Damit wäre auf dem Tempelhofer Feld, so schätzt der FDP-Politiker, Platz für rund 12.000 Wohnungen.

Der Vorschlag geht mit der beabsichtigten Baudichte weit über den damaligen Masterplan hinaus, den der frühere Stadtentwicklungssenator und heutige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) zur Abstimmung gestellt hatte. Doch dass die im Vergleich zum FDP-Vorschlag eher moderate Randbebauung vor sechs Jahren krachend durchfiel, ist für Czaja kein Grund, nun kleinere Dimensionen vorzuschlagen. Berlin brauche schließlich Wohnungen.

„Die Berliner haben sich 2014 ja unter ganz anderen Voraussetzungen gegen eine Randbebauung entschieden“, ist der FDP-Generalsekretär überzeugt. Insbesondere die Wohnungsnot sei inzwischen viel gravierender als beim ersten Volksentscheid.

Zustimmung vieler Berliner erwartet Czaja auch zu dem Vorschlag, dass die Wohnbebauung zu jeweils einem Drittel von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und privaten Bauherren errichtet werden sollen. Die Drittelung würde so ein Quartier für alle Einkommensklassen, eben die typische Berliner Mischung garantieren, sagte Czaja.

Berlins Liberale hatten auch Tegel-Volksentscheid initiiert

Die Berliner FDP hatte schon einmal einen Volksentscheid initiiert: Am 24. September 2017 entschieden die Berliner Wähler parallel zur Bundestagswahl ein Volksentscheid über den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel. Zwar war die Initiative erfolgreich, 56,1 Prozent der Berliner sprachen sich für den Weiterbetrieb aus, nur 41,7 Prozent dagegen. Im Juni 2018 entschied das Abgeordnetenhaus Berlins dann allerdings, dass der mit dem Volksentscheid "Berlin braucht Tegel" gefasste Beschluss vom Senat nicht umsetzbar sei.

An dem Vorgehen der FDP hatte es damals viel Kritik gegeben. Der Hauptvorwurf: Eine Partei sollte kein Volksbegehren initiieren. Denn dies sei ein Instrument, das eigentlich Bürgerinitiativen und anderen gesellschaftlichen Interessensgruppen vorbehalten ist, die eben nicht wie die Parteien über das Parlament die Möglichkeit haben, an der Gesetzgebung teilzuhaben. Allerdings war die FDP zum damaligen Beginn der Tegel-Kampagne nicht im Parlament vertreten – heute ist sie es jedoch.

„Die FDP wird keinen Volksentscheid ignorieren, wir achten den Bürgerwillen. Eine parlamentarische Mehrheit reicht uns da nicht“, begründet Czaja, warum die FDP, obwohl sie nun im Parlament sitzt, dennoch einen Volksentscheid zur Änderung des Tegel-Gesetzes herbeiführen will. Deshalb sollen Berlins Wähler neu entscheiden.

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